Irmela Hennig
Görlitz. Spätestens für Frühjahr 2024 war der Baubeginn geplant. Dann sollte auf der Nordseite des Olbersdorfer Sees eine neue Strandpromenade entstehen. Unter anderem mit Steganlage über dem Wasser – eine Millioneninvestition, die die Gemeinderäte von Olbersdorf 2020 beschlossen hatten. Mit Fördermitteln aus einem Bund-Länder-Programm wollte man einen großen Teil des Vorhabens finanzieren. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen gab es im Juni dieses Jahres – da war der Baustart-Frühling 2024 längst Geschichte – die Aussicht auf Geld aus einem anderen Topf. Der Regionale Begleitausschuss Lausitzer Revier in Sachsen (RBA) befürwortete das Projekt mit einem Umfang von über 2,7 Millionen Euro.
Der Ausschuss prüft als erste Instanz Ideen, die helfen sollen, den Kohleausstieg in der Oberlausitz zu gestalten. Die Strandpromenade am Olbersdorfer See, eine ehemalige Kohlegrube, hielt man für geeignet. Doch nun müssen dieses und über 20 weitere vom RBA bewilligte Vorhaben vielleicht noch einmal durch den Check. Mitte November hatten dies die stimmberechtigten und beratenden Ausschussmitglieder, wohl mit nur knapper Mehrheit, beschlossen. Es gehe um Vorhaben, für die noch kein Antrag vorliegt bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB), die final entscheidet. Nur auf solche Projekte habe der Ausschuss Zugriff, informiert eine Sprecherin des Sächsischen Regionalentwicklungsministeriums. Das ist einer von vielen Akteuren im Prozess und überarbeitet derzeit die Richtlinie, nach der das 2020 vom Bund beschlossene Investitionsgesetz Kohleregionen in Sachsen umgesetzt wird.
Auch Spree-Brücke in Bautzen und Energiefabrik in Reichenbach sind wieder offen
Die Förderaussichten für die Olbersdorfer Strandpromenade scheinen also ungewiss – zum wiederholten Mal. Denn mit Verweis auf das Kohlegeld hatte Sachsens Landesdirektion eine Zuwendung aus dem Topf zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) zuvor abgelehnt. Das Vorhaben der Oberlausitzer Gemeinde hat zwar inzwischen grünes Licht vom Bund, der auch zustimmen muss. Doch der entscheidende Antrag bei der Sächsischen Aufbaubank steht eben noch aus.
Nach aktuellem Stand wurden dort bisher 88 kommunale Projekte, wohl inklusive Teilprojekte, eingereicht, 69 davon sind bereits bewilligt. Sie gelten als geschützt. Eng werden könnte es neben der Promenade für Ideen wie den Bau einer Fußgängerbrücke über die Spree in Bautzen oder eine Energiefabrik in Reichenbach bei Görlitz mit einem Wasserstoffspeicher. Nach einer Übersicht liegt für 25 Vorhaben noch kein Förderantrag bei der SAB. Intern geht man wohl davon aus, dass bei vier, fünf Projekten nochmal genauer geschaut wird. Die Kriterien, nach denen die „Wackelkandidaten“ ausgewählt werden, müssen aber erst formuliert werden. Darum sei noch nicht klar, wen es trifft, heißt es von der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung, die Projektträger unterstützt. In Olbersdorf hat der parteilose Bürgermeister Andreas Förster noch keine offiziellen Informationen zum Thema erhalten. Falls es keine Kohlemittel gebe, „dann sollte sich die Staatsregierung dazu entscheiden, fairer- und ehrlicherweise unser Vorhaben doch noch über die Richtlinie GRW Infra zu fördern“, teilt er schriftlich mit.
Nord-Gemeinden bereiten Projektpaket von 600 Millionen Euro vor
Wenig Sorgen mit Blick auf einen Zweitcheck macht sich Hoyerswerdas Bürgermeister Torsten Ruban-Zeh für sein Projekt zur touristischen Entwicklung am Scheibesee für über sieben Millionen Euro. Er sieht das Vorhaben inhaltlich gut aufgestellt im Kontext Strukturwandel. Er vermutet, dass es darum geht, zu schauen, ob schon länger liegende Ideen überhaupt eine Chance haben, wirklich umgesetzt zu werden. In Hinsicht auf die Überarbeitung der Richtlinien wünscht er sich, dass künftig Vorhaben von den Städten und Gemeinden bevorzugt werden, die direkt vom Kohle-Aus betroffen sind.
Um sich diesbezüglich besser aufzustellen, haben sich Kommunen aus dem Norden des Landkreises Görlitz zusammengeschlossen. Sie wollen künftig gemeinsam Vorhaben entwickeln und dafür Förderung beantragen. Von einem Paket im Umfang von 600 Millionen Euro ist die Rede. Die Landkreis-Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz (ENO), die die Kooperation koordiniert, gibt auf Nachfrage an, sich zu Summen nicht äußern zu dürfen. Man befinde sich in einem frühen Stadium.
Grundsätzlich müssen sich Projekte an Kriterien messen lassen. Je nachdem wie gut die berücksichtigt werden, gibt es Punkte – das Scoring. Wie das konkret aussieht, ist geheim. Nach SZ-Kenntnis werden null bis zehn Punkte verteilt. Zumindest für die Projekte, die in den Jahren 2021 und 2022 in der Lausitz bewilligt wurden, lagen die Scorewerte einer Analyse zufolge wohl im Schnitt bei unter fünf. Wobei die höchste Score-Zahl aufgrund von Zielkonflikten kaum erreichbar scheint. Ob eine niedrige Punktzahl unbedingt negativ ist, ist indes fraglich. So war anfangs die Schaffung neuer Arbeitsplätze ein wichtiger Pluspunkt. Doch Prognosen zeigen längst, dass die Kreise Bautzen und Görlitz künftig nicht etwa zu wenige Jobs haben. Vielmehr werden Menschen fehlen, um die zu besetzen.
Kohleausschuss hat schon deutlich mehr Geld verplant
Im Zittauer Gebirge soll mit Kohlegeld der marode Gasthof auf dem Berg Oybin mit der berühmten Burg- und Klosterruine saniert und ein Personenaufzug hoch zur Anlage geschaffen werden. Doch das Vorhaben ist eines der beiden, die verschoben wurden; bei der SAB liegt dafür also kein Antrag vor. Bürgermeister Tobias Steiner ist dennoch zuversichtlich. Die Herausforderung sieht er in der Baugenehmigung, nicht im Förderprogramm.
Auch die Energie- und Wasserversorgungs AG in Kamenz hat noch nicht alle vom RBA unterstützten Förderanträge bei der Aufbaubank eingereicht. Doch da es bei ihren Vorhaben um die Sicherung der Trinkwasserversorgung geht, rechnet man beim Unternehmen nicht mit Schwierigkeiten. Etwas weniger entspannt scheint man in Bautzen mit Blick auf die Spreebrücke. Bisher habe die Stadt keine Information über eine mögliche erneute Prüfung bekommen. Sollte die Förderung gestrichen werden, „müsste die Stadt vollständig alle Kosten tragen oder das Projekt einstellen“, schreibt ein Sprecher.
Dass es zur Prüfung kommen soll, hat damit zu tun, dass dem Ausschuss das Geld ausgeht. Das hatte der aktuelle Vorsitzende, der Görlitzer Landrat Stephan Meyer, kürzlich angedeutet. Dem RBA standen anfangs 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Davon sind 1,4 Milliarden Euro inzwischen gebunden. 800 Millionen Euro davon hat die Sächsische Aufbaubank bereits bewilligt oder ausgezahlt. Dieses Geld ist weg.
Der Ausschuss hat schon deutlich mehr Mittel „verplant“, als für die erste von drei Förderperioden zur Verfügung steht. Zunächst schien das ratsam, weil der Bund als Finanzier anfangs starre Fristen fürs Geldausgeben gesetzt hatte. Deswegen bewilligte der Ausschuss auf Vorrat, um Nachrücker zu haben, falls ein Projekt nicht zustande kommt. Inzwischen hat der Bund den Kommunen je Förderperiode drei Jahre mehr Zeit eingeräumt. Ein wenig Druck ist damit raus.Im Gegenzug gibt es immer wieder Forderungen, Vorhaben mit den Lausitz-Mitteln zu finanzieren, die eigentlich Bund oder Land stemmen müssten – die Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz-Dresden beispielsweise. Auch das Bauforschungszentrum LAB soll 450 Millionen Euro aus dem Kohletopf erhalten. Dass man mit der neuen Prüfung nun versuchen könnte, dafür Geld freizumachen, hat bisher aber niemand eingeräumt.
Insgesamt herrscht wenig Offenheit, was das aktuelle Vorgehen anbelangt. Kritik wegen mangelhafter Transparenz im Ausschuss gab es in den vergangenen vier Jahren immer wieder. Zumindest da soll es nun wohl Veränderungen geben. Das schreibt Hagen Domaschke, der bislang beratend für die Interessengruppe (IG) „Umwelt und Naturschutz“ im Begleitausschuss saß. Er informiert, dass Vorhaben künftig öffentlich vorgestellt werden, ehe darüber entschieden wird. Die RBA-Sitzungen selbst bleiben aber wohl geheime Veranstaltungen.