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Depression im Business: und dann?

Wann ist eine psychische Erkrankung eine Chance im Unternehmertum, wann eine Hürde? Ein Psychologe und ein Betroffener klären auf.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Mann schaut mit etwas Abstand durch eine halbgeöffnete Tür.
Lorenz Weil ist Co-Geschäftsführer des Impact Hub Dresden, des ersten community-basierten und international vernetzten Coworking Space in der sächsischen Landeshauptstadt. Seit seiner Jugend leidet er an Depressionen und geht offen damit um. Foto: Veit Hengst

Von Olivia Daume

Dresden. Jeden Tag bringt Lorenz Weil Menschen zusammen, um mit ihnen nachhaltige und zukunftsweisende Projekte zu erschaffen. Durch Coworking und Eventflächen bietet er ihnen die Möglichkeit, sich in inspirierenden Räumen zu begegnen und wertvolle Partnerschaften zu schaffen. Mittlerweile kann Weil auf ein Netzwerk von über 100 Zentren auf fünf Kontinenten mit über 16.000 Mitgliedern zurückgreifen. Damit ist das Impact Hub Dresden der erste community-basierte und international vernetzte Coworking Space in Dresden.

Unternehmer leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen
Seit 2021 ist Lorenz Weil Co-Geschäftsführer dieser Büro-Community, in der kreative Menschen ihre eigenen Business-Ideen voranbringen und sich dabei gegenseitig unterstützen können. Dabei steht ihnen der 31-Jährige bei sozialen, ökologischen oder ökonomischen Herausforderungen stets zur Seite. Neben all der Verantwortung kann es schnell passieren, dass der Unternehmer seine persönlichen Probleme hintenanstellt. Dass er sich damit in einen Strudel begibt, weiß Weil bereits.
Seit seiner Jugend leidet der 31-Jährige unter Depressionen. Viele Dinge fallen ihm dadurch schwerer, etwa Rechnungen zu erstellen oder ans Telefon zu gehen, sobald es klingelt. „Kleine Aufgaben werden manchmal größer gemacht als sie sind, E-Mails werden dreimal gelesen und ein Satz mehrmals umgeschrieben, anstatt ihn einfach abzuschicken. Es gibt viele Momente, wegen derer ich dann abends auch noch lange wach liege und mich frage, ob ich alles richtig gemacht habe“, so Weil.
Die Krankheit begleitet den Unternehmer nun schon sein halbes Leben lang. Nach einer stationären sowie einer ambulanten Therapie ist der 31-Jährige inzwischen sogar dankbar für seine Diagnose. „Die Depression ist für mich eine chronische Krankheit, die einfach eine Achtsamkeit und Bewusstsein über die eigenen Frühwarnsignale bedeutet, um eine heftige Reaktion zu verhindern“, sagt Weil. Mit diesem Krankheitsbild ist er nicht allein.

Sind psychisch Erkrankte die besseren Unternehmer?
Wer ein Unternehmen gründet, stellt meist hohe Erwartungen an sich selbst. Von dem Druck seitens der Mitarbeiter, Kunden oder Investoren ganz zu schweigen. Um den Erwartungen gerecht zu werden, leisten Gründer oft mehr Arbeit und stellen ihre Gesundheit hintenan. Das führt auf lange Sicht zu einem Teufelskreis aus wenig Schlaf, Erschöpfung und Angstzuständen, resultierend in einem Burn-out. Einer Studie zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an mindestens einer psychischen Störung zu erkranken, bei Unternehmern 58 Prozent höher als bei Arbeitnehmern.
Der Gründungsprozess ist hierbei besonders risikobehaftet. Mehr als sieben von zehn (72 Prozent) Unternehmensgründern leiden laut dem amerikanischen Psychologen Michael Freeman unter mindestens einer psychischen Erkrankung. Zu diesen zählen unter anderem Ängste, ADHS, Bipolare Störung und Depressionen.
Der Psychologe und wissenschaftliche Mitarbeiter an der TU Dresden Philipp Kruse erklärt sich dieses Phänomen wie folgt: „Kommt die gründende Person aus einem Angestelltenverhältnis, kann das das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, erhöhen. Meist befindet sich die Person zum ersten Mal in einer so herausfordernden und leistungsorientierten Umgebung und muss auf eigenen Füßen stehen. Dass eine psychische Störung im Gründungsprozess diagnostiziert wird, ist daher nicht untypisch.“
Unter gewissen Umständen seien Betroffene sogar die besseren Unternehmer. „Eine Eigenschaft, die Unternehmern gerne zugeschrieben wird, ist eine hohe Risikobereitschaft. Diese geht häufig auch mit psychischen Erkrankungen einher, etwa bei einer Bipolaren Störung“, erklärt der Dresdner Psychologe. „In den manischen Phasen hat die betroffene Person ein hohes Selbstbewusstsein sowie eine hohe Risikobereitschaft und glaubt, alles schaffen zu können. Allerdings endet die manische Phase irgendwann in einer depressiven Phase, in der sich die Person eher in sich zurückzieht und weniger verlässlich ist.“
Eine sich anbahnende Depression muss aber nicht immer schlecht für die Gründung eines Unternehmens sein. Insbesondere im sozialen Unternehmertum sei es eine gute Eigenschaft, wenn man einer Personengruppe helfen will, zu der man selbst einen Bezug hat. „Wenn man selbst ein psychisches Leiden erlebt hat, kann man besser einschätzen, wie die anderen Betroffenen sich fühlen und was sie brauchen“, so Kruse.
„Auch Investoren zeigt das eine wichtige Sache, nämlich: die gründende Person kennt sich aus.“ Bewegt sich die gründende Person allerdings in rein monetären Kreisen, in denen die Leute hinsichtlich psychischer Leiden weniger sensibilisiert sind, könne es herausfordernd sein, offen mit seiner Erkrankung umzugehen. Aus diesem Grund haben Gründer oft das Gefühl, sie müssten ihre psychischen Probleme für sich behalten. Sie fürchten, dass das Eingeständnis mentaler Probleme ihnen vonseiten der Investoren als Schwäche ausgelegt werden könnte. Diese bieten jedoch teilweise Programme und Unterstützung für die psychische Gesundheit von Gründern an. Häufig beinhalten diese Initiativen Therapie, Coaching und Mentoring, um besser mit Stress und einem Burn-out umzugehen.
Wie wichtig es ist, seine Kunden zu kennen, weiß auch Lorenz Weil. „Ich wollte nie das Rad neu erfinden, sondern eher das Umfeld bauen, das es braucht, um etwas neues Bahnbrechendes zu kreieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig das Umfeld ist und was es braucht, um andere zur Höchstleistung zu bringen“, so der 31-Jährige.

Können präventive Trainings vor psychischen Krankheiten schützen?
Um sich vor einer psychischen Erkrankung zu schützen, sollten die Menschen präventiv handeln und frühzeitig lernen, mit den eigenen Emotionen, Stress und Belastungen umzugehen, heißt es von Kruse.
So könne man etwa in Stresstrainings herausfinden, wie man die Balance zwischen Anspannung und Entspannung hält oder bei der emotionalen Regulation lernen, die eigenen Emotionen zu managen. „Man kann nicht alles ändern, aber man kann psychologisch einige Dinge tun, damit es einem unter gegebenen Belastungen nicht ganz so schnell nicht ganz so schlecht geht“, so Kruse. Sollte man trotz präventivem Training an einer psychischen Störung erkranken, sollte man schnell handeln und eine Therapie in Anspruch nehmen. „Die Gesundheit geht vor. Wenn man eine psychische Erkrankung immer nur aufschiebt, verschlechtert sich die Ausgangssituation zunehmend.“
Die Folge: „Im schlimmsten Fall muss die gründende Person ihr Unternehmen aufgrund der psychischen Störung aufgeben“, empfiehlt der Psychologe. Aber damit seien die Betroffenen nicht allein. „Viele Unternehmen scheitern bereits in den ersten Jahren. Man sieht aber nur diejenigen, die es bereits geschafft haben. Das ist jedoch eine große positive Verzerrung.“
Und was tut Lorenz Weil, um sich vor einer depressiven Phase zu schützen? Handball spielen. „Sport ist das beste Antidepressivum“, so der 31-Jährige. Zweimal die Woche findet das Training in seinem Verein statt. Wer nicht kommt, muss in die Strafkasse einzahlen. Außerdem: „Auf Geschäftsführerebene ist es wichtig, offen zu kommunizieren. Es frisst viel mehr Energie, die Fassade aufrechtzuerhalten, anstatt zu sagen, dass man gerade eine schwierige Phase durchmacht. Dann kann man zusammen entscheiden, wo man Unterstützung benötigt.“

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