Nach 15 Jahren ist ein Millionenpoker um die Gewerbesteuer der Energie Sachsen Ost AG (Enso) beendet. Sie versorgt Kommunen im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Dresden zwischen Görlitz, Riesa und Dippoldiswalde, die auch Anteile an der Enso halten. Die Stadt Dresden wollte die Verteilung der Einnahmen neu sortieren. Bereits im vergangenen Jahr ist sie damit vor dem Finanzgericht Leipzig gescheitert. Nun hat Dresden in letzter Instanz den Rechtsstreit im Sommer vor dem Bundesfinanzhof verloren.
„Wir sind sehr erleichtert“, sagt Geschäftsführerin Katrin Fischer von der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft an der Energie Sachsen Ost (KBO). Die habe in dem Rechtsstreit 151 Kommunen vertreten. Die juristische Auseinandersetzung um die Steuermillionen der Enso hatte die Stadt Dresden bereits vor Jahren vom Zaun gebrochen. Den ersten Vorstoß habe Dresden bereits 2003 unternommen. „Auf breiter Front gibt es jetzt Erleichterung bei den Kommunen, dass die Entscheidung gefallen und der Verteilungsschlüssel bestätigt ist“, erklärt KBO-Chefin Fischer. Normalerweise zahlt ein Unternehmen dort seine Gewerbesteuer, wo die Mitarbeiter beschäftigt sind. 2017 hatte es einen Umsatz von 989 Millionen Euro. Bei der Enso arbeiten die allermeisten der insgesamt 434 Beschäftigten in Dresden. Dort befindet sich der Hauptsitz. Zugleich macht die Enso mit Strom in ganz Ostsachsen satte Gewinne. 2017 waren es 58 Millionen Euro. Deshalb hatten sich die Kommunen darauf verständigt, die Gewerbesteuer nach Mitarbeitern und Stromabsatz aufzuteilen. Genau an dieser Verteilung wollte Dresden rütteln. Die Stadt beanspruchte größere Teile der Einnahmen. Im Gegenzug hätten die kleineren Kommunen weniger kassiert.
Doch nicht nur das: Viele Gemeinden wären bei einem juristischen Sieg für Dresden für den seit Jahren währenden Rechtsstreit rückwirkend zur Kasse gebeten worden. Bürgermeister fürchteten um Summen im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Viel Geld, dessen Verlust die zumeist klammen Kommunen arg geschmerzt hätte.
Die WiS hatte bei der Stadt nachgehakt, welche Konsequenzen die Entscheidung für Dresden hat und ob zusätzliche Millionen bereits eingeplant sind. Doch das Steuer- und Stadtkassenamt hält sich bedeckt. Es verweist darauf, dass die Beantwortung aufgrund der Vorschriften über das Steuergeheimnis nicht zulässig ist, teilt Rathaussprecherin Anke Hoffmann mit. Die Landeshauptstadt habe sich zu keinem Zeitpunkt dazu öffentlich geäußert. Das Unternehmen könne selbst entscheiden, welche Informationen mitgeteilt werden.
Die Vertreterin der Dresdner Umlandkommunen, KBO-Chefin Fischer, zeigt sich hingegen offen. Sie sei jetzt auch in einer anderen Hinsicht froh, dass nach 15 Jahren endlich Rechtsfrieden einziehen kann. Damit sei auch eine wesentliche Hürde genommen. Denn auf der einen Seite sollen die Versorgungsunternehmen Enso und Drewag aufeinander zugehen und letztlich auch fusionieren. Andererseits haben sich Dresden und die Umlandkommunen beim Gewerbesteuerstreit vor Gericht getroffen. Das passe nicht zusammen. „Deshalb haben wir gesagt, dass zuerst der Rechtsstreit beendet sein muss.“ Und das ist er nun.
Erleichtert ist auch Frank Brinkmann. Der 51-jährige Manager ist seit Jahresbeginn sowohl Enso-Vorstand als auch Geschäftsführer der Dresdner Stadtwerke Drewag und ihres Mutterkonzerns Technische Werke Dresden (TWD). „Es ist gut für uns, dass wir diesen schwelenden Steuerstreit nicht mehr haben und er uns nicht mehr behindert, über eine Fusion zu reden“, sagt er der SZ. Die Beiträge an die Landeshauptstadt seien ohnehin beachtlich. Dazu zählen Gewerbesteuern, Konzessionsabgabe und die anteiligen Gewinne von Drewag und Enso. Allein von der Drewag erhielt die Stadt 2017 rund 120 Millionen Euro – etwa 70 Millionen Euro Gewinn, rund 30 Millionen Konzessionsabgabe und circa 20 Millionen Euro Gewerbesteuer.
Sein erklärtes Ziel ist es, das Zusammengehen von Enso und Drewag voranzutreiben. Üblicherweise komme zuerst die Fusion und dann die Integration. „Wir machen hingegen zuerst die Integration, zeigen also operativ, dass das Zusammengehen funktioniert, und dann erst die formale Fusion“, sagt Brinkmann. Die Integration sei bereits im Management umgesetzt. Früher hatte die Enso drei Vorstände und die Drewag zwei Geschäftsführer. „Wir machen das ganze Geschäft jetzt zu zweit. Das ist eine enorme Ersparnis“, so der Manager. Das werde auch bei den Bereichsleitern und auf anderen Führungsebenen so gehandhabt. „Wir haben auch sieben Bereichsleiter und 24 Abteilungen abgeschafft, weil jede Abteilung die Aufgaben für die jeweils andere mitmacht.“ Zudem gibt es bereits einen einheitlichen Drewag/Enso-Betriebsrat.
Von Peter Hilbert und Sebastian Kositz
Foto: © Archiv/C. Hübschmann