Von Michael Rothe
Wie in jedem Januar grassiert im Möbelhandel eine Epidemie, und der Erreger jener Rabattitis heißt imm cologne. Dann gibt’s selbst das Schnitzel mit Kartoffelsalat zum halben Preis – im Möbelhaus. In Erwartung neuer Trends auf dem größten Branchentreff in Köln und der alle zwei Jahre integrierten Küchenschau Living Kitchen muss in den Läden das Alte raus.
Bis zum Sonntag präsentieren sich in der Domstadt 1 355 Aussteller aus 50 Ländern, darunter auch sieben Hersteller aus Sachsen mit eigenem Stand. Andere kommen bei Müttern aus dem Westen unter, wie das Maja-Möbelwerk Manfred Jarosch in Wittichenau bei seiner oberfränkischen Zentrale. Der Branchenprimus im Freistaat ist einer der größten Ikea-Zulieferer und erwirtschaftet mit rund 800 Mitarbeitern einen dreistelligen Millionenumsatz.
Auch das Möbelwerk Heidenau hält sich mit Bilanzzahlen zurück. 152 Mitarbeiter fertigen in Serie Schlafzimmer als zerlegte Mitnahmemöbel aus folierten Spanplatten. Die Randdresdner punkten am Stand ihres Partners Wimex mit einer zusätzlichen Schrankhöhe von 2,36 Metern. Am Ende der Kölner Schau fiebert Werkleiter Maik Hippel bereits dem nächsten Auftritt in anderthalb Wochen auf der Hausmesse in Bad Salzuflen entgegen. „Obwohl unser Segment stagniert, sind wir gut aufgestellt, der Exportanteil beträgt über ein Drittel“, sagt er. Dennoch stehe vor Umsatz und Ergebnis ein Minus, auch wegen hoher Einkaufs- und Energiepreise.
Die deutsche Möbelindustrie blickt insgesamt auf ein schwieriges Jahr zurück, auch wenn unter’m Strich ein Umsatzplus von einem Prozent auf 18 Milliarden Euro gibt. Wegen stagnierender Nachfrage im Inland werden Exporte, meist in die EU, immer wichtiger, heißt es vom Branchenverband VDM. Ausfuhren legten um 6,1 Prozent zu. Importe, zu einem Viertel aus Polen, waren rückläufig. Namhafte Produzenten wie der Systemeinrichter Wellemöbel in Bad Lippspringe und der Zerlegtmöbel-Spezialist CS Schmalmöbel in Waldmohr gingen pleite.
Laut Thomas Gläser, Chef des regionalen Branchenverbands VHKS, sind keine Insolvenzen oder Schließungen im Freistaat bekannt. Die Lage sei stabil, Umsätze und Beschäftigung würden gegen den Bundestrend zulegen, sagt er, „wenn auch auf verhaltenem Niveau“. Die mittlere Betriebsgröße steige, liege mit 71 Leuten aber unter dem Bundesschnitt von 101. Wegen des Fachkräftemangels wachse der Anteil von Polen und Tschechen in den Belegschaften, bei Maja etwa ist es über ein Viertel. Die Entwicklung der Bereiche unterscheidet sich stark – auch in Sachsens kleiner, aber feiner Branche, die alle Segmente abbildet.
Schwimmbad statt Möbelhaus
„Für unsere Sparte war es ein grottenschlechtes Jahr“, sagt Andreas Käppler, Geschäftsführer der Polstermöbel Oelsa GmbH in Rabenau. „In dem heißen Sommer waren die Leute lieber in Schwimmbad und Biergärten als im Möbelhaus“, so der Chef von 240 Beschäftigten. „Mit rund 30 Millionen Euro Umsatz sind wir auf Vorjahresniveau und mit einem blauen Auge davongekommen.“ PM Oelsa setze auf Innovation und zeige in Köln auch trendige Rattanteile und einen Relaxsessel mit Infrarot-Heizung und Herz-Waage-Funktion, bei dem die Füße höher als der Körper liegen.
Für die Sachsenküchen Hans-Joachim Ebert GmbH ist der eigene Stand in Köln ein Muss. Dort verschmelzen Küche und Wohnen in einem Raum. „Wir inszenieren die Küche als Mittelpunkt des Wohnens“, sagt Geschäftsführer Elko Beeg. Die Dippoldiswalder folgten dem Trend nach offenem Wohnraum. Eines ihrer Messehighlights sei eine Wohnküche mit neuem Regalsystem und Entertainmentteil als Raumteiler.
Das Unternehmen mit 225 Beschäftigten hatte bereits vor Jahren mit höhenverstellbaren Arbeitsplatten für Aufsehen gesorgt. Für die Küchenbauer lief 2018 prächtig. „43,8 Millionen Euro sind Umsatzrekord“, sagt Beeg, auch Vorstandsvorsitzender des sächsischen Herstellerverbands. Sachsenküchen hatte im vergangenen Jahr sieben Millionen Euro in seine kundenspezifische Hightech-Fertigung investiert und produziert pro Tag 700 bis 800 Schränke.
Andere namhafte Adressen aus dem Freistaat bleiben der Messe fern. Die Deutschen Werkstätten Hellerau in Dresden setzen mit Innenausbau von Yachten, Büros, Residenzen Millionen um und finden ihre Abnehmer woanders. Auch der Möbelbau Sayda im Erzgebirge, Ausstatter von Kliniken, Praxen und Reinräumen, fühlt sich anderswo besser aufgehoben. Bei Standmieten um 200 Euro pro Quadratmeter ist die Präsenz auch eine Kostenfrage, von horrenden Hotelpreisen ganz zu schweigen.
Suche nach dem Schulterschluss
Der Büromöbelhersteller Oka in Neugersdorf hat seinen Köln-Auftritt alle zwei Jahre: auf der Orgatech, der Leitmesse für Verwaltungseinrichtungen. Das 160 Jahre alte Unternehmen zieht es dennoch auf die imm, wenn auch als Besucher. „Für uns ist die Schau Ideengeber“, sagt Vertriebschef Mathias Lenaif. Auch Oka hat das Thema „Open Space“ entdeckt. Die Oberlausitzer, mit knapp 200 Mitarbeitern „Ausrüster des hochwertigen Mittelstands“, wollen mit Büromöbeln wohnlicher werden und sich Kanzleien öffnen, sagt Lenaif. „Wir überlegen sogar, auch auf der imm auszustellen“. Mit dem Stehsitztisch „Easy up“ und einer nur vier Zentimeter dicken Akustiktrennwand mit bester Absorption hätten sie Innovatives zu bieten. 2018 sei ein Erfolg gewesen und das Geschäft um knapp fünf Prozent auf 43 Millionen Euro gewachsen.
Für 2019 erwartet die Branche stabile bis leicht steigende Umsätze. Wenn es im Schulterschluss mit dem Handel möglich sei, „Made in Germany“ in den Vordergrund zu stellen, könnten die Deutschen ihre Marktanteile verteidigen, hofft VDM-Chef Jan Kurth. Doch mit dem Schulterschluss ist es nicht weit her. Viele Hersteller leiden unter dem Preisdruck mächtiger Einkaufsverbände wie Begros, VME/Union, Giga. Noch stünden Reisen, Caravan und E-Bikes bei deutschen Verbrauchern höher im Kurs als Möbel, so Kurths Fazit. Auch trage die Rabattschlacht nicht zur Steigerung der Begehrlichkeit nach Möbeln bei.