Von Kay Haufe
Landwirt Mauritz von Grundherr und seine Frau sind die Neuen in der Gutsverwaltung Schönfelder Hochland. Was sie mit Dresdens größtem Agrarbetrieb vorhaben und wie sie Wärmelieferant werden wollen.
Fritze kommt aus dem Büro gerannt, sein Herrchen telefoniert noch. Also begrüßt der Wälderdackel den Gast, bevor er sich wieder in seinem Körbchen hinterm Schreibtisch einrollt. Mauritz von Grundherr hat nicht viel im Büro seines Vorgängers geändert – Linoleumboden, ältere, braune Möbel. Seit dem Jahreswechsel ist der 34-Jährige der Geschäftsführer der Gutsverwaltung Schönfelder Hochland. Gemeinsam mit seiner Frau hat der studierte Landwirt Dresdens größten Agrarbetrieb übernommen.
„Wir beide wollten seit Jahren in die Selbstständigkeit und haben nach passenden Möglichkeiten gesucht. Unser Vorgänger Heribert Meller wollte die Gutsverwaltung aus Altersgründen abgeben und so hatten wir das Glück, sie weiterführen zu können.“
Von Grundherr, gebürtig aus Nürnberg, hat zuvor die Biolandwirtschafts-Sparte vom Rittergut Lucklum geleitet, einem Land- und Forstwirtschaftsunternehmen im niedersächsischen Landkreis Wolfenbüttel. „Ich bin aber kein Schwarz-Weiß-Denker nach dem Prinzip ‚Bio ist richtig, konventionell erzeugt nicht'“, sagt der Mann mit den blonden Haaren. Beides habe seine Berechtigung.
„Diese Tiere gehören hier in die Kulturlandschaft“
Begeistert ist er von den Mutterkuhherden, die seit Jahren auf den Weiden zwischen Weißig, Eschdorf, Reitzendorf und Gönnsdorf grasen. Ihre Kälber kommen in den Monaten Januar und Februar in den großen Laufställen auf dem Gut nahe Weißig zur Welt, dürfen ab April mit den Müttern auf die Wiesen, bevor sie im Juli oder August verkauft werden. „Diese Tiere gehören hier in die Kulturlandschaft.“
Seine Vorgänger haben die Tierhaltung des Betriebes grundlegend verändert. Die 550 Milchkühe haben sie verkauft, die Bedingungen für die Mutterkuhhaltung durch zwei große Laufställe für den Winter verbessert. „Es gibt keine schönere Haltungsform, eigentlich ist sie Bio“, sagt der Mann in grüner Hose und Pullover. Doch um das Bio-Zertifikat erlangen zu können, müsste es einen Auslaufbereich an den Ställen für die Wintermonate geben. „Dafür haben wir leider aktuell keinen Platz, das ist nicht darstellbar.“
Inzwischen hat von Grundherr auch die Zahl der Mutterkühe von 300 auf 100 reduziert. „Es war in den vergangenen Jahren so trocken, dass nicht genug Futter erzeugt werden konnte, deshalb habe ich Tiere abgegeben.“
„Es muss Orte geben, wo der Mensch nicht hinkommt“
Für den jungen Mann bedeutet Landwirtschaft in einem Ballungsgebiet wie Dresden nicht allein das Erzeugen von Nahrungsmitteln, er sieht sich auch in der Verantwortung, durch Rückzugsorte für Insekten einen Beitrag zur Artenvielfalt zu leisten. Zum Beispiel durch Blühstreifen, für die nach Paten gesucht wird und die er ausweiten will.
Außerdem ist von Grundherr Mitglied im Napa-Projekt, was für „naturpositive Agrarsysteme“ steht. Darin arbeiten Landwirte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz daran mit, Daten zu generieren und auszuwerten, sowie neue Technologien und Analysemethoden zu testen – mit dem übergeordneten Ziel, Insektenvielfalt und Bodengesundheit in der Landwirtschaft zu verbessern.
Derzeit entsteht in einem Bereich der rund 2.000 Hektar Acker- und Grünland im Hochland eine sogenannte „Beetlebank“. Es ist eine Erderhebung, in der sich der Boden schneller erwärmt und in der sich Insekten zurückziehen können. „Es muss Orte geben, wo der Mensch nicht hinkommt.“
Damit spricht der Landwirt ein Thema an, das ihn umtreibt. „Wir freuen uns über Spaziergänger in der schönen Gegend, aber zum Wandern sollten die Wege genutzt werden. Der Mensch muss nicht jeden Quadratmeter erobern, auch die Tierwelt braucht ihre ungestörten Rückzugsorte.“
Mit Abwärme Häuser beheizen – Interessenten gesucht
Eines seiner Ziele ist es, künftig eine ökologische Dienstleistung anzubieten. Mit der Biogasanlage der Gutsverwaltung entsteht Wärme bei der Stromerzeugung, die von Grundherr nutzen möchte, um Häuser in der Nähe zu beheizen. „Das wäre nachhaltig und regional erzeugte Wärme, die nicht politischen Preisschwankungen ausgesetzt ist. Dazu müsste ein Nahwärmenetz gebaut werden“, sagt er. Eine dreistellige Zahl an Häusern könnte versorgt werden. „Aber zunächst suche ich dafür Interessenten.“
Eine ähnliche Idee hatte vor rund 15 Jahren bereits der ehemalige Ortsvorsteher Hans-Jürgen Behr. „Schade, dass sie nicht umgesetzt wurde.“ Die Befürchtung, dass deshalb mehr Mais als Monokultur auf den Feldern angebaut werden könnte, sei unbegründet, sagt von Grundherr. „Wir brauchen eine vernünftige Fruchtfolge zur Gesunderhaltung des Bodens, deshalb kann gar nicht mehr Mais angebaut werden. Stattdessen wollen wir auch Mist und Stroh in der Biogasanlage verwenden. „Inzwischen hat er auf einigen Dächern der Gutsverwaltung Solarpaneels installieren lassen. Der erzeugte Strom wird selbst genutzt und eingespeist.
Heiße und trockene Sommer, weniger Regen, weniger Ertrag, mit diesen Themen war der neue Geschäftsführer auch an seiner vorherigen beruflichen Station konfrontiert. „Aber wir Landwirte dürfen nicht ständig jammern. Wir arbeiten mit der Natur, die die Spielregeln vorgibt.“ Er setzt auf Mulchsaat, pfluglose Bodenbearbeitung und angepasste Fruchtfolge, um besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen. Mindestens dreimal am Tag checkt er die Wetterapps, damit seine Mitarbeiter punktgenau auf dem Acker sind.