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Jeder vierte Firmenchef in Sachsen sucht den Nachfolger in seiner Familie

Der Ingenieur Wolfram Kritzner verrät, wie er sich schrittweise aus seiner Firma zurückzieht. Doch vielen gelingt das nicht, laut Commerzbank-Umfrage sind sächsische Betriebe in Gefahr.
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Man sieht drei Männer vor dem Commerz-Bank-Logo.
Der Wasserwirtschafts-Ingenieur Wolfram Kritzner (Mitte) hat seine Nachfolge gesichert, auch mithilfe der Commerzbank-Direktoren Dirk Wetzig (links) und Heiko Brendel. © SZ/Georg Moeritz

Von Georg Moeritz

Dresden. Wolfram Kritzner ist jetzt 64 und will in drei Jahren aus seiner eigenen Firma ausscheiden. Als Ingenieur mit Doktortitel hat der Chef von 75 Beschäftigten die Übergabe jahrelang und schrittweise vorbereitet. Mal holte er fremde Gesellschafter in sein Ingenieurbüro für Wasser und Boden GmbH (IWB), mal verkaufte er erste Anteile an seine Söhne und einen Mitarbeiter. Für den sächsischen Commerzbank-Direktor Dirk Wetzig ist die Nachfolge-Planung bei Kritzner in Bannewitz ein Vorzeige-Beispiel – aber in vielen anderen Fällen in Sachsen droht Firmen das Aus.

Eine Umfrage der Commerzbank unter Handwerkern, Freiberuflern und anderen Firmenchefs in Sachsen hat ergeben, dass jeder Sechste sein Unternehmen nur noch höchstens fünf Jahre führen will. Viele Firmengründer aus der Zeit nach der Wende kommen ins Rentenalter, sagt Wetzig, der für Unternehmerkunden in Sachsen und Thüringen zuständig ist. Jeder Vierte will wie Kritzner seinen Betrieb innerhalb der Familie übergeben.

An der Umfrage waren zwar nur 100 Unternehmer aus Sachsen beteiligt, aber der Vergleich mit den Ergebnissen aus ganz Deutschland ergibt ein ähnliches Bild. 35 Prozent der Befragten werden ihr Unternehmen laut Umfrage schließen, wenn sie die Nachfolge nicht wie gewünscht regeln können.

Unternehmer-Kinder wollen nicht immer Nachfolger sein

Wetzig spricht angesichts der Daten von „Dramatik“. Schließlich gibt fast jeder zweite der befragten Sachsen an, sich auch wegen eines „veränderten Gesundheitszustands“ mit dem Thema Nachfolgesuche zu beschäftigen. Der Banker rät, mit Weitblick die Weichen zu stellen. Immer weniger Unternehmer finden nach seiner Erfahrung den Nachwuchs in der eigenen Familie. „Kinder gehen mal ins Ausland, schnuppern andere Luft“, sagt Wetzig. Sie merken außerdem, dass die Eltern als Unternehmer nicht nur Freiheit, sondern auch Verantwortung spüren.

Viele Unternehmer legen wenig Geld fürs Alter zurück, sondern hoffen auf den Verkauf ihres Betriebs. Doch manche Geschäftsmodelle sind durch Corona gefährdet worden, sagt Wetzig. Außerdem machen die gestiegenen Zinsen möglichen Käufern die Entscheidung schwerer: „Vor zwei Jahren war das Zinsniveau entspannter“, sagt Wetzig. Zins und Tilgung für einen Kredit zum Firmenkauf müssen schließlich durch die Rentabilität des Unternehmens erwirtschaftet werden.

In Beratungsgesprächen haben Wetzig und sein Dresdner Kollege Heiko Brendel erfahren, wie „hochsensibel“ das Nachfolgethema für viele Unternehmer ist. „Manche sind noch mit Mitte 70 pikiert“, wenn sie darauf angesprochen werden. Andere sagen schon mit Mitte 50, sie hätten alles geregelt. Wetzig verweist darauf, dass die Bank mit ihrem überregionalen Netzwerk helfen könne, Nachfolger zu finden. Steuerberater und Kammern seien außerdem typische Berater.

Ingenieurbüro bietet Mitarbeitern Sport und Massagen

Der Wasserwirtschaftler Kritzner konnte jahrelang nicht damit rechnen, dass seine Söhne in den Betrieb einsteigen würden. Eine Zeitlang wollte der eine Broker werden und der andere zum Fernsehen, erinnert sich der Familienvater. Dass er 27 Jahre lang an sechs Tagen pro Woche arbeitete, habe den Drang zum Unternehmertum womöglich nicht befördert.

Dabei nimmt sich Kritzner durchaus Zeit für seinen Sport, vor allem Volleyball, und ermöglicht auch seinen Mitarbeitern Ballsport, Lauftraining, Gymnastik und Massagen. Er weiß, dass er seinen Fachkräften etwas bieten muss, weil sie sonst in der boomenden Branche rund um Wasserbau und Energiewende abgeworben werden. Zum 30-jährigen Firmenjubiläum lud er nicht nur zur Party auf Schloss Albrechtsberg, sondern zu vier Arbeitstagen Team-Event samt Floßbau nach Potsdam ein.

Kritzners Ingenieurbüro macht dieses Jahr 6,5 Millionen Euro Umsatz und hat auch Standorte in Kundennähe in Leipzig, Stendal und Cottbus. IWB plant mit der Sachsen-Energie die Wasserversorgung für die Dresdner Mikrochip-Industrie – und Ähnliches in Magdeburg für Intel. Wer solche Projekte koordiniert, kümmert sich auch akribisch um seine Nachfolgeregelung. Schon 2017 hat der Chef dafür gesorgt, dass seine Söhne Martin und Georg Anteile von fremden Anteilseignern übernahmen – doch dafür waren Bankkredite nötig, auch die Bürgschaftsbank Sachsen und die KfW trugen dazu bei.

Förderbanken helfen bei Krediten für neue Mitbesitzer

„Wir haben die Fördertöpfe genutzt“, sagt Kritzner, der sich gerne fachlichen Rat holt. Beim Vortrag zeigt er sogar Fotos seines Unternehmensberaters, der Steuerberaterin – und des Personal-Trainers, der ihn manchmal morgens um sechs Uhr in Bewegung bringt. Jahrelang hat er sich regelmäßig mit einer bezahlten Mentorin getroffen, die seine Gedanken zu Papier bringen durfte. Der Firmenchef betont aber auch, dass er sich nicht übernehmen will – und auch nicht seine Mitarbeiter. Früher sei es schon mal zu Überlastungen gekommen, er sei früher auch mal laut geworden. Heute lehne er lieber manche Aufträge ab, nicht alles sei zu schaffen.

Bankdirektor Wetzig weiß, dass nicht alle Branchen eine so starke Auftragslage haben wie Planungsbüros für Wasser und Gas. An seinem Wohnort Chemnitz habe ein etabliertes Restaurant geschlossen, weil Köche fehlten – andere verkürzten die Öffnungszeiten, um ihre Mitarbeiter zu entlasten. „Viele Branchen werden sich verändern“, sagt Wetzig. Der Fachkräftemangel trage dazu bei.

Die Commerzbank-Umfrage hat auch ergeben, dass jedes zweite Unternehmen von Arbeitskräftemangel betroffen ist – in Sachsen wie bundesweit. 83 Prozent der befragten Sachsen kreuzten an, dass sie nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter fänden – und 30 Prozent fällt es schwer, Fachkräfte im Unternehmen zu halten. Etwa jeder zweite Betrieb versucht laut Umfrage, mit attraktiver Vergütung dagegenzusteuern, mit flexiblen Arbeitsmodellen und zusätzlichen Leistungen. Die sächsischen Befragten kreuzten diese Punkte etwas häufiger an als der deutsche Durchschnitt. 43 Prozent halten den Fachkräftemangel für bedrohlich für den Fortbestand ihres Unternehmens.

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