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Hat Bahn-Lückenschluss Rumburk-Seifhennersdorf keine Chance?

Rund sechs Kilometer sind es zwischen den beiden Städten, genauso viele wie zwischen Zittau und Oderwitz auf der im Mai eröffneten neuen B178. Doch was auf der Straße nach langem Anlauf geklappt hat, könnte auf der Schiene scheitern.

Lesedauer: 3 Minuten


Frank-Uwe Michel

Seifhennersdorf/Rumburk. Erst vor Kurzem hatte der Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) in seinem Fahrgastmagazin LinienKurier den Neubau der Bahnstrecke zwischen Seifhennersdorf und Rumburk (Rumburg) herbeigesehnt. Das „ambitionierte Projekt“ würde „mindestens 100 Millionen Euro“ kosten, hieß es.

Das Ministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung in Sachsen hatte auf eine AfD-Anfrage jüngst sogar eine Summe von bis zu 150 Millionen Euro genannt, die sich aus den Erkenntnissen einer Machbarkeitsstudie speist. Die Finanzierung aber sei ungeklärt, ein Förderprogramm nicht in Sicht.

ProBahn: Riesensumme nicht so riesig wie es scheint

Ein solch riesiger Betrag für lediglich sechs Kilometer? Kritiker vermuten, dass dies Absicht ist und abschreckend wirken soll, um das Projekt im Keim zu ersticken. Dabei wäre es wichtig für die Idee einer „Nationalpark-Bahn“. Sie könnte die Sächsisch-Böhmische Schweiz, das Lausitzer, Iser- und Riesengebirge miteinander verbinden.

Der in der Vergangenheit nicht gerade durch wohlwollende Kommentare Richtung Bahn oder Verkehrspolitik aufgefallene Fahrgastverband „ProBahn“ sieht jedoch keine unlautere Absicht hinter diesen Zahlen. Man halte die Schätzung nicht für unrealistisch, so Ingo Koschenz von der Regionalgruppe Ostsachsen. Und wolle auch der Staatsregierung „keinen bösen Willen unterstellen.“

Ob jede Landstraße und jeder Feldweg tatsächlich ein Brückenbauwerk benötigt, scheint zweifelhaft. – Ingo Koschenz, ProBahn-Sprecher, Regionalgruppe Ostsachsen

Koschenz zieht Vergleiche und macht deutlich, dass die Riesensumme gar nicht so riesig ist, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. So habe das Verkehrsministerium für die Revitalisierung der momentan stillgelegten „Herrnhuter Bahn“ 50 Millionen Euro angesetzt. „Für einen Neubau fallen naturgemäß noch höhere Kosten an, weil zum reinen Gleisbau auch die Planungs- und Grunderwerbskosten kommen.“ Dann blickt der ProBahn-Sprecher auf die Straße: „Der topografisch einfache dritte Bauabschnitt nördlich von Zittau hat für sechs Kilometer 57,4 Millionen Euro gekostet. 100 Millionen Euro für die topografisch schwierigere Gleisneubaustrecke wären da durchaus vergleichbar.“

Aussagen zu Baukosten je Bahnkilometer sind schwierig, weil es für jede Strecke unterschiedliche Anforderungen, aber auch Bedingungen im Gleisverlauf gibt. Für Neubaustrecken im Regionalverkehr lägen kaum Erfahrungswerte vor, betont Ingo Koschenz, weil Deutschland im ländlichen Raum seit Jahrzehnten keine ausschließlich für diese Betriebsart gedachten Bahnlinien umgesetzt habe.

Anders sehe das bei Hochgeschwindigkeitsstrecken aus. Dort sei der Kilometer „günstigstenfalls für 12 Millionen Euro zu haben, in Italien aber auch schon mal für über 57 Millionen Euro.“ Wobei der Bau einer mit mindestens Tempo 250 befahrbaren zweigleisigen Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht mit dem einer eingleisigen, für Tempo 120 ausgelegten Regionalverkehrsstrecke verglichen werden könne.

Deutsche Verordnungen treiben Preis nach oben

Zwischen Seifhennersdorf und Rumburk gibt es nach ProBahn-Erkenntnissen unterschiedliche Kostentreiber. Einer davon, so Koschenz, dürfte die topografisch anspruchsvolle „Variante C“ sein, die verfolgt werde. Außerdem seien es deutsche Verordnungen, die den Preis nach oben treiben. So wird hierzulande die „Eisenbahnbau- und Betriebsordnung für Schienenneubaustrecken“ angewandt. Sie schreibt zwingend vor, dass die Gleise kreuzungsfrei – ohne Bahnübergänge – verlegt werden. So kommen automatisch Brücken- oder Tunnelbauwerke hinzu, die die Angelegenheit erheblich verteuern.

ProBahn sieht das kritisch: Zwar sei die Kreuzungsfreiheit mit der stark frequentierten Fernstraße 9 in Tschechien – der Ortsumgehung von Rumburk – sicherlich nicht zu vermeiden. „Ob aber jede sonstige Landstraße und jeder Feldweg tatsächlich ein Brückenbauwerk benötigt, scheint zweifelhaft“, moniert Koschenz. Denn: Zwischen Seifhennersdorf und Rumburk gehe es künftig nur im Stundentakt hin und her. Und so viel Verkehr sei auf den genannten Wegen nicht unterwegs. Deshalb müsse man beim Eisenbahnbundesamt auf Ausnahmen von den sonst üblichen Regelungen drängen.

Die fehlenden Kapazitäten führen dazu, dass die Kosten für Gleisplanung und Gleisbau explodieren. – Ingo Koschenz, ProBahn-Sprecher, Regionalgruppe Ostsachsen

Ein anderer Ausweg: Weil es sich um ein grenzüberschreitendes Projekt handelt, könnten tschechische statt der deutschen Parameter angewandt werden und damit eine erhebliche Ersparnis mit sich bringen. Denn im Nachbarland würden niveaugleiche Kreuzungen mit Straßen und Feldwegen nicht kategorisch ausgeschlossen.

Ein weiterer Kostentreiber, schätzt der Fahrgastverband ein, dürfte die gestiegene Nachfrage nach Bauleistungen im Bahnbereich sein. Seit der Bahnreform 1994 hätten Schienenbauer und darauf spezialisierte Planer ihre Kapazitäten nach unten gefahren, weil der Schienenverkehr von der Politik stiefmütterlich behandelt wurde. Nachdem Bund und Deutsche Bahn auf die immer maroder werdende Substanz jetzt mit groß angelegten Korridorsanierungen reagieren, „ist die Nachfrage nach den Leistungen dieser Experten sprunghaft gestiegen“, erklärt der ProBahn-Sprecher. „Die fehlenden Kapazitäten führen dazu, dass die Kosten für Gleisplanung und Gleisbau explodieren.“

Auch die Deutsche Bahn und das sächsische Infrastrukturministerium wurden von der SZ zum Thema angefragt, eine Reaktion gab es bis zum Redaktionsschluss jedoch nicht.

SZ

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