Ihr Profil ist abgefahren, der Gummi ausgehärtet oder sie sind schlicht und einfach kaputt. Egal was der Grund ist, die Lkw-Reifen, die zu Tausenden bei der MRH Mülsener Rohstoff- und Handelsgesellschaft in Mülsen bei Zwickau landen, haben nichts mehr auf deutschen Straßen zu suchen. Müll sind sie deshalb aber noch lange nicht, im Gegenteil. Sie sind das Ausgangsmaterial, aus dem die Firma Rohstoffe für verschiedene industrielle Anwendungen herstellt – und mittlerweile auch eigene Produkte.
„99 Prozent des Reifens kehren wieder in den Wertstoffkreislauf zurück“
, sagt Betriebsleiter Peter Belger. Das geschieht größtenteils in Form von Gummigranulaten oder -mehlen, auf die sich das Unternehmen spezialisiert hat. Damit diese eine gleichbleibende Qualität haben, werden dafür ausschließlich Lkw-Reifen verwendet. Diese seien nämlich nur auf Langlebigkeit ausgelegt und bestünden immer aus der gleichen Gummimischung, erklärt Geschäftsführer Andreas Baumann. Bei Autoreifen gebe es dagegen deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung, je nachdem, ob es sich beispielsweise um Sommer- oder Winterreifen handelt.
Geschäftsführer Andreas Baumann zeigt eine der Industriefliesen, wie sie bei MRH in Mülsen hergestellt werden.
Mehrere Hundert Lkw-Reifen kommen pro Tag in Mülsen in den großen Schredder. Dort werden sie zunächst in handtellergroße Stücke zerteilt. Dann wird mittels Magneten der Stahl entfernt, aus dem jeder Reifen zu 28 Prozent besteht. Im Jahr kämen dabei rund 6 000 Tonnen zusammen, die von der Firma weiterverkauft werden, sagt Baumann. Die Reifenfetzen werden danach weiter zerkleinert. Beim gröbsten Granulat sind die Teilchen am Ende fünf Millimeter groß, beim feinsten Gummimehl kleiner als 0,2 Millimeter. „Wir sind die Einzigen in Deutschland, die das können“, sagt Baumann. Das Verfahren, mit dem der Reifen zu so feinem Mehl wird, sei ein Betriebsgeheimnis.
Pro Jahr verarbeitet MRH rund 350 000 Lkw-Reifen zu Granulaten und Mehlen, die an die Industrie verkauft werden. Ein Teil davon wird für die Laufflächen neuer Reifen verwendet und kommt damit wieder auf die Straße. Die Granulate werden aber auch beim Bau von Eisenbahnübergängen oder Sportanlagen eingesetzt.
Etwa 2 000 Tonnen dienen jedoch als Rohstoff für das neue Schwesterunternehmen Polymer Technik Mülsen. Dort werden daraus unter anderem Gummimatten, Zusatzstoffe für Asphalt, durch die Straßen länger halten sollen, sowie Industriefliesen in verschiedenen Größen und Stärken hergestellt. Mit Letzteren können Betriebe ihre Böden gegen Schäden schützen. Noch laufe deren Herstellung als eine Art Manufaktur, aber in zwei Monaten sollen die Maschinen in Betrieb gehen und eine größere Stückzahl produzieren können, sagt Baumann.
Aus den Reifen werden Gummigranulate und Gummimehl.
Bereits auf dem Markt ist seit einem halben Jahr auch eine selbst entwickelte Beschichtung, mit der man Dächer und Wände streichen und so mit einer Art Gummihaut gegen Feuchtigkeit schützen kann. Die gibt es bisher aber nur in einigen Baumärkten und im Internet. Ob diese zukünftig weiter unter dem eigenen Namen selbst vertrieben oder vielleicht an ein großes Unternehmen geliefert wird, stehe aber noch nicht fest, sagt Baumann. „Wir müssen aufpassen, dass wir kein Konkurrenzprodukt für unsere Kunden herstellen. Es gilt eine Nische zu finden, die noch nicht belegt ist“, sagt der Geschäftsführer. Diese Suche nach Lücken und die Anpassung der Produkte sind auch Gründe dafür, dass es das Unternehmen im Gegensatz zu anderen aus der Gründerzeit Anfang bis Mitte der 90er-Jahre noch gibt. „Wir sind die einzige Anlage, die ohne große Blessuren durchgekommen ist“, sagt Baumann.
In den Statistiken zur Kreislaufwirtschaft, die in Sachsen 162 Betriebe mit fast 9 000 Beschäftigten umfasst, taucht die Firma mit ihren 55 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 6,2 Millionen Euro aber nicht auf. Denn diese Statistik enthält nur Betriebe, die ihr Geld mit der Entsorgung verdienen. „95 Prozent unserer Wertschöpfung kommt inzwischen aus unseren Produkten“, sagt Baumann.
von Alexander Buchmann
Bildquelle: dpa/Hendrik Schmidt,