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Der Obstbau im Müglitztal stirbt

In Falkenhain wurde schon geerntet, da hatten andere noch nicht mal gepflanzt. Nun werden die Flächen gerodet.

Lesedauer: 2 Minuten

Die Hauspflaumen waren der Renner. Eine späte Sorte, aromatisch und für Kuchen wie Mus gleichermaßen geeignet. Die letzten Pflaumen in Falkenhain wurden vergangenen Herbst geerntet. Jetzt sind die Bäume verschwunden, Frank Schiebel rodet diese Woche die letzte Reihe Wurzeln. Mit ihr verschwindet ein Stück Obstbaugeschichte.

Sie begann in Falkenhain im Müglitztal vor weit über 60 Jahren mit den Bäumen am Straßenrand. Als das nicht mehr so effektiv war, gründete Horst Kecke eine Obstbaubrigade, die kurioserweise zur LPG Tierproduktion gehörte. Es wurden italienische Kleintraktoren eingesetzt und neue Anbausysteme erprobt. Auf einem Hektar wuchsen zum Beispiel auch Pfirsiche. Als die Erträge insgesamt stiegen, wurde mit dem Obstbauverantwortlichen aus Struppen ein Kühllagerhaus für Äpfel in Pirna-Rottwerndorf gebaut, sagt Frank Schiebel. Er übernahm den Falkenhainer Obstbau, als Kecke in Rente ging und führte ihn über die Wende bis in die Gegenwart. Nun aber ist Schluss. Weil Schiebel 65 ist, weil er keinen Nachfolger fand und weil 2020 der Pachtvertrag zu Ende ist. Die Flächen sind verkauft, werden später wohl Getreide tragen, sagt er. „Leider ist die Zeit für den Obstbau im Müglitztal abgelaufen“, bedauert Schiebel. Der Dohnaer hat im Obstbau gelernt, arbeitete in der Baumschule Tolkewitz. Damit kennt er nicht nur Obstbäume von der Wurzeln bis zur Spitze. Künftig bleibt ihm nur noch sein privater Garten.

Falkenhain war mit 35 Hektar kein großer und bekannter Obstbaustandort, aber er war innovativ und er war beliebt – bei denen, den ihn kannten und fanden. Viele selbst in der näheren Umgebung staunen noch heute, dass hier am Falkenhainer Ortsausgang Obst geerntet wird bzw. wurde. Die Leute aus dem Osterzgebirge wussten das schon eher. „Sie kamen zu tiefsten DDR-Zeiten, um sich aschweise Kirschen zu holen“, sagt Schiebel. Auch von den Kirschbäumen sind nur noch sechs Reihen zu rodende Wurzeln übrig.

Kein Einzelfall

Frank Schiebel trauert nicht. Es waren guten Zeiten, sagt er. Zur Wende hatte er den Vorteil, dass seine Bäume schon standen und trugen, während andere erst pflanzen mussten. 15 Apfelsorten in Falkenhain, das habe der Kunde vor Ort und später in der Obstscheune Krietzschwitz geschätzt. Wichtig war ihm immer auch die Zusammenarbeit mit dem Obstbauinstitut in Pillnitz. 1997/98 habe er noch einmal viele Bäume neu gepflanzt.

Das aber reicht aus Sicht von Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbandes Sächsisches Obst, für den Erhalt eines Obstbaubetriebes nicht aus. Eine moderne Erwerbsobstanlage stehe etwa 20 bis 25 Jahre, erläutert Jentzsch. Fünf Prozent der Fläche eines Betriebes müssten jährlich gerodet und neu bepflanzt werden.

Frank Schiebel und sein Betrieb werden trotzdem fehlen, sagt Jentzsch, nicht nur als Mitglied im Obstbau-Verband. Auch die Landschaft wird mit dem Roden der Bäume ärmer, Pflanzen- und Tierarten verschwinden. Der Verband vertritt 47 Erzeuger aus Sachsen und 36 aus Sachsen-Anhalt, die im Haupt- und Nebenerwerb tätig sind. Die meisten bewirtschaften kleine Flächen bis zu zehn Hektar. Auf über 300 Hektar arbeiteten 2016 nur zwei Erzeuger.

Frank Schiebels Betrieb ist kein Einzelfall. Immer wieder geben Obstbauern auf. Hauptgrund sind fehlende Nachfolger, sagt Jentzsch. In Sachsen sind seit 1991 rund 1 000 Hektar Obstanbaufläche verlorengegangen. Gleichzeitig werden die verbliebenen Flächen viel intensiver bewirtschaftet, die Produktion verdoppelte sich.

Natürlich gibt es weiter Äpfel, Pflaumen und Kirschen in der Krietzschwitzer Obstscheune. Nur eben nicht mehr aus Falkenhain. Bis 2020 hat Frank Schiebel Zeit, alle Flächen zu roden, die Technik zu verkaufen, den Betrieb abzuwickeln. Das trockene Wetter hat die Arbeiten beschleunigt. Spätestens in zwei Jahren wird die Geschichte des Falkenhainer Obstbaus ganz beendet sein. „Ich wollte, dass er noch einen würdigen Nachruf erhält“, sagt Frank Schiebel.

 

Von Heike Sabel

Foto: © Daniel Schäfer

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