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Droht den Flughäfen Leipzig und Dresden der Bedeutungsverlust, Herr Ahmelmann?

Sparkurs und gestrichene Strecken: Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden stehen vor einem entscheidenden Jahr. Im Interview erklärt der Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, was auf dem Spiel steht.

Lesedauer: 5 Minuten

Kai Kollenberg und Florian Reinke

Leipzig/Dresden. Götz Ahmelmann ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender (CEO) der Mitteldeutschen Flughafen AG, und muss den Flughafenbetreiber durch turbulente Jahre steuern. Geldsorgen im Unternehmen, Rückschläge bei der Anbindung und ein harter Sanierungskurs – die Aufgaben sind groß. Und bis 2026 müssen die Flughäfen ein wichtiges Ziel erreichen.

Herr Ahmelmann, die Flughafen AG wird deutlich mehr Stellen abbauen als bekannt. Warum kommt es dazu?

Wir sind ein Unternehmen in einer Sanierungsphase. Wir haben uns mit den Banken und den Gesellschaftern 2024 auf einen Wirtschaftsplan verständigt. Bis 2026 müssen wir ein positives Betriebsergebnis erreichen – erstmals in unserer Geschichte. Deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als an allen Ecken zu sparen.

Wie viele Mitarbeiter müssen gehen?

Wir sprechen im Augenblick von zirka 250 Stellen weniger im Jahr 2026. Den Großteil davon wollen wir schaffen, indem wir Stellen nicht nachbesetzen. Wir versuchen, Kündigungen zu vermeiden, schließen aber nichts aus.

Zur Person

Götz Ahmelmann, geboren 1971 in Kiel, ist seit 2018 als CEO der Mitteldeutschen Flughafen AG tätig und führt gleichzeitig die Geschäftsführungen der Flughafen Dresden GmbH, der Flughafen Leipzig/Halle GmbH und der PortGround GmbH. Vor seiner Tätigkeit bei der MFAG arbeitete er bei Etihad Airways und war Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing bei Air Berlin. Seine Karriere in der Luftfahrtbranche begann bei der Lufthansa, wo er über einen Zeitraum von zwanzig Jahren unter anderem als Leiter der Region Europa tätig war.

Die Infrastruktur an den Flughäfen wird zur Baustelle

Welche Einschnitte wird es noch geben?

Wir müssen unser Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT, d. Red.) um über 30 Millionen Euro verbessern. Wir setzen dabei auf Umsatz und Kosteneinsparungen. Dazu gehören viele Maßnahmen. Zum Beispiel wird das Parken teurer werden. Wir versuchen auch, neue Konditionen mit Lieferanten zu verhandeln.

Was passiert, wenn die MFAG das gesetzte Ziel bis 2026 nicht erreicht?

Dafür gibt es keinen Plan B.

Ist die MFAG in ihrer Existenz gefährdet?

Wir waren letztes Jahr in einer kritischen Situation, weil unser Geld nur noch bis zum Jahresende ausreichte. Der Wirtschaftsplan gibt uns nun für die nächsten zwei Jahre eine Perspektive, um eine wirtschaftliche Stabilität herzustellen.

Wir sind vorhin durch die Flughafen-Mall gelaufen. Man sieht, dass Leerstand herrscht, die Infrastruktur zum Teil nicht mehr im besten Zustand ist, dass Toiletten gesperrt sind. Wie groß ist der Sanierungsbedarf?

Der Nachholbedarf ist ordentlich. An beiden Standorten – in Leipzig/Halle und in Dresden – ist die Infrastruktur einfach sehr groß, man kann auch sagen überdimensioniert. Der Flughafen in Dresden ist für 3,5 Millionen Passagiere konzipiert, das Flughafenterminal in Leipzig/Halle ist für 4,5 Millionen Passagiere ausgelegt.

Das heißt?

Die Infrastruktur ist alt. Weil sie so groß ist, gibt es Dutzende Bereiche, in denen sich das zeigt. In den Jahren vor 2017 wurde in die Instandhaltung zu wenig investiert. Das müssen wir nachholen, können es aber aufgrund der Dimensionen nicht auf einmal machen. Wir haben im Augenblick nicht für alles Geld. Da ist das Feuerwehrauto wichtiger als die eine oder andere Toilette.

Besser wird es also erstmal nicht. Dabei gibt es Stellen am Leipziger Flughafen, in die es hineinregnet …

Wir haben einige Baustellen – vor allem in den kritischen Bereichen, die für den Flugbetrieb wichtig sind. Das müssen wir nacheinander abarbeiten.

Götz Ahmelmann im Flughafenterminal: „Wir sind ein Unternehmen in einer Sanierungsphase.“
Götz Ahmelmann im Flughafenterminal: „Wir sind ein Unternehmen in einer Sanierungsphase.“
Quelle: Mayla Lüst

Aber das macht den Flughafen doch unattraktiver.

Es gibt betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten, an denen wir uns orientieren. Uns steht nur begrenzt Geld zur Verfügung. Wir brauchen also noch ein bisschen Geduld.

Schlechte Stimmung in der Belegschaft

In der Belegschaft rumort es. Es gibt Kritik an Ihnen. Hängt das nur mit den Einschnitten zusammen?

Wir erleben eine große Verunsicherung. Angesichts der volatilen Entwicklungen in Welt und Markt ist es auch für mich sehr schwer, den einen klaren Plan anzubieten, der die nächsten zwei Jahre unverändert bleibt.

Die Arbeitnehmer haben aus Ihrer Sicht also zu wenig Verständnis?

Das ist nicht der Punkt. Wir müssen nun Dinge ausprobieren. Dazu gehört, dass manchmal auch etwas nicht funktioniert. Das müssen wir noch mehr kommunizieren.

Was hätten Sie in den vergangenen Jahren anders machen können?

Der Leipziger Flughafen hat in der Coronakrise im Vergleich zu anderen Flughäfen gebrummt – weil wir das Frachtgeschäft hatten. Wir haben danach Veränderungen zu forsch vorangetrieben und uns zu sehr auf das Frachtgeschäft fokussiert.

Verkehr am Dresdner Flughafen entwickelt sich schwach

Ryanair zieht sich aus Sachsen zurück, die Lufthansa hat die München-Linie eingestellt, Eurowings die Düsseldorf-Verbindung. Bei all den schlechten Nachrichten fragt man sich: Droht den beiden mitteldeutschen Flughäfen der Bedeutungsverlust?

Ich bedauere diese Streckenstreichungen sehr. Wir müssen mehr Flugverkehr schaffen und mehr Passagiere gewinnen. Wir versuchen, die Airlines auf den Flughafen und die Region aufmerksam zu machen.

In Dresden sieht es besonders schlecht aus. Im vergangenen Jahr gab es 5,1 Prozent weniger Fluggäste als 2023. Warum muss die Landeshauptstadt aushalten, dass der Flughafen nicht attraktiv ist?

Das Hauptproblem des Dresdner Flughafens ist der weggebrochene innerdeutsche Verkehr, der eine Schlüsselrolle spielte. Das trifft Dresden besonders hart.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat gesagt, Sachsen habe mit zwei Verkehrsflughäfen einen strategischen Nachteil. So gesehen müsste einer der Flughäfen dichtmachen.

Diese Diskussion führt nicht weiter. Wenn man neu anfangen könnte, würde man heute sicher vieles anders machen. Doch wir haben diese zwei Flughäfen.

Es gibt Gerüchte in Dresden, dass man über eine Verkleinerung des Flughafenareals nachdenkt, um die Flächen anderweitig nutzen zu können.

Das kann ich nicht bestätigen. Aber wir haben uns Möglichkeiten angeschaut, Geld zu sparen, indem wir unsere Infrastruktur verkleinern.

Ryanair-Maschine am Flughafen Leipzig/Halle: Zum Sommerflugplan 2025 zieht sich die irische Billigfluggesellschaft von den mitteldeutschen Flughäfen Leipzig und Dresden zurück.
Ryanair-Maschine am Flughafen Leipzig/Halle: Zum Sommerflugplan 2025 zieht sich die irische Billigfluggesellschaft von den mitteldeutschen Flughäfen Leipzig und Dresden zurück.
Quelle: Michael Strohmeyer

Was heißt das?

Wir könnten beispielsweise ein Terminalgebäude, das größer ist als die Nachfrage, intelligent umbauen. Auf diese Weise würden wir es besser auslasten. Konkret ist aber noch nichts. Auch sonst greifen wir zu unorthodoxen Maßnahmen: Wir ziehen als Verwaltung zusammen und vermieten die frei gewordenen Büroräume an Firmen. Das bringt zusätzliche Einnahmen ein.

DHL bleibt wichtigster Kunde am Flughafen Leipzig/Halle

Steht der Flughafen Dresden in den nächsten Jahren zur Disposition?

Ich bin als Manager nicht dafür verantwortlich, den Flughafen infrage zu stellen. Für die Gesellschafter ist eine Schließung keine Option, das haben sie oft genug deutlich gemacht. Die Flughäfen haben für Sachsen eine große Bedeutung.

In den vergangenen Jahren hat der Leipziger Flughafen bei der Fracht einen regelrechten Boom erlebt. Die Entwicklung hat sich zuletzt abgeschwächt. Wie will sich die MFAG für die kommenden Jahre aufstellen?

Wir hatten in den vergangenen 15 Jahren mit dem Wachstum von DHL eine Erfolgsgeschichte. Jetzt hat sich das Aufkommen etwas normalisiert, liegt aber immer noch über dem Vorkrisenniveau. Wir spüren aktuell die Rezession und die Effekte aufziehender Handelskriege. Die langfristige Perspektive für die Logistik und die Fracht halte ich aber für ungebrochen.

Sie haben DHL bereits angesprochen: Hat sich der Flughafen Leipzig/Halle von dem Unternehmen zu abhängig gemacht?

Ohne DHL gäbe es den Flughafen in seiner jetzigen Form nicht. Mit rund 7.500 Mitarbeitern ist DHL ein Schlüsselpartner.

Mit Amazon Air hat sich ein zweiter großer Kunde zurückgezogen. Was sind Ihre Pläne für das freigewordene Areal?

Der Rückzug von Amazon ist sehr bedauerlich. Es laufen bereits Gespräche mit Investoren für eine Nachnutzung. Wir planen darum einen neuen Gebäudekomplex, denn Flächen unmittelbar am Vorfeld sind begehrt.

Welche Entwicklungspotenziale sehen Sie außerdem für die Flughäfen Leipzig und Dresden?

Am Flughafen Dresden entwickeln wir Flächen südwestlich des Terminals. In Leipzig ist das Gebiet an der Radefelder Allee das Paradebeispiel. Und es gibt attraktive Flächen im Zentralbereich, etwa beim Hotel. Wir sehen erhebliches Entwicklungspotenzial.

Mit dem Ausbau des Leipziger Flughafens gibt es konkrete Pläne. Doch es gibt viel Kritik daran, die Finanzierungsfrage ist ungeklärt, Klagen verzögern den Prozess. Wie sicher sind Sie, dass der Ausbau überhaupt kommt?

Wir hatten ein sehr gründliches Genehmigungsverfahren und sind daher sehr zuversichtlich. Wir müssen nun abwarten, wie die Verfahren ausgehen werden.

Wann planen Sie mit dem ersten Spatenstich?

Im Augenblick planen wir gar nicht konkret, weil wir diesen Prozess abwarten. Die erste Prozessstufe könnte ungefähr ein Jahr, anderthalb Jahre, dauern. Dann könnten wir Klarheit haben.

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