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Der 3D-Drucker als Weltenretter

Petra Wallasch hat in Leipzig eine Vorführ-Fabrik für additive Technologien gebaut – und träumt davon, mit 3D-Druck irgendwann auch die Weltmeere zu säubern.

Lesedauer: 4 Minuten

Eine blonde Frau lächelt in die Kamera.
Petra Wallasch hat ihren ersten 3D-Drucker für Architekten-Projekte gekauft. Später wurde daraus ein Geschäftsfeld. Foto: Tim Hard Media via Rapidobject

Von Heiko Weckbrodt

Leipzig. Petra Wallasch hat eine Vision. Eine Vision, in der die Rettung des Planeten und ihre Lieblingstechnologie gleichermaßen vorkommen: „Es wäre toll, wenn wir einen Weg fänden, den ganzen Plastemüll aus den Weltmeeren einzusammeln und ihn mit 3D-Druckern zu neuen Produkten zu verarbeiten.“ Freilich ist sie kein verträumter Teenager mehr, sondern 64 Jahre und eine gestandene Unternehmerin. Und so weiß sie, dass der Weg zur Weltenrettung mit viel Mühe, Erfindungsgeist und Ausdauer gepflastert ist. Daher konzentriert sich Wallasch erst mal auf den ersten Schritt: die additive Fertigung, landläufig 3D-Druck genannt. Und sie hat nun in Leipzig eine transparente 3D-Fabrik eingerichtet, die Mittelständlern aus der Region ebenso wie Schülern, Lehrern und technikaffinen Laien zeigen soll, was sich damit alles binnen Stunden machen lässt.
In Ländern wie China und Südkorea steht diese Technologie längst für ein geschäftliches Erfolgsmodell. Dort werkeln in manchen Werkhallen Hunderte 3D-Drucker. Sie surren, schütteln und heizen nonstop vor sich hin, stellen in Einzelanfertigungen oder ganzen Serien genau die Föne, Sonnenbrillen oder anderen Produkte her, die der Online-Kunde eben per Internet bestellt hat.
In Deutschland fristet der 3D-Druck hingegen bisher noch ein eher stiefmütterliches Schattendasein. Zwar stehen wegen des Preisverfalls dieser Technik inzwischen auch in manchen privaten Hobby-Kellern solche Geräte, die über Nacht Spielzeuge, Figuren oder Ersatzteile erzeugen. Auch immer mehr Autokonzerne, Maschinenbauer und Elektronikfabriken stellen ausgewählte Werkzeuge, Prototypen und Unikate mit industriellen 3D-Druckern her.

Chinesen und Südkoreaner haben Deutschland abgehängt
Doch seine einstige Führungsposition in dieser Zukunftstechnologie hat Deutschland längst eingebüßt: Noch vor zehn Jahren habe Deutschland zur Spitzengruppe im industriellen 3D-Druck gehört, jetzt lande der einstige Exportweltmeister nur noch auf Rang 8, zitiert die sächsische 3D-Pionierin aus einer Studie der Unternehmensberater von „Ernst & Young“. Die mit Abstand meiste Erfahrung in diesem Sektor haben inzwischen Südkorea und China. „Von etwa 10.000 3D-Druck-Patenten weltweit hält China heute 60 Prozent, die EU gerade mal elf Prozent“, ergänzt Raban von Arnim vom deutschen Branchenverband „3DDruck“. Von cirka 12.000 3D-Druck-Firmen rund um den Globus residieren 44 Prozent ebenfalls im Reich der Mitte.
Dass dem 3D-Druck auch hierzulande die Zukunft gehört, davon ist Petra Wallasch fest überzeugt: „Diese Technologie ist gut für die Umwelt, vermeidet Abfall, erledigt viele Lieferkettenprobleme und vermindert die Lagerhaltung“, zählt sie auf. Vor allem aber lassen sich damit komplexe Bauteile erzeugen, die mit der Fräse, Drehbank oder dem klassischen CNC-Bearbeitungszentrum gar nicht machbar wären. Zudem sind Einzelanfertigungen auf Kundenwunsch wie auch kleine und mittlere Serien profitabel möglich – eine echte „Industrie 4.0“ eben. Dabei ist Wallasch keineswegs über die Industrie, sondern auf ganz anderen Pfaden auf den 3D-Druck gestoßen. Die Leipzigerin studierte bis 1982 Wirtschaft in Merseburg, war dann jahrelang in der Ukraine tätig.
Nach der Wende arbeitete sie in einem Grafikbetrieb, der unter anderem für die Bauwirtschaft tätig war. Dort wuchs das Interesse, klassische Baupläne und Architektenzeichnungen auf Papier durch digitale Versionen zu ersetzen. Auf der Suche nach praktischen Lösungen stieß Petra Wallasch eines Tages auf einen Zeitschriftenartikel: „,Druck mir mal ne Pizza‘, stand da“, erinnert sie sich. Und das war für sie der Schlüsselmoment, in den 3D-Druck einzusteigen, oder, vornehmer ausgedrückt, in die additive Fertigung. „Ich habe damals den ersten 3D-Drucker für Architekten-Projekte gekauft“, erzählt sie. In den Folgejahren entwickelte sie ein ganzes Geschäftsfeld für 3D-Druck im Unternehmen, schaltete 2007 den – laut ihrer eigenen Einschätzung – „weltweit ersten Online-Shop für 3D-Druck-Modelle“ frei.

„Druck mir ne Pizza“ wurde zum Aha-Moment
Doch ihre damaligen Arbeitgeber teilten Wallaschs 3D-Enthusiasmus nicht so recht. Daher beschloss die seinerzeit 50-Jährige, sich selbstständig zu machen. 2010 gründete sie ihre Abteilung in Leipzig aus. Die firmierte fortan als eigenständige „Rapidobject GmbH“ – der Name abgeleitet von der Idee, dass sich mit additiven Verfahren nahezu jedes Objekt sehr schnell, also rapide, herstellen lässt.
Waren es anfangs in der Tat eher Unikate, Entwicklungsmuster und Kleinserien, die Wallasch im Kundenauftrag 3D-druckte, folgten bald immer ambitioniertere und größere Projekte. Seit der Gründung hat Rapidobject Aufträge für 20.000 Kunden aus der Elektroindustrie, dem Automobil- und Maschinenbau, Medizin und Forschung realisiert. Einige der 3D-Artefakte aus Sachsen haben es sogar schon mit der Nasa ins All geschafft. Auch Belegschaft und Maschinenpark sind gewachsen: Inzwischen beschäftigt Rapidobject 38 Menschen, kommt auf sieben Millionen Euro Jahresumsatz und verfügt über ein breites Portefeuille an 3D-Druckern für ganz unterschiedliche Einsatzzwecke: In den Hallen werkeln Kunststoff- und Metall-Drucker. Einige sind eher für Einzelanfertigungen gedacht, andere für Serien mit mehreren Tausend Exemplaren. Die neueste Anlage kann sogar metergroße Designer-Vasen und andere voluminöse Kunststoff-Artefakte erzeugen. Ein paar Meter weiter generiert ein Spezial-3D-Drucker Skelett-Hände für die Ausbildung künftiger Mediziner. Zudem baute Wallasch eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf, um der Konkurrenz in Europa und China immer eine technologische Nasenlänge voraus zu bleiben.
All dies will die umtriebige Unternehmerin nun auf eine neue Evolutionsstufe heben: Einen alten Klinker-Industriebau an der Weißenfelser Straße, in dem Rapidobject residiert, hat sie mit Millionenaufwand saniert und in eine lichtdurchflutete „Gläserne 3D-Fabrik“ verwandelt. Schüler, Lehrer, Unternehmer und Fachleute aus der Region will sie in diesen sächsischen Leuchtturm für additive Fertigung einladen, damit sie vor Ort – live und in Farbe gewissermaßen – sehen können, wie 3D-Druck funktioniert und was sich damit alles machen lässt. Führungen, Schulungen und Seminare will das Rapidobject-Team hier anbieten. In einem eigenen Technikum können sich Besucher auch selbst an modernen additiven Produktionsmethoden versuchen.

„Impulsgeber für die Industrieproduktion der Zukunft“
Die ersten Besucher führt die Chefin persönlich durch ihr transparentes Zukunftslabor – mindestens ein Quäntchen Stolz ist ihr dabei anzumerken. „Ich finde es wichtig, dass wir Menschen die Möglichkeit bieten, sich von den innovativen Möglichkeiten dieser Mega-Technologie inspirieren zu lassen“, schwärmt Petra Wallasch. „Denn 3D-Druck wird Produkte revolutionieren und ein entscheidender Impulsgeber für die Industrieproduktion der Zukunft werden.“
Und wer weiß: Wenn die sendungsbewusste Unternehmerin mit ihrer Mission Erfolg hat und in dem Tempo weitermacht, kann in ein paar Jahren womöglich auch ihr Lieblingsprojekt beginnen: die Rettung des Planeten Erde mit 3D-Druckern. Wer all die Plastemüll-Treibinseln auf den Weltmeeren einsammelt und zu den 3D-Fabriken bringt und welche Aufbereitungsschritte dann noch nötig sind, ist zwar noch offen. Dass sich Kunststoffabfall aber wiederverwenden und in praktische Dinge verwandeln lässt, macht Petra Wallasch in ihrer Gläsernen 3D-Fab in Leipzig bereits vor: „Sehen Sie!“, sagt sie und streicht mit der Hand durch Kunststoffpulver, das einer ihrer Mitarbeiter eben von einem frisch gedruckten Bauteil aus einer additiven Pulverbett-Anlage als Restmaterial abgepinselt hat. „Das werfen wir natürlich nicht weg, sondern verwenden es gleich wieder für den nächsten 3D-Druck.“

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