Lichtenstein/Sa. In der Debatte um Volkswagen erhöht die sächsische Landesregierung den Druck auf den Autohersteller. „VW ist in der Pflicht“, sagte Ministerpräsident Michel Kretschmer (CDU) am Dienstag in Lichtenstein (Landkreis Zwickau). Der Regierungschef verwies auf Vereinbarungen mit dem VW-Konzern. Dazu gehört, für eine Produktionsauslastung an den Standorten zu sorgen.
An der auswärtigen Kabinettsitzung hatten zuvor zwei Chefs von Volkswagen Sachsen teilgenommen: Danny Auerswald (Sprecher der Geschäftsführung) und Professor Thomas Edig (Geschäftsführer Personal und Organisation). Beide wollten sich nach den vertraulichen Gesprächen nicht öffentlich äußern.
VW-Sprecher sieht Automobil-Konzern in ernster Lage
Ein Unternehmenssprecher bezeichnete die Lage von VW als „ernst“. Deswegen seien die Einschnitte und die Bemühungen, die Produktivität im Standort Deutschland zu verbessern, „gravierend und maximal ernst zu nehmen“. Zugleich betonte der VW-Sprecher, dass eine Entscheidung über die sächsischen Standorte noch nicht gefallen sei.
„Wir müssen eine Lösung finden, damit Sachsen Autoland bleibt“, forderte Kretschmer im Nachgang des Treffens. Er sieht die Rettung der sächsischen VW-Werke als „nationale Aufgabe“ an. „Hier ist die Wiege der Automobilindustrie in Deutschland. Die Menschen haben sich auf das Abenteuer E-Mobilität eingelassen“, sagte der Ministerpräsident – und dürften jetzt nicht allein gelassen werden.
Wir müssen eine Lösung finden, damit Sachsen Autoland bleibt. – Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen
Rund 100.000 Beschäftigte sind in Sachsen betroffen
Auch Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) machte in Lichtenstein klar, dass der Freistaat um die sächsischen VW-Werke kämpft: „Wir werden uns in keinerlei Schicksal ergeben.“ So sei beispielsweise der Zwickauer Standort „sehr effizient“ und das Chemnitzer Motorenwerk hochproduktiv – diese Punkte könne die Konzernführung nicht außer Acht lassen. Laut Panter sind in Sachsen rund 100.000 Beschäftigte direkt oder indirekt – etwa bei Zulieferern – von der VW-Standortentscheidung betroffen.
Darüber hinaus erwartet die Landesregierung, dass auch die Bundesregierung den Erhalt der VW-Standorte stärker unterstützt. Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) nannte unter anderem einen niedrigeren Ladestrompreis, eine Steuerbefreiung für E-Autos sowie ein sogenanntes Social Leasing als Möglichkeiten. Bei Letzterem handelt es sich um ein staatlich gefördertes Programm, damit sich auch Geringverdienende Elektroautos leisten können.
Landesregierung fordert späteres Verbrenner-Aus
Kretschmer und Panter forderten zudem ein späteres Verbrenner-Aus. Derzeit ist vorgesehen, dass ab 2035 nur noch Neuwagen innerhalb der Europäischen Union zugelassen werden dürfen, die keine Kohlendioxid-Emissionen oder andere Treibhausgase verursachen. Praktisch bedeutet das ein Verbot für Neuwagen, die mit Benzin oder Diesel angetrieben werden.
„Es muss ein Realitätscheck erfolgen. Bei dem Entwicklungsstand, den wir gerade haben, ist die Umsetzung der Vorgabe schwer machbar. Wir brauchen mehr Luft“, stellte Panter klar. Um wie viele Jahre das Verbrenner-Aus geschoben werden soll, müsse sich noch zeigen.

Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
VW-Werke in Sachsen sollen Modelle abgeben
Hintergrund der Diskussionen ist das VW-Sparprogramm. Demnach sollen die in Zwickau hergestellten VW-Modelle ID.3, ID.4, ID.5 und der Cupra Born bis Ende 2026 nach Wolfsburg und Emden wechseln. Die Audi-Modelle Q4 e-tron und dessen Kombi-Variante könnten ab 2027 die einzigen Modelle sein, die noch in Zwickau gebaut werden. Bei Experten herrscht die Skepsis, dass allein die Fertigung der Audi-Modelle für eine Auslastung der Bänder ausreichen wird.
In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der ID.3 und auch der Cupra möglicherweise länger in Sachsen gebaut werden. Das hängt aber lediglich damit zusammen, dass sich Produktionsanläufe anderer VW-Modelle im Stammwerk Wolfsburg verschieben.
SZ