Auf den sächsischen Weinmarkt drängt jetzt erstmals ein Unternehmen, welches seine Wurzeln und möglicherweise bald auch seine Zentrale nicht im hiesigen Anbaugebiet hat.
Das geht aus den Antworten hervor, welche das für die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut tätige Pressebüro Lies aus Halle jetzt auf Anfrage verschickt hat. Die Genossenschaft bestätigt darin, dieser Zeitung vorliegende Informationen, wonach die Weinbaugesellschaft Meißen einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Winzervereinigung stellen möchte.
Gegründet wurde die Weinbaugesellschaft im Frühling vergangenen Jahres von den beiden Unternehmern Andreas Silbersack und Hans Albrecht Zieger. Ersterer ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Freyburger Genossenschaft, letzterer deren Geschäftsführer. Die insgesamt 40 Hektar des Unternehmens waren zuvor größtenteils von den Weingütern Wackerbarth sowie Proschwitz bewirtschaftet worden, sechs Hektar stammen aus dem Besitz der Familie Zieger.
Als Grund für die geplante Expansion von Sachsen-Anhalt nach Sachsen benennt die Winzervereinigung ambitionierte Wachstumsziele. Dank der allgemein positiven wirtschaftlichen Lage und durch gute Produkte sowie deren erfolgreiche Vermarktung stehe das Unternehmen gut da. 2017 lag der Umsatz bei knapp zehn Millionen Euro. Trotzdem stoße der 400 Hektar umfassende Betrieb an Grenzen. Deshalb sei der Moment gekommen, folgende Fragen zu diskutieren: Wo möchte die Genossenschaft 2030 stehen? Welche Flächenentwicklung ist anzustreben? Wie lässt sich das Traubengeld für die Mitglieder steigern, wie der Marktwert der Weine erhöhen?
Gegenwärtig kann der Traditionsbetrieb mit seinen rund 500 Mitgliedern nach eigenen Angaben bis zu drei Millionen Liter Qualitätswein produzieren, welche auf dem Markt nachgefragt und abgenommen würden. Die Menge zu steigern, funktioniere nur über einen Flächenzuwachs. Dies liegt darin begründet, dass der maximale Ertrag pro Hektar weiterhin aus Qualitätsgründen nicht über 80 Hektoliter pro Hektar liegen sollte. Im angestammten Anbaugebiet rund um Saale und Unstrut beschränkt der Naturschutz die Möglichkeiten zum Aufreben. Zudem geben älter werdende Kleinstwinzer immer häufiger ihre Parzellen auf. "Außerhalb des Anbaugebietes eröffnen sich für die Genossenschaft jedoch große Chancen", so die Winzervereinigung. Das betreffe sowohl die Flächen in anderen Qualitätsanbaugebieten wie in Sachsen, als auch genehmigte Rebflächen im ganzen Bundesgebiet. Brandenburger Weinhänge und -terrassen in einstigen Tagebauen zeigten ein weiteres Potenzial auf und würden ein gutes Beispiel abgeben.
Kontroverse Diskussion Bevor die Weinbaugesellschaft Meißen Mitglied in der Freyburger Genossenschaft werden kann, muss allerdings noch die Satzung der Vereinigung geändert werden. Diese schließt bisher eine Mitgliedschaft von Winzern und Weingütern außerhalb des Anbaugebiets Saale-Unstrut aus. Eine Generalversammlung soll hierüber am 16. Februar entscheiden. Dem Weinjournalisten Wolf-Dietrich Balzereit zufolge wird der Antrag unter den Mitgliedern "sehr kontrovers" diskutiert. Durch eine Aufnahme der Weinbaugesellschaft werde das finanzielle Risiko in Sachsen auf die Schultern aller Mitglieder verteilt, so Balzereit. Bereits im Vorfeld hatte es Vorwürfe gegen Silbersack und Zieger gegeben, diese würden unberechtigt Ressourcen ihrer Genossenschaft in Meißen einsetzen. Im erwähnten Antwortschreiben an die SZ weisen dies die beiden Manager jedoch zurück.
Welche Auswirkungen der Einstieg der Freyburger in den sächsischen Markt haben könnte, ist unterdessen weitgehend unklar. In Winzerkreisen wird über Abwerbeversuche von unzufriedenen Mitgliedern der Winzergenossenschaft Meißen und einen Preiskrieg spekuliert. Die Weinbaugesellschaft Meißen bewirtschaftet keine in aufwendiger Handarbeit zu bearbeitende Steillagen. Da die Struktur bewusst schlank gehalten werden soll, verzichtet sie zudem auf eine Vinothek und möchte den Vertrieb über den Weinhandel abwickeln. All dies spricht für einen deutlichen Preisvorteil gegenüber der sächsischen Konkurrenz.
Von Peter Anderson
Foto: Arno Burgi/dpa