Meißen. „Bei uns ist es laut, dreckig und schweißtreibend“, sagt Kay Böhme zur Begrüßung lachend. Das Lauteste ist an diesem Tag das Radio in der großen Werkhalle. Zwei Kollegen arbeiten an einem Metallgestell, die restliche Belegschaft ist verteilt auf drei Großbaustellen, unter anderem im sächsischen Plauen.
Das Stahlbauunternehmen fertigt große Brückenteile für Autobahnen oder Eisenbahntrassen. Kay Böhme arbeitet seit 35 Jahren in der Meißner Firma und hat schon viele Lehrlinge begleitet. „50, 60 waren es über die Jahre bestimmt“, so Böhme. Zurzeit lernen fünf Auszubildende im Betrieb.
Wettbewerb um die klugen Köpfe
„Das Unternehmen bietet den jungen Menschen gute berufliche Perspektiven und vermittelt ihnen mit hohem Engagement das nötige Rüstzeug“, sagt Thomas Stamm. Der Geschäftsführer der Riesaer Arbeitsagentur war deshalb nach Meißen gekommen und hatte das Ausbildungszertifikat der Bundesagentur für Arbeit im Gepäck.
Eine Auszeichnung, die die Behörde zweimal jährlich an jene Unternehmen vergibt, die sich besonders in der Nachwuchsförderung engagieren. Und das tut man hier beim Stahlbau seit vielen Jahren, auch um die ausgelernten Lehrlinge an das Unternehmen zu binden.

Quelle: Claudia Hübschmann
Nachwuchs zu finden, sei heute viel schwerer als vor zehn, 15 Jahren, sagt Kay Böhme. Damals habe er drei, vier Wochenenden benötigt, um die Bewerbungen für unsere Lehrstellen zu sichten, da kamen 30, 40 Bewerber auf eine Stelle, heute sind es drei oder vier, erzählt er.
Und auch das nur, weil das Unternehmen aktiv mit den Schulen in der Region kooperiert und Praktikumsplätze anbietet. „Wir müssen heute deutlich mehr tun, um das Interesse der jungen Leute zu wecken“, so Böhme. Es gibt einen Instagram-Kanal, den Sebastian Fiedler betreut, der sich speziell um die Lehrlinge im Unternehmen kümmert. „Wir müssen die Jugendlichen auf den Kanälen versuchen zu erreichen, auf denen sie unterwegs sind“, so Fiedler.
Wir haben hier Vorstellungsgespräche, schreiben die Kandidaten an, telefonieren ihnen hinterher und hören nie wieder etwas von ihnen. – Kay Böhme, Unternehmer
Dass der Wettbewerb um die Köpfe bereits läuft, bestätigt der Chef der Riesaer Arbeitsagentur. „Jugendliche haben derzeit besonders gute Chancen beim Start ins Berufsleben“, so Thomas Stamm. 1027 gemeldeten Bewerbern standen Ende März noch 1336 offene Ausbildungsstellen gegenüber. Und die angebotenen Stellen und die Interessen der Bewerber passen manchmal sogar gut zusammen.
So führen der Beruf der Verkäuferin und des Einzelhandelskaufmanns nicht nur die Liste der Bewerber an, sondern auch die Liste der freien Ausbildungsplätze. Auf Platz drei der Wunschberufe steht Lagerist, gefolgt von Mechatroniker und deutlich weiter hinten die Berufe des Kochs, Tischlers oder Frisörs. Die Unternehmen haben dagegen Lehrstellen als Zerspanungs- oder Industriemechaniker zu bieten.
Ausbilder, aber auch Sozialarbeiter
Die Arbeitsagentur lässt sich einiges einfallen, um Firmen und Schulabgänger zusammenzubringen. Doch leichter sei das in den vergangenen Jahren nicht geworden, sagt Thomas Stamm und Unternehmer Böhme nickt. Die Verlässlichkeit habe gelitten. „Wir haben hier Vorstellungsgespräche, schreiben die Kandidaten an, telefonieren ihnen hinterher und hören nie wieder etwas von ihnen“, erzählt er.
Und manchmal sind es ganz praktische Hürden, die es zu überwinden gilt, etwa die Distanz zwischen dem Wohnort und der Firma. Ein Lehrling wohnt im Käbschütztal. Damit er jeden Morgen in Meißen ist, hat die Firma einen Elektroroller angeschafft. Anderen Lehrlingen bezahlt das Unternehmen die Führerscheinausbildung, damit sie in die Firma und auf die Baustellen kommen.
Zur Berufsschule bis Bautzen pendeln
Früher sei die Lehrausbildung in Dresden oder Meißen durchgeführt worden, heute müssten die jungen Leute bis nach Riesa oder Bautzen. „Auch das ist für viele Bewerber ein Hindernis, denn viele unserer Azubis kommen von Haupt- oder Oberschulen, sind also bei Lehrbeginn nicht einmal volljährig“, so der Prokurist.
Und er ergänzt, dass es während der dreieinhalb Jahre Lehre längst nicht mehr nur darum gehe, Fachwissen im Bereich des Stahlbaus zu vermitteln. „Wir sind auch immer öfter ein Stück Sozialarbeiter für die jungen Leute, Kummerkasten und Ratgeber“, erklärt der stellvertretende Firmenchef.
Er hat gemeinsam mit anderen Unternehmern im Gewerbegebiet von Meißen eine Idee entwickelt. Man plane einen Tag der offenen Firmen in Zaschendorf, wo sich ganze Schulklassen in den Unternehmen umsehen können. „Wir brauchen die jungen Leute hier aus der Region und wir wollen ihnen zeigen, dass es hier attraktive Jobs gibt“, so Böhme. Noch gibt es keinen konkreten Termin, aber den festen Vorsatz.
Zum Abschluss des Besuchs hat der Arbeitsamtsdirektor noch eine Frage, nämlich die nach dem Segeltörn mit den Lehrlingen. Ja, den habe es 2024 gegeben, auf der Ostsee. Geschäftsführer Matthias Graf, selbst passionierter Segel, hat die jungen Leute für eine Woche mit auf das Boot genommen. Das werde nicht jedes Jahr passieren, aber es sei eine tolle persönliche Erfahrung gewesen und habe das Gemeinschaftsgefühl gestärkt.
SZ