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Jenoptik-Chef über Spitzenjobs für Ostdeutsche: „In der Wirtschaft noch viel Luft nach oben“

Jenoptik-Vorstand Stefan Traeger fordert zum Auftakt des Ostdeutschen Wirtschaftsforums eine Zukunftsstrategie für die Schlüsselindustrie. In der Debatte um Führungspositionen hat er seine Meinung geändert.

Lesedauer: 5 Minuten

Man sieht Dr. Stefan Traeger.
Dr. Stefan Traeger ist 1967 in Jena geboren und aufgewachsen. Seit Mai 2017 ist er Vorstandschef der Jenoptik AG. Zum Auftakt des Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow am Sonntag will Traeger in einem Vortrag Impulse für mehr Wirtschaftswachstum geben. Foto: Veit Hengst


Nora Miethke

Am Sonntag beginnt in Bad Saarow (Brandenburg) das Ostdeutsche Wirtschaftsforum (OWF). Wir sprachen vorab mit dem Jenoptik-Vorstandschef Stefan Traeger über seine Erwartungen an die Branche und eigene Positionen.

Dr. Traeger, Sie wollen zum Auftakt des Ostdeutschen Wirtschaftsforums Impulse für mehr Wachstum geben. Was werden Sie fordern?

Deutschland steht im Moment vor vielen Herausforderungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine der größten Volkswirtschaften der Welt und haben noch immer großes Potenzial, das gehoben werden kann. Dafür braucht es einen Fokus auf Innovation und Schlüsseltechnologien. Und vier Dinge, die in letzter Zeit nicht immer gelebt wurden: Geschwindigkeit, Offenheit, Mut und Zuversicht.

Was braucht der ostdeutsche Wirtschaftsstandort stärker als der westdeutsche?

Auch wenn ich das persönlich viele Jahre gar nicht so stark gesehen habe, gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Aber auch der Osten ist ganz unterschiedlich zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, zwischen Thüringen und Brandenburg. Es gibt da kein Patentrezept. Wir müssen genauer hinschauen und unsere Stärken besser nach vorn bringen. Wir reden immer über die Nachteile, die es hier gibt. Die politischen Unsicherheiten sind größer, die Koalitionen in den Landesregierungen fragiler als in westdeutschen Bundesländern, und auch die Gefahr des Einflusses extremer Kräfte ist größer. Das muss man anerkennen und damit umgehen. Aber wir haben auch einige echte Standortvorteile.

Welche sind das?

Vor allem haben wir eine noch immer sehr motivierte Belegschaft. Wir haben Leute, die hier zu Hause sind und die für Industrie ein stückweit brennen. Investitionen lassen sich vielleicht auch etwas schneller umsetzen. Wir hatten Genehmigungsprozesse, die schneller waren als im Rest der Republik. Das gilt auch für Thüringen. Und ganz wichtig: Wir Ostdeutschen bringen diese Transformationserfahrung mit, auch wenn sie momentan mit einer gewissen Transformationsmüdigkeit einhergeht. Aber wir wissen einfach, dass Veränderungen zum Leben dazu gehören.

Schnelle Genehmigungen für Dresdner Jenoptik-Fab

Deutschland muss bei Investitionen schneller werden. Die neue Jenoptik-Fab in Dresden wurde im Zeitplan realisiert. Was zeigt das?

Die Betreuung durch die Ämter war wirklich hervorragend. Genehmigungsprozesse liefen schnell. Es geht also offensichtlich. Manchmal ist nicht der gesetzliche Rahmen das Problem, sondern der gute Wille der einzelnen Beteiligten. Er muss wieder besser angestachelt werden. Das treibt mich um: Wir sind zu langsam und müssen wieder schneller werden, nicht nur bei der Bahn, sondern insgesamt.

Jenoptik hat die Fab ohne große Förderung des Bundes finanziert. Die europäischen Chipgesetze (EU-Chips-Act) sollen reformiert werden. Was erhoffen Sie sich für ihr Unternehmen?

Deutschland braucht eine Zukunftsstrategie für seine Schlüsselindustrien. Und das sind neben der Automobilindustrie auch die Medizintechnik oder der Maschinenbau mit der Halbleiterausrüstung als Zugpferd. Wir wollen gut bezahlte Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Das sind die Grundlagen, die Demokratien so erfolgreich gemacht haben. Deshalb müssen wir immer wieder innovativ sein, denn nur so können wir uns den hohen Lebensstandard leisten. Es ist gut, wenn die Politik hilft, Chipfabriken zu ermöglichen. Noch viel wichtiger ist es jedoch, dass wir in Forschung und Entwicklung investieren – auch in schweren Zeiten. Wir müssen auch bei Jenoptik den Gürtel enger schnallen. Aber wo wir nicht dran knabbern werden, sind Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Wenn es gelingen würde, Förderprogramme über den EU-Chips-Act 2.0 noch stärker in Richtung Innovation auszurichten, dann würde uns das allen helfen.

Den Gürtel enger schnallen, ist das die Folge der US-Zollpolitik?

Natürlich beeinflusst uns das. Investitionen in unserer Industrie brauchen Zeit. Man muss an das langfristige Modell glauben. Das tun wir. Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz treiben die Halbleiterindustrie. Nach dem in der Corona-Pandemie alle Welt nach Chipfabriken gerufen hat, ausgelöst durch die Lieferengpässe, ist jetzt eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Die Nachfrage nach Halbleiterfabriken und damit nach Maschinen und für die Optiken, die in diesen Maschinen stecken, ist derzeit verhalten. Wir haben in Deutschland erprobte Mittel wie etwa Kurzarbeit, die uns erlauben, solche konjunkturellen Schwankungen auszugleichen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das eine temporäre Delle ist. Bei Investitionen wie in unsere Hightech-Fab darf man sich davon nicht nervös machen lassen. Man muss investieren und dranbleiben. Nur dann wird man langfristig in diesem Geschäft Erfolg haben.

„Trennung von Rüstungszulieferer war richtig“

Heißt das auch, in Lieferketten für die Verteidigungsindustrie zu investieren? Die Nachfrage nach Mikrochips für militärische Lösungen wird steigen. Wird Jenoptik davon profitieren?

Es ist drei Jahre her, dass wir uns von der Sparte Vincorion getrennt haben, nicht aus politischen, sondern aus strategischen Gründen. Wir wollten uns auf das konzentrieren, was wir gut können, und das ist Optik und Photonik. Vincorion hat mechatronische Produkte für die Verteidigungsindustrie produziert. Ich werde häufiger gefragt, ob ich den Verkauf bereue. Nein, es war damals die richtige Entscheidung und wäre auch heute wieder die richtige Entscheidung.

Heute geht es um Hightech-Rüstungsprodukte, die Mikrochips benötigen?

Wir haben, Stand heute, nicht vor, uns anders aufzustellen als bisher. Jenoptik liefert Hochtechnologie in den vier Standbeinen Medizintechnik, Halbleiterausrüstung, Messtechnik und Verkehrstechnik. Wenn aus diesen Bereichen heraus eine verstärkte Nachfrage auch aus Verteidigungshaushalten kommt, dann ist das so. Und dann ist das gut für uns. Aber wir werden uns nicht nach politisch wehenden Winden richten, sondern danach, was für uns als Firma richtig ist und das ist die Fokussierung auf unsere Kernkompetenzen.

Ihre Nachbarn am Standort Dresden sind Bosch, Infineon, Globalfoundries und bald auch TSMC. Womit können Sie als Arbeitgeber punkten im Silicon Saxony?

Vielleicht genau damit, dass wir nicht ganz so groß und daher agiler sind. Wir bieten attraktive, tarifgebundene Arbeitsplätze, auch das ist wichtig. Und – wir sind hier zu Hause. Dresden liegt nicht in Thüringen und Jena nicht in Sachsen, aber die Nähe zwischen Sachsen und Thüringen ist nicht zu leugnen. Wir fühlen uns hier schon sehr zu Hause und wir werden hier auch so gesehen. Der mitteldeutsche Raum gehört sehr eng zusammen. Wir sind eine Firma von hier.

Mehr junge Ostdeutsche sollen in Führungspositionen

Der aktuelle Elitenmonitor der Uni Leipzig zeigt, nur langsam gelangen Ostdeutsche in Spitzenjobs. Sie setzen sich persönlich dafür ein. Warum?

Auch bei der Debatte um mehr Ostdeutsche in Führungsjobs habe ich meine Meinung geändert. Das Thema ist für mich sehr viel wichtiger geworden. Wenn sich große Teile unserer Gesellschaft – und sei es nur gefühlt – nicht mehr beteiligt fühlen, dann ist das in einer demokratischen Struktur schlecht. Deshalb müssen wir es schaffen, mehr junge Leute mit ostdeutschem Hintergrund deutschlandweit in Führungspositionen zu bringen. Da hat sich in der politischen Szene über die Jahre hinweg viel getan. Politiker werden oft lokal gewählt, da ist es einfacher. In der Wirtschaft ist das noch lange nicht der Fall. Da ist noch viel, viel Luft nach oben.

Und wie sieht es bei Jenoptik aus?

Wenn wir gleich gute Bewerbungen haben, dann schauen wir schon darauf, die Bewerber aus der Region zu nehmen. Aber zuerst müssen sie die richtige Persönlichkeit mitbringen, dann kommt es auf die Qualifikation an und drittens den Willen zur Führung, zur Macht. Da hakt es bei uns Ostdeutschen noch etwas.

Zeigen jüngere Ostdeutsche mehr Machtwillen?

Ich glaube schon. Warum sollte jemand, der in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg geboren wurde, per se anders sein als jemand, der aus dem Saarland oder Hessen kommt. Nein, das hat mit der Sozialisation zu tun, mit gemachten und gelebten Erfahrungen vor und nach der Wende. Ich gehe davon aus, dass sich das bei der jüngeren Generation geändert hat. Aber ganz von allein wird es nicht herauswachsen. Deshalb ist es eine Verpflichtung für mich, Türen aufzumachen. Durchgehen müssen die jungen Leute selbst.

SZ

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