Zittau. Fit gehört ins Wasser. Tropfenweise und nicht wie 2010 das gesamte Zittauer Werk in die Neiße. Fast hätte jene Flut die Kultmarke hinweggespült – und mit ihr das Lebenswerk eines Mannes. Doch das konnte Wolfgang Groß nun, 15 Jahre später, an einen spanischen Hersteller von Haushaltsprodukten übergeben: und das fitter denn je.
Fragt man den langjährigen Chef und Inhaber der Fit GmbH nach seiner härtesten Zeit als Unternehmer, landen jene Augustwochen in Wasser und Schlamm weit vorn. Angesichts der Millionenschäden stand es Spitz auf Knopf für den Hersteller von Ostdeutschlands beliebtestem Geschirrspülmittel. Doch Aufgeben war keine Option. Wolfgang Groß hat es geschafft – mithilfe seiner Belegschaft und dank der Solidarität von Lieferanten und Handelsketten. Dafür wurde er 2011 zu „Sachsens Unternehmer des Jahres“ gekürt.
Dabei hatte der Schwarzwälder seinen größten Sieg schon 1993 bei der Übernahme des Treuhandbetriebs in der Lausitz errungen. „Ich habe bis zur Erschöpfung kämpfen müssen, um die Finanzierung hinzubekommen“, blickt der Ex-Produktentwickler des Haushaltchemie-Riesen Procter & Gamble zurück.
Er wollte nie ein „Besserwessi“ sein
Groß wollte nie den „Besserwessi” spielen, wie viele Glücksritter im Nachwende-Osten. Als er in Hirschfelde, heute Stadtteil von Zittau, ankam, „war Fit ein Schrotthaufen, und ich wollte alles abreißen“, erinnert er sich. Für den Neuaufbau habe er Experten aus dem Westen geholt. Dann stellte sich heraus, dass sie in Leipzig geboren wurden und in Dresden studiert hatten.
Jene Statiker und Architekten rieten dem Chef zu Erhalt und Sanierung der Kernsubstanz. Sie sollten Recht behalten. Der ergraute Schlipsträger muss lachen, als er von solchen Aha-Erlebnissen erzählt. Die Folge: Vertrauen in Ost-Knowhow und die Festlegung, keinen Handwerker zu entlassen.
Groß lässt nichts auf seine Belegschaft kommen und schwärmt von deren Teamgeist: „Wir wussten, wir können alles stemmen!“ Es sei aber nichts Unsinniges angegangen worden, „alles nur in Häppchen“ – aber in Summe Investitionen von mehr als 200 Millionen Euro. Die Banken legten ihre Vorbehalte ab und fassten Vertrauen. Fits bundesweiter Siegeszug in die Supermarktregale zerstreute letzte Zweifel.
Auf Einkaufstour für Westmarken
Die Lausitzer seien „ähnlich holzköpfig wie die Schwarzwälder“, sagt Groß. Man werde nicht gleich mit offenen Armen empfangen, aber wenn man gezeigt habe, was man drauf hat, würden sie offener. Der promovierte Chemiker zeigte es – auch durch spektakuläre Zukäufe von Westmarken. Rei, Rei in der Tube, Sanso, Kuschelweich und Sunil vor der Flut, später folgten Gard und Fenjal. Derzeit umfasst das Sortiment gut 350 Artikel – von Haushaltsreinigern über Waschmittel und Weichspüler bis zu Kosmetika.

Quelle: fit GmbH
In seiner Verwandtschaft habe kaum jemand bis zum offiziellen Rentenalter gearbeitet, sagt der 73-Jährige. „Alle sind viel früher in den Ruhestand gegangen und haben sich gewundert, warum ich mir das antue.“ Es mache Spaß, habe er geantwortet, und das noch immer. Aber vor acht Jahren habe ihn eine schwere Erkrankung gemahnt, dass das Leben endlich ist. Von da an habe er sich – „auch in Verantwortung für mittlerweile 280 Beschäftigte und die Region” – ernsthaft Gedanken um eine Nachfolge gemacht.
Das Einfachste wäre eine Lösung innerhalb der Familie gewesen. Doch seine beiden Töchter hätten keine Ambitionen gehabt, was ihn auch einige Tränen gekostet habe. Und der Enkel sei gerade mal ein Jahr alt. So blieb der Verkauf – nicht an irgendwelche Heuschrecken unter den gut 20 Interessenten, sondern an Leute mit Geld und Ahnung von der Materie.
Ein neuer europäischer Champion
Aber warum fiel die Wahl auf die Gruppe mit Sitz in Barcelona und nicht auf Henkel in Düsseldorf oder seinen früheren Arbeitgeber Procter & Gamble mit milliardenschweren Marken wie Pampers, Ariel, Oral-B, Head & Shoulders? Groß führt eine dann „kaum noch zu ertragende Marktmacht” bei Spülmitteln oder Weichspülern, von jeweils um die 40 Prozent an. In dem Fall hätte die Fit GmbH nicht als Ganzes erhalten werden können, hätten die Wettbewerbshüter die Abgabe von Bereichen angeordnet.
Groß geht es um den Erhalt des Standorts mit all seinen Jobs und Haustarif. „Das war am besten mit BlueSun möglich und ist – zumindest für die nächsten Jahre – auch im Kaufvertrag festgehalten“, sagt er. Die Spanier machten das Gleiche wie er: Marken aufkaufen, polieren und mit ihnen wachsen. Sie seien in über 40 Ländern aktiv und die Ostsachsen perfekte Ergänzung zu ihren Reinigungs- und Pflegeprodukten und Eintrittskarte für den deutschen Markt. Mit dem Deal entsteht ein neuer europäischer Champion. Die Größe bewahre nicht vor Krisen, gebe aber Zuversicht, so Groß.
Groß, auch langjähriger Vizepräsident der Dresdner IHK, übergibt das Unternehmen in einem Top-Zustand. Für 2024, als die Marke Fit 70. Geburtstag feierte, wurde ein Rekordumsatz von 377 Millionen Euro bilanziert.
Erfolgreich wie Radeberger und Rotkäppchen
Man soll angeblich gehen, wenn’s am schönsten ist. Und wie schwer fällt der Abschied vom Lebenswerk und den dortigen Menschen? „Klar gab es einige Tränen“, sagt Groß. Für seine Belegschaft hat er einen Rat: „Zusammenhalten!“ Und die Botschaft an die Nachfolger: „Hart arbeiten!″ Jetzt komme es darauf an, dass die Unternehmen zusammenwachsen – mit dem Besten aus beiden Teilen. Der Traum vom firmeneigenen Windrad blieb unerfüllt. Die Suche nach den richtigen Käufern habe in den vergangenen anderthalb Jahren Vorrang gehabt. „Das ist wie eine Heirat.“

Quelle: Matthias Weber/photoweber.de
Hiesige Entscheider nennen Fit in einem Atemzug mit dem Siegeszug von Radeberger Bier und Rotkäppchen-Sekt in die Westregale. Für seine geschäftliche Wahlheimat ist Groß ein Vorzeigeunternehmer. Als Vizepräsident der Dresdner IHK hat er sich viele Jahre ehrenamtlich für die Belange des Mittelstands eingesetzt und für den Ausbau der Bundesstraße 178n in Ostsachsen starkgemacht.
„Die Träumende“ kommt ins Wohnzimmer
Dort hat man auch seinen Einsatz für Feuerwehren und Sportvereine geschätzt sowie Sachspenden für Schulen, Flüchtlinge und das Kloster St. Marienthal. Als Anerkennung erhielt er den Sächsischen Verdienstorden, die höchste staatliche Auszeichnung des Freistaats.
Er sei 33 Jahre ein Wanderer zwischen zwei Welten gewesen, sagt der gebürtige Baden-Badener: Montags früh aus Heidelberg, wo er mit seiner Frau lebt, unters Dach des Zittauer Verwaltungsgebäudes – freitags wieder heim. Nun geht’s auf Dauer zurück. Gleichwohl hegt er Reisepläne. Ganz oben auf der Liste: Mexiko und Marokko. Außerdem fährt der Junggebliebene gern Rad und Ski. Und auch kulturell, wo es ihn bislang in die Semperoper und ins Zittauer Theater zog, eröffnen sich mehr Zeiträume.

Quelle: Robert Michael
Bleibt eine Frage: Was wird aus der „Träumenden“? Die Trophäe für Sachsens besten Unternehmer hatte ihn über Jahre im Büro motiviert. „Sie kommt auf jeden Fall mit – und vielleicht ins Wohnzimmer“, sagt Groß. Als Erinnerung an Erfolge und gemeisterte Krisen.
SZ