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Einsteigen und abheben

In Dresden wird das Flugtaxi "X-1" entwickelt. Starten soll es später einmal vor der Haustür.

Lesedauer: 3 Minuten

Kann sich noch jemand an diesen Film erinnern? In dem Doctor Brown mit seinem Auto in die Luft steigt und sagt: "Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen!" Vor über 30 Jahren hat "Zurück in die Zukunft" davon geträumt, dass Autos fliegen können. Keine Kreuzungen mehr, keine Kurven, keine Staus. Inzwischen steht die Welt kurz davor, sich von Flugtaxis zum Supermarkt, zum Arzt oder zum Friseur chauffieren zu lassen. Entwickelt wird eines dieser Modelle in Dresden.

Das Start-up "Flügel Aeronautics" tüftelt an einem Zweisitzer, in den locker auch Einkaufstüten und Koffer hineinpassen. Rein äußerlich erinnert die "X-1" an einen Helikopter. Mit einer Höhe von 2,20 Meter ist sie allerdings deutlich kleiner und könnte problemlos vor der Garageneinfahrt geparkt werden.

"Als ich meinen Flugschein machte, merkte ich, wie schnell man in der Luft vorankommt und dass Staus da oben keine Rolle spielen", sagt Geschäftsführer Diego Schierle, der vorher am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum arbeitete und mit seinem Team den German High Tech Campions Award holte. Als Ingenieur habe er sich die Frage gestellt: Was muss ein Flugzeug können, damit es Menschen tagtäglich nutzen? Antwort eins: Es muss sich auch ohne Pilotenschein fliegen lassen. Antwort zwei: Das Flugtaxi muss überall starten und landen können, nicht nur auf Flughäfen. Das war vor zwei Jahren. Mittlerweile gibt es technische Zeichnungen, ein Patent und ein fünfköpfiges Team, das der Welt im Mai den flugfähigen Prototypen der "X-1" im Maßstab eins zu fünf präsentieren möchte. Seit Herbst finden bereits Testflüge statt.

So viel können die Dresdner Ingenieure aber schon verraten: Starten und landen wird das Flugtaxi senkrecht über zwei Rotoren. In der Luft entfalten sich dann die Flügel, ein dritter Propeller löst die Rotoren ab und der waagerechte Reiseflug beginnt. In der Stadt soll das Flugzeug zunächst in einer Höhe zwischen 200 und 500 Metern fliegen – also deutlich niedriger als ein Verkehrsflugzeug. Eine Druckkabine ist damit überflüssig. Zum Vergleich: Die Spitze des Dresdner Fernsehturms ragt 252 Meter in die Höhe. Mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde wären die Wachwitzer in weniger als drei Minuten auf der Prager Straße. "Unsere Vision ist es, dass die Fluggäste einsteigen, ihr Handy nehmen, Start und Ziel eingeben und dann vollautonom geflogen werden", sagt Schierle. Damit es dann nicht in der Luft zu Staus oder Zusammenstößen kommt, werden die Flugtaxis miteinander vernetzt. Sie stimmen ihren Flugweg sozusagen untereinander ab. "Wir rechnen aber nicht damit, dass dies von Anfang an möglich sein wird." Bis die nötige, technische und rechtliche Infrastruktur dafür geschaffen ist, dürften noch ein paar Jahre vergehen, sodass in der Startphase doch erst einmal ein Pilot gebraucht wird.

Taxi fliegt mit Strom und Super95 Das Flugtaxi ist im Übrigen ein Hybrid. Starten soll es elektrisch. Im Reiseflug muss Super-Benzin verbrannt werden. "Etwas Vollelektrisches zu konstruieren, ist illusorisch", sagt Diego Schierle. "Dafür wäre ein riesiger, schwerer Akku nötig." Ja, die "X-1" stoße Schadstoffe aus, jedoch nicht in einem erschreckend hohem Maße. "Unser Flugzeug verbindet zwei Punkte ohne Kurven über die geringstmögliche Strecke, und es ist sehr leicht, wodurch der Benzinverbrauch sehr gering ist." Die Ökobilanz wäre deutlich besser, als wenn Tausende Autos durch die Stadt fahren würden und im Stau stünden.

Und wie geht es jetzt weiter? In das Versuchsmodell ist die gesamte Förderung des europäischen Sozialfonds geflossen, die das junge Unternehmen erhalten hatte. Bereits im kommenden Jahr will "Flügel Aeronautics" das erste Flugtaxi im Maßstab eins zu eins gebaut haben. Dafür suchen die Entwickler noch Geldgeber. Sie rechnen damit, dass sie eine siebenstellige Summe brauchen werden. Für den alltäglichen Betrieb müsste die "X-1" anschließend ausgiebig getestet und zertifiziert werden. Ob das in Deutschland möglich sein wird, da sind sich die Entwickler noch unsicher. Flugzeuge dürften hierzulande nur auf Flughäfen starten und landen – so ist die Rechtslage. "Da gibt es sicherlich Regionen auf der Welt, die für Tests umgänglicher sind."

Mut machen dürfte allerdings, dass auch andere Unternehmen an Flugtaxis arbeiten. Audi und Airbus haben gemeinsam ein modulares Flugauto entwickelt. Daimler ist am Start-up "Volocopter" beteiligt. Der Mini-Heli soll am Frankfurter Flughafen bei der An- und Abreise von Passagieren getestet werden. Und das "Urban Air Vehicle" des Flugzeugbauers Boeing hat jüngst seinen Testflug gemeistert. Gut möglich also, dass die rechtlichen Vorgaben bald gelockert werden. Sorgen machen sich die Dresdner trotz der Konkurrenz aber nicht, sagen sie. Denn die Wettstreiter würden verhältnismäßig große Flugtaxis entwerfen, die einen Landeplatz bräuchten.

Läuft alles nach Plan, könnte die doppeldeckige "X-1" aus Dresden im Jahr 2023 für jedermann auf den Markt kommen. Bis es aber so weit ist, wird Diego Schierle weiterhin zur Arbeit laufen.

 

Von Sandro Rahrisch

Foto: Rene Meinig, Montage:Nitschke

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