Anfang des Jahres gab es die ersten Gerüchte, Mitte April dann die offizielle Bestätigung: Der Feinkosthersteller Homann zieht nicht von Dissen nach Leppersdorf um. Geplatzt war der Traum von der 500 Millionen Euro-Investition in ein neues Werk, von 800 neuen Arbeitsplätzen.
Herrscht jetzt, gut acht Monate nach der Entscheidung, Katerstimmung im Werk und in der Region? Davon kann keine Rede sein, sagt Alexander Truhlar, Sprecher der Müllergruppe. Auch ohne die Investitionen in das Feinkostwerk ist nach seinen Angaben viel Geld in den Standort Leppersdorf geflossen. "Wir haben allein in die Erweiterung der Produktionskapazitäten im Bereich Frische, wo beispielsweise Joghurt hergestellt wird, gesteckt. Entstanden ist mit der Summe die Anlage ,Frische III‘." Für Außenstehende ist die Errichtung eines Hochregallagers das deutlichste Zeichen, dass der Standort Leppersdorf wächst. "50 Millionen Euro wurden hier investiert. Damit hat sich die Zahl der Palettenstellplätze deutlich erhöht. Diese Erweiterung steht im Zusammenhang mit dem Ausbau der Frische-Kapazitäten."
Nach seinen Worten sind weitere Summen – insgesamt 20 Millionen Euro – in Veredelungsanlagen von Molke geflossen. Aus der gelblich trüben Flüssigkeit, die einst ein Abfallprodukt der Milchverarbeitung war, wird bei Sachsenmilch unter anderem hochreines Eiweißpulver hergestellt. Vor der Werkszufahrt wurde zudem ein neuer Großparkplatz für Mitarbeiter und Milch-Lkw. Somit ist bereits fast die Summe erreicht, die Konzern-Patriarch Theo Müller nach dem Homann-Aus Leppersdorf zugesichert hatte. 250 Millionen Euro wolle er in den nächsten Jahren am Standort investieren, teilte er im April mit. Laut Alexander Truhlar sind für das kommende Jahr weitere Investitionen geplant, die aber noch nicht spruchreif sind. Somit haben diejenigen recht behalten, die die Absage ohne große Sorge sahen. "Die Entwicklung bei Sachsenmilch wird weitergehen. Wenn Homann nicht kommt, dann werden andere Betriebsteile wachsen. Da bin ich mir sicher", sagte Lothar Israel, Gemeinderat der offenen Bürgerliste (OBL). Auch der Wachauer Bürgermeister Veit Künzelmann (CDU) blieb für den Standort Leppersdorf zuversichtlich. "Die Müller-Gruppe hat in den vergangenen Jahren jeweils immer einen dreistelligen Millionenbetrag investiert. Ich denke, diese Entwicklung wird weitergehen, nicht zuletzt wegen des günstigen Gewerbesteuersatzes hier in unserer Gemeinde", sagt er. Er liegt in Wachau deutlich unter dem im restlichen Sachsen.
Dass seine Gemeinde jetzt wegen wegbrechender Steuereinnahmen von Müllermilch finanziell arg ins Trudeln geraten ist, hat nicht unbedingt etwas mit dem Homann-Aus zu tun. Der Konzern begründet den Steuerrückgang laut Künzelmann mit Investitionen und den Russlandsanktionen. Beides Vorgänge, die auch bei einer Ansiedlung Auswirkungen gehabt hätten. Trotz der Absage hat auch Leppersdorf profitiert. Im November öffnete an der Zufahrt zu Sachsenmilch in Leppersdorf ein Supermarkt. Nach dem Aus war das Projekt nicht gestoppt worden. Mittlerweile arbeiten mehr als 2 500 Menschen in der Molkerei, potenzielle Kunden. Das war wohl das Hauptargument für den Discounter Norma, für die Eröffnung des Marktes.
Im Frühjahr 2017 hatte die Müller-Gruppe entschieden, die Firmen-Tochter Homann in Leppersdorf ansiedeln zu wollen. Die Absage wurde mit einer Überprüfung des Konzepts begründet. Sie habe für einen Verbleib in Niedersachsen entschieden. Rund 200 Millionen Euro werden derzeit in die Homann-Werke Dissen, Lintorf, Bottrop und Rogätz investiert. Im Stammsitz Dissen produziert Homann seit mehr als 141 Jahren. Etwa 1 200 Menschen arbeiten im Kreis Osnabrück für die Firma, die im vergangenen Jahr rund 640 Millionen Euro Umsatz machte. Dissen soll Homanns Leuchtturm in Sachen Salat-Produktion und -Logistik werden.
Von Thomas Drendel
Foto: Thorsten Eckert