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Krisen, Krankheit, fehlende Nachfolger: 8000 Firmen in Sachsen geben auf

Sachsen hat 2024 so viele Unternehmen verloren wie seit acht Jahren nicht. Das hat wenig mit Pleiten zu tun. Aber viele Gründe. Eine Studie zeigt, wer besonders betroffen ist.

Lesedauer: 2 Minuten

Michael Rothe

Dresden. In Sachsen haben im vergangenen Jahr 7968 Unternehmen auf Dauer geschlossen. Wie aus einer Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hervorgeht, ist das der höchste Wert seit 2016.

Demnach hat Deutschland 2024 fast 200.000 Unternehmen verloren, ein Zuwachs um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Creditreform nennt die Zahlen „in allen Bereichen alarmierend” – vor allem die Zunahme im verarbeitenden Gewerbe.

Die Schließungen verteilen sich regional unterschiedlich. In Sachsen am stärksten betroffen sind Leipzig mit 1303 und Dresden mit 1179 Fällen. Chemnitz und die zehn Landkreise werden in der Statistik jeweils dreistellig geführt.

Pleiten machen nur drei Prozent in Sachsen aus

Gemessen am Bestand ist die Rate mit 6,6 Prozent im Landkreis Meißen am höchsten, knapp vor Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Leipzig. In den Landkreisen Zwickau und Görlitz machen mit 4,7 bzw. 4,9 Prozent anteilig die wenigsten Betriebe dicht. Im Ländervergleich kommt Sachsen mit 5,8 Prozent noch gut weg, nur Mecklenburg-Vorpommern verliert weniger Firmen.

Aber: „Sachsen steht nur im Vorjahresvergleich gut da“, relativiert Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut. Im längerfristigen Trend hätten die Zahlen sogar stärker zugelegt als in Deutschland insgesamt. Der Vizechef der Dresdner Niederlassung führt den Anstieg vor allem auf die schwächelnde Konjunktur zurück. Das spürten besonders nicht ausgelastete Industriebetriebe und haushaltsnahe Dienstleister.

Gerade die für Sachsen typischen kleineren Unternehmen kämpfen mit den Herausforderungen der Nachfolge. – Thomas Schulz, Vertriebschef und Prokurist bei Creditreform in Dresden

Die Gründe für eine Betriebsaufgabe sind vielschichtig. So können private Veränderungen bei den Inhabern eine Rolle spielen, ein attraktives Angebot für ein Arbeitsverhältnis, aber auch Krankheit, fortgeschrittenes Alter, eine neue Wettbewerbslage. Insolvenzen machen nach Ifo-Angaben hingegen nur rund drei Prozent aller Schließungen aus.

Demografie wesentliche Ursache

Oft liege die Ursache nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern in der demografischen Entwicklung, heißt es von den Autoren der genannten Studie. Immer mehr Eigentümer der geburtenstarken Jahrgänge erreichten das Rentenalter, ohne geeignete Nachfolger zu finden.

„Gerade die für Sachsen typischen kleineren Unternehmen kämpfen mit den Herausforderungen der Nachfolge”, sagt Thomas Schulz von Creditreform. Der Prokurist der Niederlassung Dresden sieht in den Zahlen „ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung inklusive Inflation, steigende Lohnkosten und hohe Energiepreise“.

Im zweitbesten Fall bleibt zumindest für die Kundschaft das Geschäft erhalten – wie beim Großenhainer Kultfleischer Bernd Gawalski. Der Handwerksmeister musste aus gesundheitlichen Gründen aufgeben, mit Danilo Dubau zog ein neuer ein – und verkauft neben eigener auch dessen Kesselwurst.

Für den eigenen Nachwuchs ist das elterliche Geschäft hingegen immer seltener interessant. „Viele junge Menschen empfinden eine abhängige Beschäftigung als attraktiver und lukrativer als den Weg in die Selbstständigkeit”, sagt die leitende ZEW-Forscherin Sandra Gottschalk.

Nachwehen aus der Corona-Zeit

Dass die Zahlen – wie die der Insolvenzen – seit Monaten steigen, ist für viele Experten auch eine Corona-Altlast. Nach Schätzungen wurden damals rund 25.000 überwiegend kleinere Unternehmen mit Staatshilfen künstlich am Leben gehalten, die auch ohne Lockdown in Existenznot geraten wären.

Die Folge war, dass in den besonders von der Krise betroffenen Branchen wie der Gastronomie weniger als halb so viele Betriebe Insolvenz anmeldeten, als auf Basis der Vorjahre zu erwarten gewesen wäre. Wirtschaftsforscher Ragnitz hatte schon damals prophezeit, „dass diese Firmen im Nachgang dann doch noch schließen werden, weil ihr Geschäftsmodell nicht trägt“.

Wenn die Pleite vor der Tür stehe, werde es viele stille Heimgänge geben, prophezeit Thomas Schulz von Creditreform. „Um den Makel der Insolvenz zu vermeiden, wird mancher das Ersparte der Familie zusammenkratzen und den Laden oder die Kneipe abschließen.“

SZ

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