Von Annett Kschieschan
Dresden. Gibt es eine Welt, in der „Plastikmüll kein kritisches Umweltproblem, sondern eine wertvolle Ressource darstellt“? In der es „wirtschaftlicher ist, Mülldeponien abzubauen, anstatt immer neue aufzuschütten, und in der die Müllstrudel in den Ozeanen als die größten Ölfelder der Welt angesehen werden“? Die Biofabrik-Gruppe mit Sitz in Rossendorf bei Dresden sagt „Ja“ – und führt dabei zum Beispiel die Wastx Plastic Technologie ins Feld. Mit ihrer Hilfe werden Kunststoffabfälle in hochwertiges Öl umgewandelt, das wiederum Basis für die Herstellung neuer Kunststoffe ist und so hilft, den Rohstoffkreislauf zu schließen und wertvolle Energie zu sparen. Die Biofabrik hat noch viel mehr nachhaltige Projekte im Portfolio, etwa ein umweltfreundliches Bitumen, das aus natürlichen Rohstoffen besteht, oder die Bioraffinerie, die pflanzliche Aminosäuren aus Gras gewinnt. Und sie ist nur eines von vielen Unternehmen in Sachsen, die das Thema Energiewende in funktionierende Geschäftskonzepte eingebunden haben. Viele von ihnen sind Start-ups oder Ausgründungen aus universitären Forschungsprojekten.
Langfristige Speicheroptionen
Und einige spielen – oft noch eher unerkannt – schon in höheren Ligen mit. Ein Beispiel dafür ist die AMBARtec AG aus Dresden. Das Technologie-Start-up beschäftigt sich mit der Energie- und Wasserstoffvorhaltung und entwickelt Lösungen rund um kompakte und langfristige Speichermöglichkeiten. Damit hat es das sächsische Unternehmen in die Top 10 der Firmen mit ähnlichem Schwerpunkt in ganz Europa geschafft. Ob Binnenwindanlagen von der beventum GmbH oder Balkonkraftwerke von Priwatt – beide aus Leipzig – oder das „Batterie-Management“ der Novum Engineering GmbH aus der Landeshauptstadt: Wer sich bei den „Energie“-Start-ups im Freistaat umschaut, staunt oft nicht schlecht. Auch wenn politisch manches schleppender vorangeht als gehofft und versprochen – in der Wirtschaft hat die Energiewende längst begonnen. Der Aufbau des Centers for the Transformation of Chemistry (CTC) in Delitzsch dürfte dem Thema weiteren Auftrieb geben. Bis 2038 stehen für das neue Großforschungszentrum 1,1 Milliarden Euro aus Strukturwandelmitteln des Bundes zur Verfügung. Damit sollen rund 1.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, davon rund 700 im Freistaat Sachsen und 300 im Land Sachsen-Anhalt. Im CTC soll die Chemie von einer linearen zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft werden. Das wird nach Ansicht von Experten weitere Ausgründungen und Start-ups anziehen.
Viele Ausgründungen
Damit das Potenzial kluger Köpfe in Sachsen künftig noch besser genutzt werden kann, erarbeitet der Freistaat eine Hochschulinnovationsstrategie, die Ausgründungen und Partnerschaften mit der freien Wirtschaft erleichtern soll. Dabei hat man explizit auch die Zukunftsbranche Energie im Blick. „Mehr als 100 Firmengründungen und Geschäftsmodelle“ seien im vergangenen Jahr aus Forschungsprojekten an den sächsischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften hervorgegangen, so das Wissenschaftsministerium. Sie sollen es künftig leichter haben – auch damit Sachsen selbst nicht den Anschluss in Sachen Zukunftstechnologien verliert.
Das wiederum ist wichtig, damit Start-ups und gut ausgebildete Mitarbeiter nicht abwandern. Während innovative Neugründungen vielfach recht schnell Mitstreiter finden, gelingt es über die oft schwierigen Anfangsjahre nicht immer, das Personal zu halten. Nach einer Studie der Kapitalgesellschaft Founders Circle haben vor allem wachstumsstarke Start-ups eine Fluktuationsrate von 25 Prozent.
Was aus Sicht von Arbeitsmarktexperten helfen kann: Gute Kommunikation und flache Hierarchien. „Benefits sind für junge Leute heute selbstverständlich. Und sie wollen sich oft auch als Teil einer Gemeinschaft erleben und einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Das versuchen wir in unserem Unternehmen bereits so umzusetzen, mit Flexibilität, Offenheit und zum Beispiel auch Zweisprachigkeit im Arbeitsalltag“, so die Erfahrung von Mandy Schipke, CEO bei Novum Engineering. Sie ist außerdem im Vorstand des Netzwerks Energy Saxony, das es sich zum Ziel gemacht hat, die Vermarktung sächsischer Spitzentechnologien in den Bereichen Energie, Elektromobilität und Digitalisierung voranzutreiben. Ein Netz, das auch die „Energie-Start-ups“ trägt.