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Investoren zieht es in Sachsen zunehmend aufs Land

19 Neuansiedlungen und Firmenerweiterungen stehen für fast 1000 Jobs, und der Freistaat blickt auf sein zweitbestes Exportjahr. Aber nicht alle jubeln.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Männer mit Schaufeln, die Erde in die Luft werfen.
Start für eine zukunftsweisende Neuansiedlung: Der österreichische Wärmepumpenhersteller iDM Energietechnik investiert in Straßgräbchen bei Kamenz 50 Millionen Euro in eine neue Fertigung. Beim symbolischen Start im Januar griffen auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (4.v.r.), Bürgermeister Harry Habel (4.v.l.), und iDM-Chef Thomas Pletzer (3.v.r.) zum Spaten.

Michael Rothe

Dresden. „Wir sorgen für Ihr Wohlbefinden“, verspricht der österreichische Wärmepumpenhersteller IDM Energiesysteme auf seiner Website. Beim Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) er das geschafft. Als Thomas Horn am Mittwoch die geplante Ansiedlung der Österreicher mit bis zu 500 neuen Jobs als „fantastische Nachricht für die Region“ würdigt, wird ihm warm ums Herz – zumal die neue Fabrik nicht in Dresden oder Leipzig entstehen soll, sondern in Bernsdorf bei Kamenz.

Dass ausländische Investitionen auch dort erfolgreich und nachhaltig sein können, beweist TDDK. Die Japaner bauen seit 25 Jahren Kompressoren für Fahrzeugklimaanlagen – vis-à-vis der neuen Baustelle. Die Wärmepumpen-Pioniere aus Osttirol belegen laut Bernsdorfs Bürgermeister Harry Habel (CDU) mit 20 Hektar den Löwenanteil des neuen Gewerbegebiets.

Noch ist das Projekt, für das Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schon mal symbolisch den Spaten schwang, eine Wette auf die Zukunft. Denn Investitionen gehen laut Horn bereits dann in die Statistik ein, wenn sie verkündet werden. Beim 2022 an gleicher Stelle gefeierten und ein Jahr später gefallenen Batteriezellenhersteller Blackstone in Döbeln war das ein leeres Versprechen.

Der Kampf um Investoren wird härter

Für das vergangene Jahr stehen 19 Neuansiedlungen und Firmenerweiterungen im Volumen von gut 128 Millionen Euro zu Buche. Damit seien 949 Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise erhalten worden, sagt der Geschäftsführer. Projekte gebe es nicht nur in den drei Großstädten, sondern zunehmend in den Landkreisen. So baut das französische Unternehmen ROSI in Neiden bei Torgau eine Recyclingfabrik für Fotovoltaikanlagen, investiert die Hongkonger Opes-Gruppe in Zwenkau in ein Werk für automobile Solarmodule. Die Akteure kommen meist aus Deutschland, aber auch aus Österreich, Frankreich, Großbritannien, China und den USA.

Die Unterstützung von Erweiterungen, Ansiedlungen und Gründungen gehört zu den Aufgaben der WFS. Das Landesunternehmen mit 65 Beschäftigten sieht sich seit 34 Jahren als Brückenbauer: für hiesige Unternehmen in die Welt und für Investoren auf ihrem Weg nach Sachsen. Schwerpunkte sind Autoindustrie, Mikroelektronik, Maschinen- und Anlagenbau, Energie- und Umwelttechnik, Life Sciences wie Biotechnologie, Medizintechnik und Pharma.

Thomas Horn, 1969 im Vogtland geboren, ist seit fast sieben Jahren Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH.
Thomas Horn, 1969 im Vogtland geboren, ist seit fast sieben Jahren Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH.
Quelle: Thomas Kretschel

2024 war laut Horn „ein gutes Jahr für den Standort“ – „nicht selbstverständlich angesichts des härter werdenden Wettbewerbs, des schwierigen globalen Umfelds und der konjunkturellen Rahmenbedingungen“. Die Investitionen stärkten auch die Mikroelektronikbranche, sagt er. Die Ansiedlung erster Dienstleister und Zulieferer rund um ESMC, dem Gemeinschaftsunternehmen von TSMC, Bosch, Infineon und NXP Semiconductors, zeige die Anziehungskraft der neuen Dresdner Chipfabrik. Horn erwartet in den nächsten Jahren einen deutlichen Schub für Silicon Saxony und kennt bereits zwei Vorhaben, über die er aber noch nicht reden will.

Ein Drittel der Wirtschaftsleistung durch Export

Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) lobt die Standortwerber auch als „unglaublich wichtige Partner“ bei der Internationalisierung hiesiger Firmen. 2024 habe der Freistaat mit Ausfuhren im Wert von gut 51 Milliarden Euro, knapp ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung, das zweitbeste Jahr geschafft.

China und die USA waren den Angaben zufolge erneut wichtigste Exportländer. Dennoch blieben mehr als die Hälfte der Ausfuhren in Europa und die EU Handelspartner Nummer eins. Beim Import spielten die Europäer eine noch größere Rolle – fast drei Viertel der Einfuhren kamen von ihnen. Deshalb wolle er sich einsetzen, dass außenwirtschaftliche Hemmnisse auch im Binnenmarkt abgebaut werden, verspricht Panter.

Dirk Panter (51, SPD) ist seit Dezember 2024 Sachsens Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz.
Dirk Panter (51, SPD) ist seit Dezember 2024 Sachsens Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz.
Quelle: Robert Michael/dpa

Im vergangenen Jahr konnten 69 Außenwirtschaftsprojekte realisiert werden, darunter Unternehmerreisen nach Italien, Spanien, Indien, Japan, Mexiko und Saudi-Arabien. Im Gegenzug wurde acht internationalen Delegationen der Standort Sachsen vorgestellt. Noch nicht allzu lange hilft die WFS Unternehmen auch bei der Gewinnung von internationalen Fach- und Arbeitskräften. In dem Zusammenhang gab es Reisen u. a. nach Usbekistan.

Geschäftsführer Horn sieht steigende Teilnehmerzahlen als Beleg für wachsendes Interesse am Ausland und gute Chancen auf Wachstumsmärkten wie Indien, Japan, Mexiko und Saudi-Arabien. Dennoch tritt er auf die Euphoriebremse. Außenwirtschaft sei kein Sprint, sagt er, sondern „ein Marathon, der Durchhaltevermögen und Ausdauer verlangt“. Erst recht, da auch die WFS Sachsens Sparhaushalt zu spüren bekommt.

WFS bekommt Sparhaushalt zu spüren

„Die Situation ist nicht einfach“, sagt Aufsichtsratschef Panter. Ihm sei wichtig, Strukturen zu erhalten und „die zu schützen, die uns die Zukunft bringen“. Dem Wirtschaftsministerium stehen laut Haushaltsentwurf 2025 rund 42 und im nächsten Jahr gar 91 Millionen Euro weniger zur Verfügung als 2024. Wo der Rotstift angesetzt wird, verrät er nicht.

Fast gleichzeitig sorgt sich die IHK zu Leipzig um den Wirtschaftsstandort Sachsen. Laut jüngster Kammerumfrage bewertet mehr als jedes dritte Unternehmen die Standortbedingungen kritischer als im Vorjahr. Die Lobbyisten fordern u. a. belastbare Zeitpläne für Investitionen, transparente Genehmigungsverfahren und politische Verlässlichkeit. Dazu gezielte Fachkräfteförderung und eine bessere digitale und analoge Infrastruktur.

Und bei aller Freude über Bagger und Kräne, die bald in Bernsdorf zu sehen sind, hält sich auch Bürgermeister Harry Habel mit Jubel zurück. Für ihn zahlen sich Investments von IDM, TDDK & Co erst dann voll aus, wenn die Dresdner S-Bahnlinie 8 über Kamenz hinaus ins brandenburgische Hosena und weiter bis Hoyerswerda verlängert wird. „Dann hätten wir einen Haltepunkt in Straßgräbchen, wären an das Seenland und den Industriepark Schwarze Pumpe angeschlossen, hätten Umsteigemöglichkeiten nach Leipzig und Görlitz“, sagt er.

Doch dafür braucht der Verkehrsverbund Oberelbe als Betreiber jährlich 5,5 Millionen Euro aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes. Kein Fall für die WFS, sondern für ihren Eigentümer, den Freistaat – aber Wirtschaftsförderung im besten Sinn.

SZ

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