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Das Teelicht 2.0 kommt aus Sachsen

Das ist "Genial Sächsisch": Eine Kerze aus Frittenfett, die aber zum Glück nicht so riecht – und auch noch gut für die Umwelt ist.

Lesedauer: 3 Minuten

Es ist ein Fairphone der zweiten Generation, das neben Karsten Jahn auf dem Tisch liegt. Es ist so etwas wie ein stummer Botschafter seiner Lebenseinstellung. Die dreht sich nicht um Konsum, sondern um Nachhaltigkeit.

Karsten Jahn ist der zukünftige Geschäftsführer und Ideengeber von NatürLicht, einem kleinen Unternehmen, das auf dem Gelände der ehemaligen Kinderklinik in Leipzig sein Zuhause gefunden hat. Dass das Büro des Chefs früher ein Krankenzimmer war, verrät nicht nur das durch eine Jalousie verdunkelte Fenster in der Tür, sondern auch die Lichtleiste mit Anschluss für die Sauerstoffversorgung an der Wand. Das Gebäude gehört der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Mit ihr kooperiert das junge Unternehmen. Es ist eine durchaus fruchtbringende Zusammenarbeit, die zu schnellen Entwicklungsergebnissen führte, sagt Karsten Jahn und präsentiert sein NatürLicht.

Ein Teelicht, dessen Docht nicht aus einer der handelsüblichen Aluminiumhüllen oder einer Polyacryl-Form ragt. Stattdessen umschließt eine sandsteinfarbene Hülle die Kerze, die durchschnittlich 38 Millimeter im Durchmesser misst. Die Hülle ist vollständig aus natürlichen Stoffen, die nach ihrer Nutzung komplett verrotten können und die die Bodenqualität sogar noch verbessern. Studien sollen beispielsweise untersuchen, wie sich die Speicherfähigkeit der Erde verändert.

Die Masse, die in ihrer Haptik an Gips und in ihrer Festigkeit an Beton erinnert, ist vielseitig einsetzbar, versichert Karsten Jahn. Konkreter will oder besser kann er derzeit noch nicht werden. Das Patentverfahren für das neue Material läuft noch. Der neue Stoff muss allerdings einiges aushalten. In der unmittelbaren Nähe der Flamme erreicht die Kerze Temperaturen bis zu 1.400 Grad Celcius. Das Wachs selbst kann es auf bis zu 90 Grad bringen.

Im Labor zieht sich Karsten Jahn den weißen Kittel über, bevor das Verbundmaterial in den Vakuum-Ofen kommt, um es von Lufteinschlüssen zu befreien. In kleine Formen gegossen, wird das Material geformt und härtet schließlich aus. Noch fertigen Karsten Jahn und seine beiden Kollegen jedes Licht in Handarbeit. Das soll sich ändern, deshalb haben sie eine Maschine gekauft, finanziert mit Geldern des Exist-Gründerstipendiums. Zusammen mit den privaten Mitteln sind bislang 130.000 Euro in das Projekt NatürLicht geflossen.

Dabei hat alles am Küchentisch begonnen. Karsten Jahn war für eine Nicht-Regierungsorganisation in Afrika unterwegs, auch im Kamerun, wo er zufällig an einer Aluminiumfabrik vorbeikam. Die giftigen Rotschlämme, die ohne jegliche Abdichtung einfach in die Landschaft verkippt werden, gingen dem Jenenser nicht mehr aus dem Sinn. „Aluminium ist ein tolles Material für Autos oder für Flugzeuge, und wir haben in Deutschland auch eine Recycling-Quote von rund 90 Prozent. Aber für Alltagsprodukte, die – wie das Teelicht – nur ein einziges Mal verwendet werden, muss es eine weniger energieintensivere Alternative geben“, sagt Karsten Jahn, der nicht Materialwissenschaft, sondern BWL- und Afrikanistik studiert hatte. 

In einer Phase ohne feste Anstellung experimentierte er mit Messbecher und Glaszylinder. „Unsere Küche wurde zum Labor, was meine Freundin allerdings weniger gut fand“, so Jahn. Er merkte bald, dass es neben Ideen auch mehr Technik brauchte, um die Materialeigenschaften zu optimieren.

In dieser Phase lernte er Paul Handrick kennen. Den Bachelor hat der Maschinenbauer schon in der Tasche, momentan arbeitet er an seinem Master und am Maschinenpark für die NatürLicht-Herstellung. Die gekaufte Maschine ist hilfreich, muss aber noch umgerüstet werden. Werkzeugmaschinenexperte Professor Fritz Peter Schulze wird dafür hilfreiche Tipps geben. Er begleitet das NatürLicht-Team vonseiten der Hochschule. 

Im Herbst dieses Jahres, spätestens zum Weihnachtsgeschäft, soll es das NatürLicht zu kaufen geben – zunächst vorrangig in Biomärkten. Bis dahin wird Produktdesigner Carol Selig auch noch an neuen Designs arbeiten und die Kerzenfarben optimieren. Das elegante Cremeweiß dominiert die Prototypen. „Da geht aber viel mehr“, versichert Karsten Jahn, wobei er auch beim Wachs seinem nachhaltigen Denken verbunden bleibt. Paraffine, also Abprodukte bei der Verarbeitung von Erdöl, kommen ihm nicht in der Napf. Sie setzen beim Verbrennen Kohlenwasserstoffe frei, die der Gesundheit schaden.

Bienenwachs wäre eine Alternative, dachte Karsten Jahn, der seit gut einem Jahr selbst Imker ist. Doch er lernte schnell, dass die Belastung der Bienenvölker mit Chemikalien zwar in den letzten Jahren abgenommen hat. Dennoch finden sich immer wieder Varroazide im Wachs, die bei der Verbrennung freigesetzt werden. Ein weiteres Problem ist die großindustrielle Verarbeitung von Bienenwachs. Hier wird das Wachs unter großem Druck und bei hoher Temperatur gereinigt. Es verliert dabei aber seine honiggelbe Farbe und seinen feinen Geruch. Deshalb werden dem Wachs oft schließlich wieder künstliche Duft- und Farbstoffe zugesetzt.

Also nutzen die NatürLicht-Hersteller recycelte Wachse. Es handelt sich um Pflanzenfette, die schon einmal verwendet worden sind, zum Beispiel Fett aus Fritösen. Ein Unternehmen aus Thüringen kauft die verbrauchten Fette auf und wandelt sie in geruchsneutrale Wachse um. Sie zu einer Duftkerze zu machen, ist möglich. Aber hier experimentiert das Team von Karsten Jahn noch.

 

Von Ines Mallek-Klein

Foto: © Thomas Kretschel

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