Die Begrüßung bei seinem Bautzen Besuch vorige Woche könnte herzlicher sein. „Da ist der Idiot von den Grünen“, ruft ein Mann, der mit dem Fahrrad um die Ecke biegt. Robert Habeck nimmt es gelassen. Der Bundesvorsitzende der Grünen weiß, dass es Mitglieder seiner Partei nicht immer leicht haben. Vor allem nicht hier im Osten Deutschlands.
Herr Habeck, die Grünen sind in der Gegend ein richtiges Feindbild. Partei für Wessis, Partei für Großstädter. Was sagen Sie zu diesen Vorbehalten?
Die Vorurteile kenne ich alle. Ich sehe, wie sich jeden Tag im Osten Menschen dafür einsetzen, dass Würde und Freiheit für jeden gelten, egal woher. Und das auch, wenn ihnen der Wind ins Gesicht weht. Unter ihnen sind viele Grüne, vor denen ich echt den Hut ziehe. Diesen Respekt habe ich auch vor anderen Parteien, die dafür kämpfen, dass das Vertrauen in unser demokratisches System wieder wächst.
Bundesweit haben die Grünen an Popularität gewonnen. Aber das merkt man hier noch nicht. Woran liegt das?
Es ist richtig, dass wir in Sachsen von einem tieferen Niveau starten, aber es treten in Ostdeutschland im Durchschnitt prozentual mehr Leute in die Partei ein als in Westdeutschland. Man kann wohl nicht von einem Run reden, aber wir merken deutlich mehr Zuspruch.
Aber auch viel Ablehnung. . .
Die Ablehnung ist sicherlich damit begründet, dass wir für eine sich verändernde Gesellschaft stehen. Ein anderes Energiesystem, also raus aus der Braunkohle, ein anderes Verständnis von Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet statt gegen sie. Ich denke, dass viele Menschen in Ostdeutschland sagen, wir hatten genug Wandel. Hinzu kommt die Enttäuschung, die mit dem Wandel verbunden war. Wir müssen deutlich machen, dass Veränderungen die Bedingung für eine stabile Gesellschaft sind.
Sie sprachen vom Kohleausstieg. Die Menschen hier in der Lausitz spüren, was das bedeutet. Was ist für Sie das Wichtigste beim Strukturwandel?
Es geht darum, dass die Politik den Ausstieg aus der Kohle für Betroffene verträglich gestaltet. Das heißt, jetzt einen Fahrplan aufsetzen, der Perspektiven für die Zeit danach liefert. Damit ist auch gemeint, dass bestehende Arbeitsplätze in neue umgewandelt werden, dass Firmen Geschäftsmodelle entwickeln, die auch in Zukunft tragfähig sind. Die Wirtschaft ist da schon weiter als die Politik. Die Regierungen in Sachsen und Brandenburg wollen sich dem Prozess möglichst lange verweigern. Nur, dann kommt er abrupt. Für uns ist klar: Man muss die Weichen frühzeitig stellen.
Vor allem die Sorge um ihre Arbeitsplätze beschäftigt die Menschen.
Natürlich ist es wichtig, diesen Menschen eine Perspektive aufzuzeigen. Es ist auch nicht unmöglich, die Lausitzer Energie- und Kraftwerke (Leag) zu einem modernen Energieunternehmen zu machen. Im Gegenteil. Die Zeit ist sehr günstig. Wir haben eine große Nachfrage seitens der Industrie nach zum Beispiel neuen Batteriesystemen, nach Speichertechniken.
Vielleicht kommen Sie hier auch nicht so gut an, weil Sie sich für den Wolf aussprechen. Für viele Landbewohner ist das fernab der Realität.
Wir können mit dem Wolf leben, wenn wir richtig mit den Ängsten umgehen und uns Gedanken über das Wie machen. Ich stand selbst auf Koppeln, auf denen der Wolf die Schafe totgebissen hat. Und wenn die Kinder der Schäfer weinen, weil ihre Tiere tot sind, kann man das nicht einfach nur mit Schadensgeld begleichen. Die Wölfe, die sich nicht artgerecht verhalten, die ihr Beuteschema auf Weidetiere konzentrieren, also zum Beispiel Schafe fressen, müssen entnommen werden.
CDU und CSU fordern eine Obergrenze für Wölfe. Ist das eine Lösung?
Nein, das ist nicht der richtige Weg.
Sie sprachen in Bautzen auch mit der Historikerin Annalena Schmidt, die als Nutzerin von Twitter bekannt ist. Sie sind gerade erst an Twitter gescheitert. Haben Sie sich bei ihr Tipps geholt?
Nein, ich habe entschieden, dass Twitter nicht das richtige Medium für mich ist. Die Aggressivität und Verkürzung von Argumenten stören mich. Gleichzeitig sieht man gerade an Frau Schmidt, dass die Plattform ein wirkungsmächtiges, aber auch ein sehr emotional agierendes Medium ist.
War das Treffen mit Frau Schmidt der Grund, warum Sie jetzt nach Bautzen gekommen sind?
Dass ich hier bin, liegt daran, dass Bautzen und der Hass, der Annalena Schmidt hier wegen ihres Einsatzes gegen Rechtsextremismus entgegenschlägt, so stark in den Fokus der Debatte gerückt ist. Wenn ich mit dem Besuch ein kleines Zeichen setzen kann, dass diejenigen, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen, zusammenstehen, habe ich das Ziel erreicht.
Und hat Ihnen der Austausch hier in Bautzen neue Erkenntnisse gebracht?
Ich denke, es passiert in Bautzen etwas, was nicht so häufig an anderen Orten passiert. Es gibt eine intensive Debatte darüber, wie die Stadtgesellschaft funktioniert. Dass bei der Dialogveranstaltung die Kirche in Bautzen übervoll war, bedeutet ja, dass ein Interesse da ist, dass die Menschen darüber diskutieren wollen, was in ihrer Stadt passiert. Das macht Mut.
Von Marleen Hollenbach
Foto: © Uwe Soeder