Stoßdämpfer lahm, Kabel durchgescheuert, Zündung mit Keuchhusten? Wenn ihr Auto demnächst durch die Hauptuntersuchung rauscht, dann haben Radeberger Ingenieure ihre Finger im Spiel. Indirekt natürlich nur.
Die Mitarbeiter der Firma FSD Fahrzeugsystemdaten mit Sitz in Dresden und dem Testlabor in Radeberg sind quasi Deutschlands oberste Autoprüfer. Sie wissen genau, wo es bei VW, Mercedes, Fiat oder Nissan klemmt. Sie haben nämlich den kleinen grauen Kasten entwickelt, den Mitarbeiter von Tüv, Dekra und den anderen Prüfgesellschaften ans Auto stöpseln und genau sehen, wo etwas im Argen liegt. „In dem Gerät läuft ein Programm, das alle relevanten Daten checkt. Die Tüv- oder Dekra-Mitarbeiter sehen dann, wo Fehler vorliegen“, sagt Jürgen Bönninger, Geschäftsführer von FSD. Die Software stammt ebenfalls von FSD. Der Clou dabei: Dem Unternehmen werden die Prüfdaten übermittelt. Die Fachleute von FSD können quasi live mitlesen, wie fit Deutschlands Autoflotte ist. „Anhand dieser Angaben wird die Prüfsoftware ständig überarbeitet und angepasst.“ 90 Informatiker sind bei FSD beschäftigt, hinzukommen genauso viele Kfz-Ingenieure und etwa zehn Kfz-Meister und einige Lehrlinge.
Stärke der TU
Weshalb Deutschlands oberste Autoprüfer in Dresden und Radeberg sitzen, und nicht in einer der Autohochburgen Stuttgart oder München? „Das hat einmal mit der Geschichte zu tun“, sagt Jürgen Bönninger. 1905 wurde in Dresden die erste technische Prüfstelle für Kfz gegründet. Damals noch in königlichem Auftrag. Während der DDR war in Dresden das Kraftfahrzeugtechnische Amt KTA angesiedelt. Fahrzeugtechnik war auch immer eine Stärke an der TU. „Ich selber habe dort gearbeitet“, sagt Jürgen Bönninger. 2004 wurde dann die FSD gegründet und 2011 von der Bundesrepublik beauftragt, die Vorgaben für die Hauptuntersuchung zu entwickeln und bereitzustellen. „Wir haben uns beworben und waren die Besten. Diese Befugnisse wurden an uns ,verliehen‘, wie es genau heißt. Bund und Länder werden damit entlastet. So braucht beispielsweise nicht jedes Bundesland die Fachleute vorhalten.“ Derzeit haben die Mitarbeiter besonders viel zu tun. Einmal beschert ihnen der Dieselskandal Mehrarbeit. „Dadurch hat sich der Prüfaufwand erhöht. So erkennt unser Gerät jetzt auch, auf welchen VW beispielsweise bereits die neue Steuerungssoftware aufgespielt wurde und bei welchem das noch vorgenommen werden muss.“ Prüfer von Tüv, Dekra und den anderen Gesellschaften sind auch regelmäßig in Radeberg zu Gast. In Schulungen werden sie auf den neuesten Stand in Sachen Fahrzeugsicherheit und Umweltvorgaben gebracht. Selbst Lernprogramme und Präsentationsfilme entwickeln die FSD-Mitarbeiter. Viel Arbeit beschert den Experten vor allem aber der Umbruch hin zum autonomen Fahren. „Die Vielzahl von Sensoren muss einwandfrei arbeiten, genauso die Software. Dafür die richtigen Prüfvorgaben zu entwickeln, das ist unsere Aufgabe“, sagt FSD-Mitarbeiter Jens Grohmann. Überhaupt wird nach seinen Worten die Software in den Autos eine noch größere Rolle spielen. „Sie wird wie ein Ersatzteil behandelt werden. Will ich die neueste Version, muss ich dafür bezahlen.“ Das schöne dabei: Zum Auswechseln eines solchen „Ersatzteils“ muss künftig niemand in die Werkstatt. Das Programm wird per Funk aufgespielt.
Tag der offenen Tür
Was moderne Autos alles können, das zeigen die Ingenieure am Sonnabend, dem 13. April, beim Tag der offenen Gewerbetür. Der findet von 10 bis 16 Uhr im Gewerbegebiet Pillnitzer Straße statt. Besucher erfahren beispielsweise wie weit die Entwicklung beim autonomen Fahren fortgeschritten ist. „Wir haben zwei Teslas bei uns. In ihnen können Interessenten eine Testrunde drehen. Freilich sitzt ein Fahrlehrer von der Fahrschule Heiderand daneben, der die ganze Sache im Blick hat“, sagt Jens Grohmann. Nach seinen Worten funktioniert das automatisierte Fahren auf Autobahnen und Schnellstraßen bereits sehr gut. „Auf der S 177 hier gleich bei uns können wir das gut demonstrieren.“
Unabhängiges Expertenwissen gibt es auch zum Thema Elektromobilität. „Wir beantworten alle Fragen rund um E-Autos.“ Was kostet so ein Auto? Wie viel muss ich für eine Ladestation auf den Tisch legen? Wie lange dauert das Aufladen? Selbst so vermeintlich abwegige Fragen wie: Kann einfach jemand den Stecker an meinem Auto abziehen und an seins anstecken oder was passiert, wenn ich vergesse, den Stecker abzuziehen und losfahren will? Gleich mehrere Autos stehen zum Probefahren bereit: E-Smart, BMW i3 und ein Mitsubishi i-Miev. Außerdem können Besucher einen modernen Lkw fahren, natürlich auch wieder mit einem Fahrlehrer an der Seite. „Viele haben früher einen entsprechenden Führerschein gemacht, sind dann aber meist nur Pkw gefahren. Sie fragen sich, kann ich das noch? Bei uns können sie das ausprobieren.“ Darüber hinaus können Besucher bei mehreren Sicherheitstests mitmachen. Wie gut muss das Antiblockiersystem an einem Auto funktionieren oder wie lang ist der Bremsweg bei Fahrrädern.
Bei dem Tag der offenen Gewerbetür machen zahlreiche andere Unternehmen mit. Besucher können sich in zwölf Betrieben umsehen. Mit dabei ist unter anderem das Autolackierzentrum Radeberg. Die Firma gibt Einblick in die Lackiererei und präsentiert auch mehrere Oldtimer. Mit dabei sind ein Wartburg 311 Camping, ein Moped SR 1, ein EMW Motorrad und ein F 9 Cabrio. Bei Ehrlich Sicherheitstechnik können Besucher ebenfalls hinter die Kulissen schauen. Die Mitarbeiter führen unter anderem verschiedene Garagentore und Hochtorantriebe vor. Kaufmann & Winter Holzbearbeitungstechnik bietet Betriebsführungen an und Ratiotechnik Milde zeigt ihre modernen CNC-Maschinen in Aktion. Die Firma Sumida flexible connections lädt zu einer Hausmesse ein und stellt ihre Produktpalette sowie die neuesten Projekte vor. Die Firma Tiegel baut an dem Tag sogar kleine Experimente zur Luft- und Klimatechnik auf. Beim Tag der offenen Gewerbetür ist auch die Firma B. Braun an der Juri-Gagarin-Straße dabei.
Von Thomas Drendel
Foto: © René Plaul