Von Hanna Gersmann
Nein, das sollte im Sommer nicht passieren. Die Autobahn, genauer, die Fahrbahndecke sollte sich nicht wölben, dann aufplatzen. Doch solche sogenannten Blow-ups können entstehen, wenn sich bei Temperaturen über 30 Grad Celsius alles aufheizt. So wie am vorletzten Wochenende auf der A15, fünf Fahrzeuge nahmen beim Drüberfahren Schaden. Das ist gefährlich, womöglich sogar eine tödliche Falle. Bemerkt ein Auto- oder Motorradfahrer die mächtigen Risse zu spät und fährt mit Tempo drüber, kann er die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren.
Droht die Verformung von Straßen häufiger, wenn die Sommer heißer werden? Und grundsätzlicher: Wie wappnet sich Deutschland, damit die Infrastruktur dem Klimawandel standhält, mit dem zudem Regen immer öfter knüppeldick vom Himmel kommt?
Markus Oeser ist der Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen, kurz: BASt. Diese Forschungseinrichtung des Bundes mit Sitz im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach berät das Bundesverkehrsministerium und arbeitet an „Lösungen für die Auswirkungen des Klimawandels“. Der Professor für Bauingenieurwesen erklärt: „Vor allem ältere Fahrbahndecken aus Beton, die nicht so verformbar sind wie die aus Asphalt und schon Vorschäden haben, sind bei großer Hitze anfälliger.“ Von diesen älteren Fahrbahnen gebe es allerdings nicht mehr viele. Und das Gros der Autobahnen, Bundesstraßen und anderer Strecken bestehe ohnehin aus Asphalt.
Die, so Oeser weiter, „Autobahnabschnitte in Betonbauweise, die schon älter sind, werden mittlerweile stark überwacht. Da helfen zum einen Sensoren, zum anderen fahren die Autobahnmeistereien bei längeren Hitzeperioden mit Messfahrzeugen raus. Tauchen Schäden auf oder zeichnen sich ab, werden schnell Gegenmaßnahmen ergriffen.“
Helle und dunkle Straßen
Treten bei Asphalt keine Probleme auf? „Doch“, sagt Oeser, „in Asphaltstraßen können sich bei extremer Hitze gefährliche Spurrinnen bilden, die bei starkem Regen besonders tückisch werden.“ Die Verformung hänge aber von der Rezeptur ab, der Materialmischung. So gebe es Asphaltdecken, die mit bis zu 60 Grad Celsius klarkämen, weil sie besonders hart seien. Diese ertragen jedoch keine kalten Winter: Der harte Asphalt bekommt dann Risse, weil er sich nicht zusammenziehen kann. So brauche es „einen Kompromiss“ bei der Zusammensetzung des Asphalts. Auch an helleren Straßen, die Sonnenlicht besser reflektieren können, aber nicht blenden, werde gearbeitet.
Einer, der an helleren Straßen arbeitet, ist Lutz Weiler, Geschäftsführer der Offenbacher Asphaltbau und Mischwerke. Er hat „KlimaPhalt“ entwickelt. Der Belag hat nicht nur eine helle Oberfläche, er kann Wasser in seinen Hohlräumen speichern.
Sackt so eine Straße nicht leicht ab? Die transportierte Last der Lkw wird immer schwerer. Auch wiegen Autos deutlich mehr als früher. „Für Autobahnen ist das nicht gedacht“, sagt Weiler, „für den Standstreifen aber schon und für die vielen anderen weniger stark befahrenen Straßen in den Städten.“
In einem Offenbacher Wohngebiet werde der Spezialbelag bereits seit 2020 getestet. Weiler sagt: „Klimaphalt kann bis zu 100 Liter Regenwasser pro Quadratmeter aufnehmen und teilweise speichern, also auch einen Starkregen abpuffern.“ Dies erzeuge Verdunstungskälte und wirke wie eine natürliche Klimaanlage. „Dadurch wird auch die Kanalisation entlastet und Hochwasser vorgebeugt.“
Klimawandel kostet
Es geht nicht allein um Hitze. Die Infrastruktur muss immer öfter auch sturzflutartigen Regengüssen standhalten. Darum werde derzeit, sagt BASt-Präsident Oeser, auch bundesweit untersucht, wo Wasser, das besonders unberechenbar sei, sich sammeln könne. Dort würden Entwässerungsrohre größer ausgelegt, Fundamente von Brücken neu gestaltet. Überhaupt sollten Brücken eher einen Fluss komplett überspannen, anstatt auf Pfeilern im Fluss zu ruhen. Die Pfeiler störten die Strömung, könnten zu Verwirbelungen führen und die Schnelligkeit des Wassers erhöhen. Die Wassermassen rauschten dann noch schneller ins Tal.
Was das alles kosten wird? „Wir müssen die Infrastruktur resilient machen für den Klimawandel und sind da auf einem guten Weg“, sagt Oeser, „wie viel wir investieren werden müssen, lässt sich noch nicht beziffern.“ Aber nichts zu tun, käme vor allem der Wirtschaft teurer zu stehen, die auch auf Exporte angewiesen ist.
„Einen prinzipiellen Schutz vor Blow-ups gibt es nicht“, erklärt übrigens der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) und rät: „Auf betroffenen Streckenabschnitten gilt: Fahren Sie vorsichtig und aufmerksam. Vergrößern Sie den Abstand zum vor Ihnen fahrenden Fahrzeug. Halten Sie Geschwindigkeitsbeschränkungen ein. Beschädigte Straßen ohne Beschilderung sollten umgehend bei der Polizei oder Autobahnmeisterei gemeldet werden.“
Die Situation in Sachsen aus Sicht der Zuständigen
- Grundsätzlich sind von Sachsens Autobahnen keine Hitzeschäden bekannt, heißt es von der Niederlassung Ost der Autobahn GmbH auf SZ-Anfrage.
- Stark geschädigte Betonfahrbahnen im Bereich der Autobahndirektion Dresden-West und zwischen Glauchau-Ost und Landesgrenze wurden erneuert bzw. werden derzeit erneuert. Insbesondere AKR-geschädigte Betonfahrbahnen („Betonkrebs“) wurden in den letzten Jahren grundhaft erneuert und auch teilweise Asphalt statt Beton eingebaut. Bei den vorhandenen Betonfahrbahnen wurden und werden verstärkt die Fugen und Randbereiche saniert. Dadurch konnten Blow-Ups auf den Betonfahrbahnen in den letzten Jahren im Bereich Sachsen deutlich reduziert beziehungsweise ganz verhindert werden.
- Derzeit kann von einem betriebssicheren Zustand der Betonfahrbahnen auch bei großer Hitze ausgegangen werden.
- Die Meistereien der Autobahn GmbH sind sich ihrer Verantwortung vor dem Hintergrund hoher Temperaturen nicht nur bei den ohnehin täglich stattfindenden Streckenkontrollen bewusst. Sie kontrollieren die Strecken bei hohen Temperaturen noch intensiver. Sollten Maßnahmen erforderlich sein, werden diese umgehend durch den Betriebsdienst eingeleitet. (SZ)