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„Ich war das Mäuschen auf der Baustelle“

Die gelernte Kfz-Mechatronikerin Kareen Stöhr hat viele Bemerkungen auf der Baustelle gehört. Mit dem Projekt Protechnicale Sachsen will sie Mädchen für Mint-Berufe begeistern.

Lesedauer: 2 Minuten

Eine junge Frau erklärt zwei Mädchen etwas.
Kareen Stöhr zeigt Mädchen, dass ihnen jeder Berufsweg offen steht – hier beim jüngsten Girls Day. Foto: Claudia Hübschmann

Von Luisa Zenker

Leipzig/Dresden. Die Kfz-Mechatronikerin Kareen Stöhr wollte Autos reparieren – stattdessen wurde sie in die Waschanlage geschickt. Heute kämpft sie mit dem Projekt Protecnicale dafür, dass junge Frauen im Silicon Saxony ernst genommen werden.
Die Leipzigerin Kareen Stöhr hat früh gelernt, ihre Ellenbogen zu nutzen. Sie wollte vor zwanzig Jahren Kfz-Mechatronikerin werden. Mit diesem Berufswunsch war sie als junges Mädchen allein auf weiter Flur, sie war die einzige Frau in der gesamten Berufsschule. Schnell lernte sie, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie nahm Autos auseinander, wechselte Reifen.
Dennoch wurden ihr manche Aufgaben in der Werkstatt verwehrt. Während andere Männer in ihrem Lehrjahr beispielsweise Getriebe auseinandernehmen durften, musste sie in die Waschanlage. Später erfuhr sie dann, dass der Betrieb sie als Frau eingestellt hat, weil der Staat ihren Lohn zu 100 Prozent übernommen hat. Eben, weil sie eine Frau ist.

Leipzigerin hat viele Bemerkungen auf der Baustelle gehört
Das will die 37-Jährige nun ändern. Sie bringt deshalb sachsenweit jungen Mädchen Programmieren bei. Denn Kareen Stöhr war nach der Kfz-Ausbildung schnell klar, dass sie weiter will. Nachdem sie das Abitur mit der Vertiefung im Maschinenbau absolviert hat, arbeitete sie zwei Jahre auf der Baustelle. Auch dort war sie fast immer die einzige Frau. „Ich war das Mäuschen auf der Baustelle“, erinnert sie sich an den Spitznamen. „Ich habe schrecklich viele Telefonnummern und Date-Anfragen erhalten.“ Körperlich habe man ihr die Arbeit teilweise nicht zugetraut, fachlich aber schon, erinnert sie sich.
Später studierte sie Pädagogik, womit sie inzwischen ihre Spezialisierung gefunden hat. In diesem Jahr hat sie mit dem Verband Deutscher Ingenieure das sachsenweite Projekt Protechnicale gestartet. Ein Programm für Mädchen aus Sachsen, die sich für Mathematik, Informatik, Technik, Naturwissenschaft – kurz Mint interessieren. Die Schülerinnen lernen erfahrene Frauen aus der Verfahrenstechnik, Chemieindustrie, Bauleitung kennen, die so als Vorbilder wirken. In Workshops werden sie an 3-D-Druck, Robotik, Umwelttechnik herangeführt.

Kauffrau, Verkäuferin, Friseurin bleiben weiterhin am beliebtesten bei Mädchen
Dass sich die Situation seit Kareen Stöhr ihre Ausbildung absolviert hat, nur minimal verbessert hat, weiß Michaela Mayer vom Jobcenter Meißen. „Den Mädchen werden Berufe ausgeredet“, sagt Mayer. Mädchen, aber auch Jungen sind beim Aufwachsen immer wieder mit Geschlechterstereotypen konfrontiert, ob nun durch Geschlechterrollen der Eltern, durch klischeehafte Geschlechterbilder in den Medien oder in der Schule, bestätigt auch das ehemalige sächsische Gleichstellungsministerium.
Die Top-20-Berufswahl von Frauen ändert sich seit Jahren kaum: Kauffrau, Verkäuferin, Friseurin bleiben weiterhin ganz oben auf der Beliebtheitsskala. „Viele Frauen landen in helfenden Berufen, wie der Pflege, mit schlechtem Verdienst und Arbeitszeiten, die nicht gerade familienfreundlich sind und so geraten sie dann in die Abhängigkeit von Männern“, erklärt Mayer.
Sie sieht Projekt Protechnicale eine große Möglichkeit, Mädchen für männerdominierte Mint-Berufe zu begeistern – gerade auch mit Blick auf das Silicon Saxony. Zumal das Argument heutzutage nicht mehr zähle, dass die Arbeit im Handwerk körperlich schwer ist: „Vieles ist automatisiert“, so Stöhr weiter.
Das Projekt Protechnicale Sachsen richtet sich an Mädchen aus ganz Sachsen, die in die 9. bis 11. Klasse gehen. Monatlich besuchen sie interessante Technikstandorte. Das fünfmonatige Programm kostet 30 Euro und startet jeweils im August und Januar.

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