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„Irgendwann sind die Tanks leer“: Trifft der Brauereistreik in Sachsen jetzt die Kunden?

In Sachsens Brauereien brodelt es: Die Beschäftigten wollen mehr Geld – und bestreiken die Brauereien der Radeberger Gruppe und von Carlsberg. Ein Ende ist nicht absehbar. Im Handel bereitet man sich schon auf Ausfälle vor.

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig. Der Kampf um die Zukunft der sächsischen Brauereien und deren Beschäftigten wird in diesen Tagen bisweilen in der Leipziger City ausgetragen. In der vergangenen Woche ließ sich das beobachten, als rund 350 Beschäftigte am Hauptbahnhof demonstrierten. „Brauereistreik!“, stand in Großbuchstaben auf einem Plakat, und damit war auch Passanten klar: In sächsischen Brauereien rumort es – und der Streit spitzt sich zu.

Hunderte Brauerei-Beschäftigte haben laut Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ihre Arbeit niedergelegt – und streiken für höhere Löhne. Bis zum Freitagabend soll der Arbeitskampf nach jüngsten Gewerkschaftsangaben andauern. Bestreikt werden in Sachsen die Brauereien der Radeberger Gruppe: Dazu gehören Sternburg aus Leipzig, Ur-Krostitzer, Freiberger sowie die Radeberger Exportbierbrauerei. Auch Wernesgrüner, Teil des Carlsberg-Konzerns, ist betroffen. Am Montag wurde der Arbeitskampf zudem auf die Köstritzer Schwarzbierbrauerei (Bitburger Gruppe) in Thüringen ausgeweitet.

Warnstreik der Bierbrauer vor dem Hauptbahnhof in Leipzig: Die Beschäftigten fordern sieben Prozent mehr Lohn.
Quelle: Andre Kempner
Warnstreik der Bierbrauer vor dem Hauptbahnhof in Leipzig: Die Beschäftigten fordern sieben Prozent mehr Lohn.

Gewerkschaft sieht schon einen Biermangel

Aus Kundensicht stellt sich inzwischen die Frage: Macht sich der Streik bald im Getränkemarkt oder im Restaurant bemerkbar? Die Gewerkschaft zeichnet jedenfalls ein entsprechendes Bild. „Bei den betroffenen Brauereien wird das Bier nun knapp. Nach unseren Informationen sind die Brauereien bereits nicht mehr fähig, den Großhandel zu beliefern“, sagt Uwe Ledwig, Vorsitzender des Landesbezirks Ost bei der NGG. Für ihn ist klar: „Wir haben die Betriebe lahmgelegt.“

Die Situation bei Händlern und Großhändlern stellt sich vielschichtig dar: Konsum Leipzig meldet, dass „die bestellten Mengen uns vollumfänglich erreicht“ haben; auch Rewe erwartet „keine Einschränkungen in der Warenverfügbarkeit“. Von Edeka heißt es: „Der Streik bei den sächsischen Brauereien wird sicherlich nicht spurlos an dem Handel vorübergehen.“ Gleichzeitig verweist Edeka wie andere Händler auf die breite Auswahl an Alternativen.

Die Radeberger Exportbierbrauerei: Nach eigenen Angaben konnte die Brauerei bisher auf den Streik reagieren.
Quelle: Arno Burgi/dpa
Die Radeberger Exportbierbrauerei: Nach eigenen Angaben konnte die Brauerei bisher auf den Streik reagieren.

Großhandel berichtet von ersten wegbrechenden Lieferungen

Auch Akteure im Großhandel beobachten die Streiks. Mike Schnell ist Verkaufsleiter bei der ESG Getränkevertriebs GmbH, die im Raum Leipzig-Halle Gastronomie- und Cateringbetriebe beliefert. Das Unternehmen holt die Ware laut Schnell selbst bei den Brauereien ab. „Doch wenn gestreikt wird, ist keine Abholung möglich. Bestimmte Sortimente gehen dann zur Neige.“ Noch hat die ESG zwar Bestände, doch Schnell ist sich sicher: „Wenn der Streik weitergeht, dann wird es Engpässe geben. Irgendwann sind die Tanks leer.“

Bei den betroffenen Brauereien wird das Bier nun knapp. Nach unseren Informationen sind die Brauereien bereits nicht mehr fähig, den Großhandel zu beliefern. – Uwe Ledwig, Vorsitzender des Landesbezirks Ost bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Am Dienstagnachmittag bekam Schnell dann die Information: In dieser Woche könne er keine neuen Bierflaschen und Fässer von der Freiberger Brauerei abholen. „Das bedeutet einen erheblichen Aufwand für uns als Lieferant“, sagt Schnell – nun müsse er zusehen, welche Sorten den Ausfall kompensieren könnten.

Wie hoch ist die Streikbeteiligung?

Für die Gastronomie gibt Axel Klein, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Sachsen, jedoch Entwarnung: „Es muss niemand Angst haben, im Biergarten kein Bier zu bekommen.“

Und die Brauereien selbst? Bei Ur-Krostitzer ist von „schmerzhaften Streiks“ die Rede: Die Lieferfähigkeit werde durch „Verwerfungen in unseren Betriebsabläufen beeinträchtigt“.

Sachsens Dehoga-Chef Axel Klein: „Es muss keiner Angst haben, dass man im Biergarten kein Bier bekommt.“
Quelle: Christian Juppe (Archiv)
Sachsens Dehoga-Chef Axel Klein: „Es muss keiner Angst haben, dass man im Biergarten kein Bier bekommt.“

Laut Hendrik Wagner von der Radeberger Exportbierbrauerei beteiligt sich nur ein begrenzter Teil der 250 Mitarbeiter starken Belegschaft an den aktuellen Streiks – „ein Gros der Kolleginnen und Kollegen arbeitet auch in diesen Tagen.“ Das widerspricht den Angaben der Gewerkschaft: Laut NGG-Funktionär Uwe Ledwig beteiligten sich über 90 Prozent der rund 900 Mitarbeiter in den betroffenen Brauereien am Streik – unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.

Bei Radeberger betont Sprecher Wagner jedoch: Die Streiks stellten das Unternehmen vor spürbare Herausforderungen – die sich auf die Lieferfähigkeit auswirken könnten. Bisher sei es jedoch recht gut gelungen, Verwerfungen in der Unternehmensfamilie abzufedern.

Gewerkschaft will sieben Prozent mehr Lohn

Worum geht es in dem Konflikt zwischen Beschäftigten und Brauereien? Auf der einen Seite stehen die Mitarbeiter, die sieben Prozent mehr Lohn fordern. „Die Lohnlücke zu den Weststandorten muss sich verringern“, betont Gewerkschaftsfunktionär Ledwig.

Der Streik habe vor sieben Wochen zunächst stundenweise begonnen, nachdem der Tarifvertrag für Sachsen und Thüringen gekündigt worden sei. „Inzwischen haben wir die Streiks ausgeweitet. In der vergangenen Woche wurden die Streiks nach der gescheiterten zweiten Verhandlungsrunde bis zunächst Dienstagabend verlängert“, sagt der Gewerkschaftsfunktionär. Am Nachmittag gab er bekannt, dass der Arbeitskampf bis Freitagabend verlängert wird.

Sachsen und Thüringen zählen 131 Brauereien

Auf der anderen Seite stehen die Brauereien, im Konflikt vertreten vom Sächsischen Arbeitgeberverband Nahrung und Genuss. Verhandelt wird der Tarifvertrag laut Verband in sechs Betrieben – bei insgesamt 131 Brauereien in Sachsen und Thüringen. Gerade einmal sechs Prozent der Brauereien seien tarifgebunden, heißt es von der Arbeitgeberseite. Zudem seien die Tarifentgelte in der Brauwirtschaft über Branchen hinweg mit die höchsten. Der Einstiegslohn eines Facharbeiters liege heute schon bei über 4000 Euro – plus Urlaubsgeld und Zulagen.

Außerdem verweisen die Arbeitgeber auf die wirtschaftliche Lage. Jeder müsse sich fragen, „inwieweit maximale wirtschaftliche Schäden beim Arbeitgeber, auf die diese Maßnahmen bewusst abzielen, langfristig sinnvoll und hilfreich sind“, sagt Ines Zekert, Sprecherin von Ur-Krostitzer. Auch im Lichte tagelanger Streiks stehe fest: Eine unrealistische Forderung bleibe eine unrealistische Forderung.

Die Brauereien sehen die Zahlen auf ihrer Seite: Laut Verbandsangaben ist der Bierabsatz in Sachsen im ersten Halbjahr um 7,7 Prozent zurückgegangen. Zekert fragt: „Wie sollen vor diesem Hintergrund Löhne um sieben Prozent steigen? Das geht wirtschaftlich einfach nicht – und wir setzen darauf, dass auch die Gewerkschaft diese einfachen ökonomischen Zusammenhänge nicht weiter negiert.“

Zuletzt haben die Arbeitgeber der Gewerkschaft ein Angebot vorgelegt: Sie bieten über fünf Prozent mehr Lohn in den nächsten 16 Monaten. Doch den Gewerkschaften reicht das nicht – die Fronten bleiben zunächst verhärtet im Bier-Land Sachsen.

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