Liegau. Winzer Andreas Kretschko hat schon alles vorbereitet: Im Hof seines Grundstücks im Radeberger Ortsteil Liegau stapeln sich graue und orangefarbene Kisten sowie Eimer. Am Sonntag startet er mit der Weinlese. Wegen der anhaltenden Hitze und Dürre so früh wie noch nie. Nicht in Liegau allerdings. Hier wird der Wein verarbeitet und abgefüllt. In den Radeberger Ortsteil zog der gebürtige Dresdner Anfang der 1990er-Jahre mit seinen Eltern und blieb mit seiner Familie dem Flecken treu. Manchmal sei es ja auch ganz gut, einen gewissen Abstand zu den Weinbergen zu haben, sagt er. Die befinden sich zwischen Radebeul und Meißen.
Am Weinberg in der Lößnitz wiegt er eine Traube in der Hand. Vom Grün geht die Farbe schon ins Goldgelbe. Die Trauben sind reif. Der Winzer setzt das Oechslemaß ans Auge, um den Zuckergehalt zu bestimmen, und nickt. Der Wein ist in normalen Jahren meist erst in drei Wochen soweit. Deshalb muss er jetzt handeln.
Sieben Weinberge sind es inzwischen. Der letzte kam im Vorjahr dazu. 8 500 Rebstöcke stehen auf 1,2 Hektar Land. Die hat er zum Teil gekauft, auch gepachtet. Das sei durchaus wieder möglich. Durch den demografischen Wandel geben auch ältere Winzer den Weinberg auf. Alles Steillagen und damit Handarbeit.
In sechs/sieben Jahren hat sich die Fläche verzwölffacht. Damals, 2012, startete der studierte Önologe, ein Kellerwirtschaftler in der Weinbranche, mit dem eigenen Geschäft durch. Da brachte er aber schon langjährige Erfahrungen aus seiner Tätigkeit im Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth in Radebeul mit.
Ein so trockener Sommer gehörte aber bis zu diesem Jahr nicht mit zu diesen Erfahrungen, räumt Andreas Kretschko ein. Klar ist aber: Die Ernte muss nun beginnen. Zwei Monate sei es außergewöhnlich heiß und trocken gewesen, das treibe den Reifeprozess voran: „Wir hatten sogar im April schon einen Vorsprung beim Austrieb und der Blüte.“ Wegen der Trockenheit habe er bei den jüngeren Rebstöcken die Trauben abschneiden müssen. Die Wurzeln reichen noch nicht tief genug in die Erde, um die Pflanze mit genügend Wasser versorgen zu können: „Die Rebe würde es natürlich versuchen, denn die Trauben, sind ihre Kinder“, sagt der Winzer. Der Rebstock würde daran aber kaputtgehen. Das wäre der schlimmere Verlust für den Winzer. So sind allerdings etwa 20 Prozent der Trauben verloren gegangen.
Dafür habe er weniger Einbußen durch Pilzkrankheiten. Die mögen das trockene Wetter nicht. Die roten Trauben freuen sich dagegen besonders über die Hitze: „Das wird ein besonderer Wein“, schwärmt der Winzer schon jetzt über den Roten. Der werde in Fässern eines Dresdner Böttchers zur Reife gelagert. Sächsischer Spätburgunder in Fässern aus sächsischer Eiche – wenn das nichts ist. Im Vorjahr habe er erstmals Wein in diesen Fässern produziert. Den wird er jetzt schnellstens abfüllen, um Platz für den neuen Tropfen zu schaffen. Auch deutlich eher als geplant. Die Technik teile er sich mit Kollegen, die sich in der „Gemischten Bude“, einer Gemeinschaft von fünf Winzern, zusammengetan haben.
Der Winzer prüft im heimischen Keller die Qualität des Spätburgunders und lässt frisch aus dem Fass einige Tropfen ins Glas rieseln, schnalzt mit der Zunge. Es ist unübersehbar: Der Tropfen ist ausgezeichnet.
Eine Kostprobe vom Spätburgunder: Winzer Andreas Kretschko ist zufrieden – der Wein kann in die Flaschen.
Die Liebe zum Wein liege ihm wohl in den Genen. Er habe sich zum Wein immer hingezogen gefühlt, ein Praktikum im Staatsweingut absolviert: „Da habe ich gemerkt: Das ist es, das ich machen will.“ Erst später erfuhr er, dass seine Vorfahren Winzer in der Südslowakei waren. Bis nach Kalifornien trieb es ihn, um dem Wein seine Geheimnisse zu entlocken. Der ganze Erfahrungsschatz fließt jetzt in seine Rieslinge, Weißburgunder oder Off-Road-Weine ein. Mit ihnen probiert er Neues, verlässt eingefahrene Spuren. Da wird zum Beispiel der Wein der ersten Rebsorte des Jahres mit der zuletzt gelesenen gemischt – Solaris und Riesling. Der eine bringt Frucht und den Geschmack von Orangenschale, der andere eine belebende Säure.
Was am Sonntag eingebracht werde, da ist sich Andreas Kretschko schon sicher, das werde perfekt sein. Insofern ist er zufrieden mit dem Jahr. Es wird in diesem Jahr die siebente Lese von den eigenen Weinbergen. Und die erste vom neuen Hang bei Kleinzadel. 2017 habe er rund 8 000 Flaschen abgefüllt. So viel werde er wegen der Dürre diesmal aber nicht keltern können, weiß er bereits.
Unterstützt wird er am Wochenende von Freunden und Helfern, die die Traubenschere zur Hand nehmen und die Lese starten. Ansonsten ist er übers Jahr Alleinkämpfer im Weinberg und in der Produktion – vom Rebschnitt bis zur Vermarktung. Da sei er schon ausgelastet. Und die Qualität soll auch stimmen. So schaffte er es in diesem Jahr wieder unter die 1 000 besten Weingüter im Gault Millau Weinführer: „Da ist man schon ein bisschen stolz.“
von Reiner Hanke
Bildquelle: Matthias Schumann, Reiner Hanke