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Galeria-Insolvenz: Was der Karstadt Dresden-Chef zur Zukunft des Dresdner Warenhauses sagt

Im Dresdner Karstadt-Warenhaus sind etwa 400 Mitarbeiter von der Galeria-Insolvenz betroffen. Wie geht es für sie weiter? Was passiert mit dem Kaufhaus auf der Prager Straße? Geschäftsführer Michael Zielke gibt im Interview Antworten.

Lesedauer: 4 Minuten

Das Bild zeigt den Eingang vom Karstagt und den Vermieter.
Michael Zielke führt das Dresdner Karstadt-Warenhaus. Wie er die Zukunft des Hauses sieht, welche Kritik er am Vermieter übt und welche Pläne er hat, sollte das Kaufhaus die Insolvenz unbeschadet überstehen. © Marion Doering, René Meinig

Von Sandro Pohl-Rahrisch

Dresden. Wieder Mitarbeiterversammlungen, wieder Verunsicherung und Zukunftsangst: Die Mitarbeiter des Dresdner Karstadt-Warenhauses müssen mit der inzwischen dritten Pleite ihres Arbeitgebers in nur drei Jahren zurechtkommen. Anfang Januar hat die Kette Galeria Karstadt Kaufhof einen Insolvenzantrag beim Essener Amtsgericht gestellt – vorausgegangen waren Finanzprobleme des österreichischen Mutterkonzerns Signa. Was heißt das für das Dresdner Warenhaus und dessen Mitarbeiter? Sächsische.de hat mit Geschäftsführer Michael Zielke (54) über die aktuelle Lage und die mögliche Zukunft gesprochen.

Herr Zielke, wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern?

Unsere Mitarbeiter haben die Nachricht von der Insolvenz gefasst aufgenommen. Natürlich sind wir einerseits besorgt, aber wir schauen andererseits optimistisch nach vorne. Das Warenhaus hat eine Zukunft, davon bin ich überzeugt. Das haben wir nicht zuletzt mit einem erfolgreichen Weihnachtsquartal unternehmensweit gezeigt. Und das gilt besonders für unsere Filiale in Dresden.

Erhalten die Mitarbeiter weiterhin ihre Gehälter in voller Höhe?

Zurzeit haben wir rund 400 Mitarbeiter in Dresden. Ihre Gehälter für Januar, Februar und März werden nun von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Es läuft alles ganz normal weiter. Das gleiche gilt übrigens für die Ware. Ich bin sehr froh, dass die Agentur für Arbeit und unsere Lieferanten diesen Weg mit uns gehen.

Das Bild zeigt Michael Zielke .
Michael Zielke zeigt eine der beiden neugestalteten Karstadt-Dresden-Etagen. © René Meinig

Was bedeutet das Insolvenzverfahren für den Plan der Stadtverwaltung, ins Karstadt einzuziehen?

Wir sind mit der Stadt, dem Oberbürgermeister Hilbert, im engen Austausch. Die Pläne sind weit fortgeschritten. Wenn es bei uns weitergeht, werden sie auch umgesetzt. Das ist jedenfalls das, was wir uns wünschen.

Die Stadt möchte in die fünfte Etage ziehen?

Genau. Dort soll ein Bürgerbüro eingerichtet werden. Das Restaurant auf der Etage bleibt bestehen. Die Kantine haben wir bereits verlagert. Wenn der Stadtkunde wartet, kann er ins Restaurant oder durchs Haus gehen. Das wird eine tolle Symbiose.

Zwei Etagen sind im vergangenen Jahr bereits umgebaut worden. Wie geht es nun mit den restlichen weiter?

In diesem Jahr, im Sommer, wäre das Erdgeschoss dran gewesen. Einmal alles Alte raus, einmal alles Neue rein. Das wäre sozusagen am offenen Herzen passiert, also ohne Schließzeit. Eine Mammutaufgabe, aber machbar. Doch da müssen wir jetzt warten, wie es weitergeht. Es wäre auch sicher wünschenswert, wenn es ein stärkeres Engagement des Vermieters dabei geben würde.

Was für einen Neustart wenig förderlich sein dürfte: Sie zahlen laut Medienberichten stolze 20 Prozent Ihres Umsatzes Miete an Signas Joint Venture, die RFR-Gruppe. Wie kommen Sie damit zurecht?

Ich werde keine konkreten Zahlen nennen. Aber klar ist: Solche Rahmenbedingungen sind für jedes Warenhaus wirtschaftlich absolut unmöglich zu stemmen. Nicht mal auf den Champs-Élysées würde so etwas funktionieren. Eine Miete zwischen sieben und zwölf Prozent ist in Deutschland heute marktüblich.

Wenn die Zukunft des Dresdner Karstadt-Hauses von dessen Erfolg abhängen würde – wie würde sie aussehen?

Das Weihnachtsgeschäft war hervorragend. Wir waren im Vergleich zum Vorjahr sehr stark und gehören in der Entwicklung zum oberen Drittel innerhalb des Unternehmens. Ich möchte keine Zahlen nennen, aber bin angenehm überrascht. Wir haben im vergangenen Jahr umgebaut, diese Bereiche laufen sehr gut. Darüber hinaus hatten wir in der Weihnachtszeit starke Events – einen Chor an den Samstagen, eine Ape, an der Glühwein ausgeschenkt wurde, Trompeter, einen Weihnachtsmann, Wichtel. Da haben wir uns einiges einfallen lassen.

Das bemerkenswerte daran ist, dass im Oktober, November und Dezember etwa 180.000 Menschen weniger in der Prager Straße unterwegs waren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wir bei uns hatten trotzdem kein Minus in der Kundenfrequenz. Sprich, wir haben mit weniger Menschen draußen die Frequenz drinnen halten können. Aber die Prager Straße ist immer noch eine gute und beliebte Einkaufsstraße.

Das klassische Warenhaus ist also kein Auslaufmodell?

Ich bin ganz sicher: Das Warenhaus lebt! Ich sehe das im Gegensatz zu dem ein oder anderen sogenannten Experten jeden Tag und kenne in meinen über 20 Jahren Berufserfahrung jetzt wirklich einige Standorte aus der Praxis. Klar ist aber, dass das Warenhaus modern gedacht und lokal geführt werden muss. Und genau das versuchen wir auch. Dazu gehört einerseits der Verkauf von Waren, andererseits das Warenhaus als Treffpunkt. In Kombination mit der Stadtverwaltung, zum Beispiel dem Dynamo-Fanshop, Plätzen in Restaurants und Cafés, vielleicht einer Touristinfo und einer Theaterkasse wird uns das gelingen.

Und was nicht nur wir feststellen: Es kommen wieder mehr jüngere Menschen in das Zentrum. Die waren in den vergangenen Jahren fast weg aus der Stadt. Nun sind sie wieder da, weil sie sich treffen wollen und auch mehr Bock auf Haptik haben, Produkte vorm Kauf also vor Augen haben und anfassen möchten.

Aber wie gesagt, das beste Warenhaus kann nicht existieren, wenn überhöhte Mieten einem buchstäblich die Luft zum Atmen nehmen. Hinzu kamen auf Unternehmensebene teure Berater und Dienstleister. Ich bin froh, dass unsere Philosophie jetzt anders ist und wir diese Insolvenz für einen echten Befreiungsschlag nutzen können.

Bereits vor der Pandemie hatte sich Karstadt stark auf Kunden aus Russland und Tschechien ausgerichtet. Kunden aus Russland dürfte es so gut wie keine mehr geben, oder?

Ja, aber nicht nur aus den bekannten Gründen, sondern auch weil die Fluglinie Moskau-Dresden nicht mehr existiert. Die hatte einige russische Kunden hierhergeführt.

Die Tschechen schätzen wir ganz besonders und das sind wirklich Gott sei Dank sehr treue Kunden. Und sie sind auch kaufkräftig. Die guten Umsätze mit unserer tschechischen Kundschaft haben drei Gründe. A: Es ist offensichtlich „in“ in Deutschland zu kaufen, speziell in Dresden als sehr attraktiver Stadt. B: Den Produkten bei uns wird vertraut, weil man absolut sicher vor Produktpiraterie ist. Und C: Die Preise in Prag sind teilweise höher als bei uns.

Ein Insolvenzverfahren ist in aller Regel langwierig, insbesondere bei Konzernen dieser Größe. Wie geht es in den kommenden Wochen und Monaten weiter?

Unser Insolvenzverwalter hat uns mitgeteilt, dass wir bis zum Spätsommer durchfinanziert sind und er das Verfahren gemeinsam mit unserem Management um CEO Olivier van den Bossche durchführen möchte. Diese Nachrichten haben wir mit Erleichterung aufgenommen.

Darüber hinaus besteht die Absicht, Galeria als Ganzes zu erhalten und es gibt offensichtlich auch Interesse von Seiten mehrerer Investoren. Auch das macht Mut. Ich denke, das Nächste werden Verhandlungen mit Vermietern sein. Und die sind auch dringend nötig. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass dieser Prozess langwierig ist. Im Gegenteil, jetzt packen wir an.

Falls es eine Neustrukturierung mit Stellenabbau unter einem neuen Investor geben sollte: Wäre das Dresdner Warenhaus mit noch weniger Mitarbeitern überhaupt noch betreibbar?

Ich glaube nicht, dass es um einen Stellenabbau in den weiterzuführenden Filialen geht. Wir haben uns zuletzt doch dort erst verstärkt. Das war und ist für Olivier van den Bossche eine der Top-Prioritäten. Zur Verwaltung in Essen kann ich nichts sagen. Dieses Insolvenzverfahren ist meiner Meinung nach zu Recht als Befreiung aus der Umklammerung der alten Signa-Eigentümer beschrieben worden. Darum geht es doch jetzt.

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