Halle. Zwanzig Jahre war der frühere Vorstandschef Klaus Lellé das Gesicht der Halloren-Kugeln – bis er im Frühjahr überraschend durch den Sanierer und Notfallmanager Ralf Coenen ersetzt wurde. Unter Lellés Regie hatte sich das ostdeutsche Vorzeigeunternehmen zuletzt mit seinem Expansionsdrang verhoben und plötzlich rote Zahlen geschrieben. Jetzt heißt der neue Baron auf der Halloren-Kugel Ralf Wilfer. Am Mittwoch präsentierte sich der Lebensmittelexperte das erste Mal auf der Hauptversammlung in Halle rund 150 Aktionären. „Ich habe Schokolade im Blut und esse sie täglich“, sagte der 53-Jährige in einem eigens aufgebauten Zelt auf dem Halloren-Gelände. Er habe vor 27 Jahren beim Schokohersteller Milka seine Karriere begonnen und sei auf der süßen Seite geblieben. So hatte er Führungspositionen bei namhaften Schokoladen-Unternehmen wie Lindt & Sprüngli, Stollwerck und einer der größten Schokoladenfabriken Europas, Solent in Aachen. Er sei stolz, den neuen Unternehmenskurs in Halle vorantreiben zu können – und er wisse zugleich um die große Herausforderung, so Wilfer.
Unter dem neuen Kapitän soll der internationale Wachstumskurs nicht weiter forciert werden. Vielmehr solle die Halloren-Kugel künftig in Deutschland bekannter werden. Ziel sei es, so erklärte der Vorstand auf der Hauptversammlung, als bekannte Marke des Ostens auch im Westen besser Fuß zu fassen. Der kriselnde Konzern wolle sich nach mehreren Verlustjahren, nach einem Hin und Her um seine Tochterfirmen wie die Delitzscher Schokoladenfabrik und nach dem Austausch der Führungsspitze wieder voll und ganz auf die DNA des Unternehmens konzentrieren: die Halloren-Kugeln. Dabei könnte die Traditionsnascherei in den nächsten Jahren teurer werden. Die Schokoladen-Profis kündigten zumindest eine Neuausrichtung der Marke inklusive „neuer Preisstellung“ und großer Marketingkampagne für die Saison 2019/2020 an.
Die Halloren – mit mehr als 200 Jahren Firmengeschichte Deutschlands älteste Schokoladenfabrik – galten jahrelang als ein Aushängeschild des Ostens. Man erzielte Rekordumsätze und gute Gewinne, man ging zwischenzeitlich an die Börse, lieferte in die USA und kaufte Firmen. Doch die belgische Pralinentochter Bouchard, die den großen Einstieg ins Exportgeschäft ermöglichen sollte, brachte Halloren kein Glück, sondern herbe Verluste. So schrieben die Halloren mehrere Jahre rote Zahlen im Millionenbereich. Auch 2017 stand beim operativen Geschäft ein Minus von 3,6 Millionen Euro. Das Planziel – ein Gewinn von 5,7 Millionen Euro – wurde deutlich verfehlt. Jetzt soll die neue Ausrichtung auf den Inlandsmarkt die Wende bringen. Für dieses und nächstes Jahr erwartet das Unternehmen mit zurzeit rund 430 Mitarbeitern allerdings weiterhin Verluste. Erst ab 2020 will die Schokoladenfabrik in die Gewinnzone zurückkehren. Nach dem Verkauf der Töchter – der Delitzscher Schokoladenfabrik sowie Bouchard NV und Steenland Chocolate in Belgien – habe Halloren ein gutes Finanzpolster für die Neuausrichtung, sagte Interims-Vorstand Klaus Schramm. Gerade dieser Verkauf der Töchter sorgt allerdings nach wie vor für dicke Luft bei den Aktionären: Denn die Unternehmen wurden in Windeseile an den eigenen Großaktionär Charlie Investors verkauft, um kurzfristig Verbindlichkeiten in Millionenhöhe bedienen zu können.
Der Süßwaren-Riese Katjes, der eine Minderheit von 10,7 Prozent an den Halloren hält, bezweifelt aber, dass bei den Deals alles korrekt gelaufen ist, und fordert einen Sonderprüfer. Zudem hatte vor wenigen Wochen eine Zeitungsanzeige für große Verwunderung gesorgt, in der ein Rückkauf zu gleichen Konditionen angeboten wurde. Dieses Angebot nahmen die Halloren aber nicht an. Es passe nicht zur neuen Strategie, so Manager Schramm. Die Delitzscher Schokofabrik mit derzeit rund 280 Beschäftigten ist nunmehr seit einem Jahr wieder selbstständig und produziert vor allem Eigenmarken für Discounter.
Die „Original Halloren Kugeln“ waren 1952 entstanden. Inzwischen rollen weit über 100 Millionen davon in die Supermarktregale. Größter Eigentümer ist heute die Finanzgesellschaft „Charlie Investors“. Dahinter stehen die Eigentümerfamilien um Darren Ehlert, einst Manager bei der Investmentbank Lehman Brothers, und Investor Frank Illmann, heute Aufsichtsratsvorsitzender der Halloren. Zugleich begann ein Machtkampf mit dem Lakritzexperten Katjes, der Halloren-Anteile an der Börse erworben hatte, aber für viel Zoff in Halle sorgt. Als Reaktion darauf zogen sich die Halloren sogar von der Börse zurück. Ein Ende des Streits ist noch nicht abzusehen. (mit dpa)
Von Sven Heitkamp
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