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Die A4 zwischen Dresden und Görlitz verstopft weiter

Trotz steigender Verkehrszahlen lehnt der Bund den Ausbau der A4 in Sachsen zwischen Dresden und Görlitz weiter ab. Für entlastende Schienenprojekte entlang der Strecke gibt es aber auch keine konkreten Pläne. Verstopft nun die Lebensader der Region?

Lesedauer: 4 Minuten

Die Sonn eüber den A4 steht tief und taucht die Fahrbahn in seichtes Abendrot.
Sonnenuntergang über der A4: Die Lebensader für die Oberlausitz hat mit immer mehr Verkehr, vor allem Lastern, zu kämpfen.

Von Matthias Klaus

Das erste „Chaos auf der Autobahn“ – so titelte damals die SZ – zwischen Bautzen und Görlitz gab es vor knapp 33 Jahren. Im Oktober 1990 drängten sich plötzlich von einem Tag auf den anderen Trabis und Wartburgs auf dem Betonstreifen. Ihre Fahrer wollten allerdings nicht so schnell wie möglich von A nach B kommen, sondern einkaufen.

Eine Autobahn im heutigen Sinne gab es zwischen Bautzen und Görlitz noch nicht. Auf dem Beton standen seit 1956 Hallen, gefüllt mit der DDR-Staatsreserve an Getreide. Quasi eine (Überlebens-)Ader für die Region. Nach den gesellschaftlichen Veränderungen zog Marktkauf ein, bot von Asbach uralt über Klamotten und Zeitungen alles für die gerade eingeführte D-Mark. Und die Käufer kamen.

Einspurig über den Burkauer Berg, Schlaglöcher, Pflastersteine, Tempo-30-Zonen, Ampeln – wer heute die Autobahn 4 von Görlitz nach Dresden oder umgekehrt befährt, mag kaum glauben, wie es hier einmal aussah. Pendler aus und in Richtung Polen sind unterwegs, Urlauber in die oder aus der Oberlausitz – und vor allem Laster. Auf der Bundesautobahn wurden im Jahr 2022 durchschnittlich über neun Prozent mehr LKW an den Zählstellen registriert als ein Jahr zuvor, heißt es von der Polizeidirektion Görlitz.

Verkehrszahlen steigen auf der A4

Das sächsische Wirtschaftsministerium bestätigt die Entwicklung. „Die aktuelle Bundesprognose zeigt, dass im Transitverkehr sowie Güterverkehr auch weiterhin mit erheblichen Steigerungen zu rechnen ist. Schon heute beträgt der Anteil des Schwerlastverkehrs an der deutsch-polnischen Grenze in Görlitz 45 Prozent“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Wenn die Güterverkehrsleistung auf der Straße wachse, müsse auch die Infrastruktur angepasst werden.

Verstopft also die Lebensader der Region? Muss sie erweitert, ausgebaut werden? Sechsspurig? In Berlin, wo es ja zuletzt eine Absage für entsprechende Pläne gab, sieht man das auch weiterhin nicht. Das derzeitige Verkehrsaufkommen und das von der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) prognostizierte bis 2035 entspreche den bundesweit geltenden Regelungen für einen vierstreifigen Ausbau, also den jetzigen Stand der Dinge, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium auf SZ-Anfrage. Mit „mindestens auskömmlicher Verkehrsqualität“, rechnet die Behörde. Wie genau diese aussieht, teilt das Ministerium nicht mit.

Politiker vor Ort für Ausbau, aber nicht alle

Politiker vor Ort sehen das ein wenig anders. „Mit dem sechsspurigen A4-Ausbau hätten wir einen besseren Durchfluss des Verkehrs. Die Fahrtzeiten, Staus und damit die Belastungen für die Umwelt würden sich reduzieren“, sagt Marko Schiemann, Bautzener CDU-Landtagsabgeordneter. Er sehe einen Vorteil für die Ansiedlung von Unternehmen. Der ländliche Raum in der Oberlausitz würde an Attraktivität gewinnen, der Weggang in die Ballungsräume sich verzögern.

Unternehmen haben sich auch an der vierspurigen A4 angesiedelt, etwa im Gewerbegebiet Salzenforst im Kreis Bautzen. Rund 17.000 Quadratmeter sind dort nach Angaben der Stadt noch frei. Im Kreis Görlitz befindet sich das Gewerbegebiet Kodersdorf direkt an der Lebensader, wegen komplett vermieteter Flächen werden weitere erschlossen.

Ebenfalls ein Verfechter des A4-Ausbaus ist der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU). „Die A4 ist eine der wichtigsten West-Ost-Autobahnen in Europa und verbindet unseren Kontinent vom französischen Calais, über Köln und Dresden bis nach Kiew in der Ukraine“, sagt er. Ein Ausbau der Autobahn würde dazu beitragen, den internationalen Warenverkehr zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten zu verbessern und somit die Wirtschaft zu stärken, so der Landrat. „Insbesondere Handwerkerinnen und Handwerker , die oft mit schwerem Gerät und Material unterwegs sind, benötigen eine entsprechende Infrastruktur“, so Stephan Meyer.

Ingrid Biedenkopf, Gattin des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten und Patin des A4-Tunnels Königshainer Berge, verlässt den Tunnel nach der Feier am Barbaratag, im Dezember 1996.

Einen weiteren Aspekt sieht Stephan Meyer in der Sicherheit. Die A4 sei eine der unfallträchtigsten Autobahnen in Deutschland. Ein Ausbau könne dem entgegenwirken. Mehr Verkehrsfläche und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur könnten dazu beitragen, generell die Verkehrssituation zu entspannen.

Gerade dagegen regt sich Widerspruch vonseiten der Bündnisgrünen. „Straßenbau erntet Verkehr“, sagt Franziska Schubert, Vorsitzende der Fraktion im sächsischen Landtag. Das könne man an vielen Stelen in Deutschland beobachten. Dass das Vorhaben nicht in die Planungsbeschleunigungen zum Autobahnausbau der Ampel-Regierung aufgenommen wurde, findet sie richtig. „Die Zahlen rechtfertigen einen A4-Ausbau nicht“, so Franziska Schubert. Aus ihrer Sicht sollte mehr Kraft auf die Bahn-Elektrifizierung der Strecke Dresden-Görlitz gelegt werden. Ihr Motto: „Güter auf die Schiene.“ Die „Beschleunigungskommission Schiene“ habe im Dezember vergangenen Jahres sehr gute Vorschläge zur Vereinfachung von Elektrifizierungsmaßnahmen dem Bundesverkehrsministerium unterbreitet. „Davon könnte auch die Bahnstrecke Dresden-Görlitz profitieren“, so Franziska Schubert.

Keine genauen Pläne für rollende Landstraße

Der Görlitzer Landrat sieht das ganz ähnlich. „Das Konzept rollende Landstraße ist grundsätzlich gut, benötigt aber eine für die heutige Logistik veränderte Anpassung“, sagt Stephan Meyer. Die Bemühungen, um mehr Lkw-Verkehr auf die Schiene zu bringen, müsse der Freistaat deutlich intensivieren.

Laut Bundesverkehrsministerium gebe es derzeit entlang der A4 keine konkretisierten Überlegungen für „dortige Schienenrelationen“. Der Freistaat zeigt wiederum auf den Bund. „Natürlich ist es unser Ziel, mehr Güterverkehr auf die Scheine zu bringen. Dieses Anliegen verfolgen wir mit der Elektrifizierung zwischen Dresden und Görlitz schon seit Jahren. Leider bei Bund und Bahn ohne Erfolg“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig.

Auch Marko Schiemann sieht in der Elektrifizierung zwischen der Landeshauptstadt und der Neiße einen Knackpunkt im Bahnverkehr. Und auch er sieht den Bund gemeinsam mit der Bahn in der Verantwortung, damit die Autobahn vom Schwerlastverkehr zu entlasten. „Der Freistaat Sachsen hat bislang 13 Millionen Euro für Planungsleistungen ausgegeben und damit ein klares Signal gesetzt“, so Marko Schiemann.

Autobahngesellschaft prüft Überholverbote

Laut Bundesverkehrsministerium soll die Autobahngesellschaft nun die Verkehrsentwicklung zwischen Dresden und dem Grenzübergang Ludwigsdorf weiter beobachten, die „dort derzeit unübersichtliche Anordnung von Lkw-Überholverboten“ prüfen.

Ob das für die Lebensader der Region reicht, bleibt abzuwarten. Ein Chaos auf der Autobahn wie 1990 wird es wohl nicht mehr geben. Aber Staus, genervte Verkehrsteilnehmer auf der Lebensader garantiert.

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