Osterzgebirge. Wer an staubtrockenen Feldern vorbeifährt und sieht, wie die Pflanzen ihre Köpfe hängen lassen, der kann erahnen, dass die Trockenheit und die hohen Temperaturen die landwirtschaftlichen Erträge im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bedrohen. Die Hitze verlangt ihren Tribut, bestätigt Henryk Schultz von der Agrargenossenschaft in Reinhardtsdorf und Chef des Regionalbauernverbandes. „Wir haben relativ starke Ernteausfälle.“ Wie schlimm ist es? Und was bedeutet das für den Verbraucher?
Welche Pflanzensorten leiden am meisten?
Abgerechnet wird in den Agrarbetrieben erst nach der Ernte. Doch schon jetzt können die Bauern erkennen, welche Sorten ihnen ein Minus in der Bilanz bescheren werden. Bereits abgeerntet ist zum größten Teil die Wintergerste. „Und genau die ist besonders von Ausfällen betroffen“, berichtet Henryk Schultz, der sich bei seinen Kollegen im Landkreis umgehört hat. Gerste wird hauptsächlich an die Tiere in den Agrarbetrieben verfüttert. Auch beim Raps sehe es mancherorts schlecht aus. Und auch beim Mais, der noch auf den Feldern steht. „Bei uns ringelt er sich wegen der Trockenheit zusammen“, berichtet Eberhard Petzold von der Liebenauer Agrar GmbH in Altenberg. Henryk Schultz betont aber, dass es im Landkreis noch nicht so dramatisch aussieht wie in anderen Teilen Sachsens.
Wie hoch sind die Verluste?
Wie gut oder schlecht der Ertrag bei einzelnen Sorten ist, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Im Liebenauer Unternehmen beispielsweise schätzt der Geschäftsführer, dass bei der Wintergerste rund ein Drittel weniger geerntet wurde als normalerweise. Julia Venus von der Landwirtschaftlichen Erzeuger- und Absatzgenossenschaft Ehrenberg gibt einen Verlust von rund 15 Prozent bei der Gerste und bis zu 30 Prozent bei der Triticale an, einer Kreuzung zwischen Weizen und Roggen, die ebenfalls an die Tiere verfüttert wird. Eberhard Petzold merkt noch an, dass es selbst in einer einzigen Agrargenossenschaft unterschiedliche Erträge auf den Feldern zu verzeichnen gibt. Der Betrieb bewirtschaftet Flächen an drei Orten im Osterzgebirge, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind. „Auf dem einen Feld gab es zehn Liter Regen pro Quadratmeter, auf dem anderen gar keinen. Das habe ich so auch zum ersten Mal erlebt.“
Bei der Wintergerste verzeichnen die Bauern deutliche Verluste.
Gibt es noch genug Futter für die Tiere?
Die meisten Agrarbetriebe im Landkreis bauen vor allem die Pflanzen an, die sie an ihre Rinder und Schweine verfüttern können. Mais beispielsweise wird siliert, Gerste gewalzt und verfüttert, die Nebenprodukte der Rapsölgewinnung landen ebenfalls im Trog. Dazu kommen Heu und Grünpflanzen. Bei denen – man sieht es an den braunen Wiesen – sieht es derzeit sehr schlecht aus. „In einem Jahr machen wir eigentlich bis zu vier Schnitte. Dieses Jahr war schon der zweite Schnitt kaum noch ertragreich, der dritte quasi nicht mehr möglich“, berichtet Henryk Schultz aus Reinhardtsdorf. Im Liebenauer Betrieb müssen die Tiere schon jetzt zugefüttert werden, weil das Grünfutter auf den Wiesen nicht mehr ausreicht.
Welche Konsequenzen müssen die Landwirte fürchten?
Die großen und kleinen Agrarbetriebe fragen sich schon jetzt, wie sie ihre Tiere über den Winter bekommen sollen. Eine Möglichkeit: Futter zukaufen. „Wintergerste ist in der gesamten Region knapp, wir müssten sie also von weiter her importieren, was sehr teuer ist“, überlegt Eberhard Petzold. Der Landwirt befürchtet, seinen Viehbestand zum Ende des Jahres reduzieren zu müssen, also Tiere zu verkaufen oder zu schlachten.
Auf den Maisfeldern stehen zu kleine Pflanzen, die Kolben sind ebenfalls unterdimensioniert.
Ist der Verbraucher von den Ernteausfällen betroffen?
Alle drei befragten Landwirte glauben nicht, dass der Kunde etwas von den schlechten Ernteerträgen merken wird, also dass Brötchen, Wurst oder Käse teurer werden. „Der Ertrag beim Weizen scheint durchschnittlich zu sein“, sagt Henryk Schultz etwa mit Blick auf die Mehlproduktion. Was wiederum Milch und Fleisch angeht, wagt derzeit niemand eine Prognose zur Preisentwicklung. Fakt ist aber auch, dass diese von vielen Faktoren abhängt und die Rohstoffpreise sind nur einer davon.
von Nancy Riegel
Bildquelle: Daniel Schäfer, dpa