Als Landwirt hat Dr. Enrico Sieber drei Schlepper der Marke Case zu Hause auf seinem Hof bei Chemnitz, den er mit zwei Mitarbeitern bewirtschaftet. Als Geschäftsführer der Titan Machinery Deutschland GmbH mit Sitz in Burkau vertreibt er mit seinem Team die roten Landmaschinen in weiten Teilen Ostdeutschlands. Enrico Sieber, der von sich selbst sagt, er sei vom Herzen her Landwirt, liebt beide Berufe: den des Geschäftsführers bei einem der größten Landtechnikhändler Ostdeutschlands und den des Bauern im Erzgebirgsvorland. Auch dafür pendelt der 41-Jährige täglich zwischen Chemnitz und Burkau.
Den Rücken freigehalten
Vor drei Jahren kam er als dritter Geschäftsführer in die damalige Firma Agram. Für deren Gründer und langjährige geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Locke und Petrick Gaens (beide jetzt 69 Jahre alt) war es der erste Schritt, den Generationswechsel im Unternehmen vorzubereiten. Nach etwa anderthalb Jahren übernahm Dr. Enrico Sieber die Leitung des Tagesgeschäftes. Die beiden Inhaber hatten so den Rücken frei, sich ohne Druck nach einem Käufer für das Unternehmen umzuschauen. „Von Anfang an ging es ihnen um einen strategischen Investor, der die erfolgreiche Entwicklung der Firma fortsetzt“, sagt Enrico Sieber. Gefunden wurde dieser Partner in der börsennotierten US-amerikanischen Gesellschaft Titan Machinery. Es ist der weltgrößte Case-Händler. Doch nicht nur diese Marke verband, sondern auch die Firmenphilosophie gelebter Partnerschaft mit den Kunden. Landtechnik wird nicht nur verkauft. Stattdessen erhalten die Kunden ein komplettes Servicepaket – von der Schulung und einer Einweisung auf dem Feld bis zur Wartung der Technik und schnellen Hilfe im Havariefall.
Neue Jobs geplant
Seit Jahresbeginn ist Titan Machinery Eigentümer der Burkauer Firma und deren Tochter in Rollwitz (Mecklenburg-Vorpommern). Aus Agram mit insgesamt 74 Mitarbeitern, davon 34 in Burkau, wurde die Titan Machinery Deutschland GmbH. Alle Beschäftigten wurden übernommen. Inzwischen wurde im Burkauer Gewerbegebiet auf den neuen Eigentümer „umgeflaggt“. Der hat große Pläne, in denen der Standort Burkau eine zentrale Rolle spielt.
Seit sieben Jahren ist Titan im Europageschäft. Es vertreibt vorrangig Landtechnik der Marken Case und Steyr bislang in Bulgarien, Rumänien, Serbien und der Ukraine. Deutschland ist das fünfte Land, von dem sich der Mutterkonzern in Zukunft auch Zugang zum westeuropäischen Markt verspricht. Kurzfristig will Titan in Ostdeutschland sein Vertriebsnetz ausbauen, indem die Gesellschaft noch in diesem Jahr Filialen bei Lübben, Teterow und Stavenhagen eröffnet. In Burkau soll bis 2019 das Auslieferungslager für die Ukraine entstehen. Drei Hektar Land im Gewerbegebiet für eine spätere Firmenerweiterung sicherten sich noch die ehemaligen Eigentümer. Die Zahl der Titan-Mitarbeiter in Deutschland soll sich in den nächsten zwei Jahren von 74 auf rund 120 erhöhen, sagt Enrico Sieber. Am Standort Burkau wird die Belegschaft voraussichtlich um fünf bis sieben Mitarbeiter wachsen. Der Umsatz soll in den nächsten fünf Jahren von 25 auf 100 Millionen Euro steigen. Das wäre ein ganz erheblicher Anstieg.
Die Investitionsfreudigkeit der Landwirte ist immer auch Spiegelbild der Lage der Landwirtschaft. Trotz anhaltender Trockenheit und schlechter Ernteaussichten sei der Markt noch immer stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau, sagt Enrico Sieber. Zur gelebten Partnerschaft gehört auch eine Finanzierung, die sich an die Liquidität der Landwirtschaftsbetriebe anpasst. In guten Zeiten sind Sondertilgungen möglich, in schlechten Zeiten können Raten auch ausgesetzt werden. Beraten werden die Kunden vor dem Kauf auf dem Feld. So soll jeder die für ihn optimale Maschine – egal, ob Traktor, Mähdrescher oder neuerdings auch Schwadmäher – erhalten.
Landwirte seit Generationen
Schon der Großvater des Titan-Geschäftsführers war Bauer. Seine Eltern sind Agraringenieure. Auch Enrico Sieber wurde Agraringenieur. Er studierte und promovierte an der Martin-Luther-Universität in Halle. Trotz des verantwortungsvollen Jobs in Burkau will der Vater von zwei Kindern weiter jeden Tag pendeln.
Seine Wurzeln im Chemnitzer Raum sind stark. Er lebt mit seiner Familie auf einem Vierseithof, der schon lange im Familienbesitz ist. Hinzu kommt ein zweiter Hof mit 150 Rindern. Das Fleisch verkauft er im Hofladen und an die Sternmühle, eine Ausflugsgaststätte in Chemnitz. Auch die ist seit langer Zeit im Familienbesitz. Als sie verkauft werden sollte, erwarb Enrico Sieber selbst die Gaststätte, damit sie in der Familie bleibt. Dort beschäftigt er jetzt fünf Mitarbeiter. Als Landwirt ist er halt auch bodenständig.
von Ingolf Reinsch
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