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Eine Lego-Oma rückt ins Rampenlicht

Die Hessin Rita Ebel macht mit einfachen Mitteln Läden barrierefrei – und so Perspektivwechsel möglich.

Lesedauer: 2 Minuten

Man sieht eine ältere Person im Rollstuhl.
Kleine Steine, große Wirkung: Dank Lego-Oma Rita Ebel (vorn) kommen Rollstuhlfahrer auch zu diesem Hanauer Bäcker. © Die Lego-Oma

Von Michael Rothe

Rita Ebel ist in Hanau bekannt wie ein bunter Hund. So bunt wie die genoppten Plastik-Bausteine, die seit gut fünf Jahren ihr Markenzeichen sind. In der Stadt nahe Frankfurt am Main und darüber hinaus ist die 67-Jährige schlicht „Die Lego-Oma“. Sie baut keine Autos, Tiere oder Häuser wie in Kinderjahren, sondern Rampen für Rollstühle, Kinderwagen, Rollatoren und anderes Gefährt. Vor Treppenstufen aufgebaut, erleichtern sie so Müttern und Hilfebedürftigen den Zugang zu Läden, Arztpraxen und Ämtern.

Die Hessin sitzt nach einem Autounfall seit 30 Jahren selbst im Rollstuhl. Die frühere Chefin einer Baufirma weiß nur zu gut, welche Hürden derart Gehandicapte nicht nur beim Einkauf bewältigen müssen. Was aus der Erkenntnis entstand, ist ausdrücklich kein Geschäftsmodell, sondern Herzensangelegenheit im Ehrenamt.

Die lebenslustige Rentnerin war nach eigenem Bekunden auch nie auf Ruhm aus. Dabei hätte sie durch ihre offene Art im doppelten Wortsinn das Zeug zur Rampensau. „Die Idee ist nicht von mir“, erklärt sie freimütig der SZ. In einer Fachzeitschrift für Querschnittsgelähmte sei sie auf eine Frau aufmerksam geworden, die solche Auffahrtshilfen baute, nach schwerer Krankheit aber nicht mehr weitermachen konnte. Ebel nahm mit ihr Kontakt, führte das Projekt fort – und auf eine neue Ebene.

Alles begann im Frühjahr 2019 mit einer Präsentation auf der Website von „Wir in Hanau“, einem Verein, der für gesellschaftliches Miteinander steht. Das Echo, auf dessen Aufruf, Legosteine zu spenden, sei gewaltig gewesen, blickt Ebel zurück. Eine Nachbarin habe ihr zwei Kisten Silikonkleber geschenkt – und los ging’s. Mit ihrem Mann verfeinerte sie die Bauanleitungen, und es entstanden zunächst Zufahrten zu Läden, wo sie selbst Kundin ist.

Wer nicht warten will, erhält auf Wunsch die Anleitung

Mit jeder Rampe wuchs das mediale Interesse – und nach mehreren Fernseh- und Zeitungsberichten im In- und Ausland das Auftragsbuch. „Wir haben 123 massive Rampen gebaut und verklebt“, berichtet Ebel stolz. Noch scheint das Angebot in Sachsen unbekannt zu sein, stehen keine Abnehmer von dort auf der Referenzliste.

Die 89 Zentimeter, gleich 112 Noppen, breiten und bis zu 20 Kilo schweren Teile seien Maßanfertigungen anhand von Fotos, Zeichnungen, Telefonaten. Sie könnten bis zu 16 Zentimeter hohe Stufen überbrücken – kostenfrei für Auftraggeber, „es sei denn, sie spenden was“. Das Material für die Kreationen – quietschbunt oder mit Bildern, Sprüchen, Firmenlogos – koste immerhin teils vierstellig, so die Lego-Oma.

Der namensgebende dänische Spielzeugkonzern mit sechs Milliarden Euro Jahresumsatz gehört nicht zu den Gönnern des gemeinnützigen Projekts unter dem Dach der Arbeiterwohlfahrt. „Wir verbauen nur gespendete Steine und sind bis zum Jahresende ausgelastet“, berichtet die Chefin. Wir – das sind mittlerweile auch neun unentgeltlich Mitarbeitende in drei Teams.

Wer nicht auf seine Rampe warten will, bekommt die Bauanleitung auf Wunsch auch zugeschickt. Den Plan gibt es in neun Sprachen. „Damit verdiene ich nichts, ich will nur, dass sich die Idee weiterverbreitet“, sagt Ebel, die für ihre Verdienste unter anderem mit der Bürgerplakette von Hanau geehrt wurde und zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten eingeladen war. Ihre Truppe baut seit drei Wochen im eigenen Laden in der City. Dort will die Lego-Oma künftig auch Workshops anbieten und Besuch von Kindergärten empfangen. Und sie will Rollstuhl-Touren durch die Stadt organisieren, „um Interessierten einen Perspektivwechsel zu ermöglichen“.

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