Von Ulrich Milde
Es gibt sie: Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West. In den alten Ländern schlecken vor allem Kinder und Jugendliche gerne an Prickel Pit genannten Brausebonbons, vorzugsweise mit der Geschmacksrichtung Zitrone. Seit 1952 ist dieses Produkt auf dem Markt, ein Dauerbrenner. Das Pendant in Ostdeutschland, mit kleinen Unterschieden und einer großen Unterbrechung, heißt Pfeffi. Ein kleines Pfefferminzbonbon, das zwei Jahre danach auf der Leipziger Herbstmesse erstmalig präsentiert wurde und ab Anfang der 60er-Jahre auch in der Variante Zitrone angeboten wurde. Später kam noch die Himbeere dazu.
Rekordverdächtige 1.660 Tonnen Pfeffi produziert
Damit nicht genug. Seit Längerem stammen beide Marken aus dem Hause der Pit Hoffmann GmbH & Co. KG, die ihren Sitz in Stephanskirchen hat, einer 11.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Landkreis Rosenheim, 16 Kilometer westlich des Chiemsees gelegen. Jetzt hat der Leipziger Wilfried Opitz, der den süßen Kult aus DDR-Zeiten nach der Wende wiederbelebte, die Verantwortung vollständig an die Bayern übergeben. Pfeffi sei eine Marke „mit großer Stärke“, rührte der 85-Jährige zum Abschied noch einmal die Werbetrommel.
Die Geschichte der Nascherei startete dabei schon 1953. Mit dem Ziel, „den Lebensstandard der Bevölkerung“ zu steigern, beschloss der Ministerrat der DDR, einen genussvollen Massenbedarfsartikel entwickeln zu lassen. Dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Fahlberg-List in Markkleeberg wurde diese Aufgabe übertragen – das Pfefferminzbonbon wurde in knapp zwölf Monaten entwickelt. Eine Stange Pfefferminz mit zwölf Stück Inhalt kostete damals zehn Pfennig, Zitrone acht, Himbeere neun. Herstellung und Absatz liefen gut. Jährlich verließen mehr als 1.000 Tonnen Pfeffis die Fertigungshallen in Markkleeberg. Betriebsleiter Wilfried Opitz war neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen. So kamen 1984 Einlegeroboter hinzu. Ein Erfolg: Fünf Jahre später wurden 1.660 Tonnen Pfeffis fabriziert, ein neuer Rekord.
Einschnitte gab es, wie bei so vielen Ost-Firmen, nach der Wiedervereinigung. Der Appetit auf West-Süßigkeiten war groß, der auf Ost-Waren schwand. Der Betrieb wurde mangels Nachfrage 1992 eingestellt. Doch wer glaubte, das Aus der Pfeffis sei nun besiegelt, der hatte die Rechnung ohne Wilfried Opitz gemacht.
Den gesamtdeutschen Markt erobert
Der Drops war eben noch nicht gelutscht. „Ich konnte mich nicht damit abfinden, dass es Pfeffi nicht mehr geben sollte“, erinnerte er sich. Er hatte zwar auch seinen Job verloren und war nun in der Büromöbelbranche tätig. Doch nebenbei begab er sich auf die Suche nach einem neuen Hersteller für das Kultbonbon und fand ihn 1998 in Pit Hoffmann. „Die Maschinen dort waren identisch mit unseren in Markkleeberg“, berichtete Opitz.
Firmenchef Rainer Hoffmann investierte in neue Technik, überarbeitete den Markenauftritt und begann 1990 mit der Fertigung. Ein Jahr darauf feierte Pfeffi auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln das Comeback. Es gelang. Handelsriesen wie Metro und Lekkerland nahmen das Bonbon ins Sortiment auf. „Es waren emotionale Momente, als ehemalige Einkäufer aus DDR-Zeiten und viele Pfeffi-Fans auf mich zukamen und sich freuten, dass es Pfeffi wieder gibt“, so Opitz.
Seitdem hat sich die Ost-Süßigkeit nach und nach zu einer gesamtdeutschen Marke gemausert. „Wir haben es geschafft, neue Zielgruppen anzusprechen“, sagte Pit-Markenmanager Bertram Zehetbauer. Pfeffi sei inzwischen nicht nur ein Produkt und ein Stück Erinnerung, sondern zugleich der etablierte Oberbegriff für alle Pfefferminzbonbons.
Die Pläne sind ehrgeizig. Die Bayern – die Firma wurde 1950 gegründet und fertigt heute neben Pfeffi, Prickel Pit, Atemerfrischern und Traubenzucker verschiedene Waren auch im Auftrag großer Konzerne – wollen den Vertrieb in Deutschland weiter ausbauen und setzen auch auf die internationale Karte. In Südkorea hat sich das Ost-Produkt bereits etabliert. „Wir entwickeln dort landesspezifische Verpackungen und Sorten, um den lokalen Geschmack zu treffen“, berichtete der Manager. Auch die arabischen Länder sowie in Indien, Malaysia und China sollen erschlossen werden. Dort aber in Blechdosen und anderen Geschmacksrichtungen.
In Asien und in Arabien würden fruchtige Noten wie Kirsche, Orange oder Lemon Mint bevorzugt. „Diese Märkte bieten enormes Potenzial und wir sind bereit, es zu nutzen“, betonte Zehetbauer. Derzeit werden jährlich rund 50 Tonnen Pfeffi produziert. Laut Zehetbauer eine „überdurchschnittlich hohe Menge“ angesichts des harten Konkurrenzkampfes.
Opitz hat nun die Zeit kommen gesehen, in den Ruhestand zu gehen und die Geschäfte komplett an Pit zu übergeben. „Es war mein Herzenswunsch und ich bin stolz, was wir erreicht haben.“ Nach 56 Pfeffi-Jahren, in denen er an Aufbau und Pflege der Marke entscheidend mitgewirkt hat, „möchte ich nun die weitere Entwicklung von außen mit Interesse verfolgen“.