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Kriegsfolgen und Preisverfall: So geht es Sachsens Bauern in der neuen Ernte

Zum Erntestart in Sachsen ist die Gerste schon gedroschen. Wie es Sachsens Landwirten jetzt geht, und was Bauernpräsident Torsten Krawczyk wünscht und androht.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk
Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk musste die Ernte auf einem Gerstefeld eröffnen, das schon abgeerntet war. © dpa/Robert Michael

Von Georg Moeritz

Prausitz. Sachsens Erntekönigin Luisa Lüpfert hat die festen Schuhe im Auto gelassen. Sie hätte nicht gedacht, an diesem Freitag noch mal für ein Foto aufs Feld zu kommen. Doch da ist unerwartet viel Platz für ein Gruppenbild vor dem Mähdrescher: Das Gerstefeld der Genossenschaft Milchcenter „Dorfheimat“ Prausitz bei Riesa ist schon abgeerntet, obwohl doch gerade dort der offizielle Erntestart mit Bauernpräsident und Staatssekretärin stattfinden sollte.

Am Rand des Stoppelfeldes erinnert die Vorstandschefin des Agrarbetriebs mit rund 60 Beschäftigten, Sibylle Schmidt, an das Hagelgewitter von voriger Woche, das in der Nähe Getreide und Raps geschädigt hat. Da wollten die Prausitzer ihr Korn lieber nicht länger stehenlassen.

Ernteaussichten: Im Moment Durchschnitt in Sicht

Die Vegetation beginne immer zeitiger und ende später, sagt Benjamin Dubiel aus der Geschäftsleitung des Prausitzer Großbetriebs mit 1.500 Hektar Land und 1.500 Milchkühen. Also habe auch die Ernte zwei Wochen früher begonnen als in bisherigen Durchschnittsjahren.

Blick von der Drohne auf den Mähdrescher: Die Gerste ist zum Teil schon eingefahren, auf dem Bild wird Raps bei Riesa geerntet.
© dpa/Robert Michael

Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk ist hin- und hergerissen, als er eine Prognose für die Ernte abgeben will: „Wir freuen uns auf die Ernte“, sagt er erst mal. Das sei immer ein Glücksmoment für Landwirte. Doch dann zählt er Sorgen auf und räumt auch gleich ein, dass seine Kollegen das von ihm erwarten. „Wir stehen vor Herausforderungen, nicht vor Katastrophen“, sagt Krawczyk. Er rechne mit einer durchschnittlichen Ernte. „Wir Sachsen sind schon zufrieden, wenn alles durchschnittlich wird.“

Schäden: Frost hat Obst getroffen, teils auch Gerste

Die sächsischen Landwirte waren optimistisch ins Frühjahr gegangen, weil die Böden sich in diesem Winter mit Wasser vollsaugen konnten. Es blieb mild, zeitweise waren die Pflanzen drei Wochen weiter entwickelt als ein Jahr zuvor. Allerdings führten die Spätfröste zu Schäden, die laut Krawczyk noch unkalkulierbar sind. Obst- und Weinbauern habe es „sehr hart erwischt“. Die Gerste könnte ziemlich gelitten haben, einige Landwirte fänden vermehrt taube Ähren. Der Weizen werde die Schwankungen recht gut weggesteckt haben.

„Der Raps blufft“, sagte Krawczyk über die Ölfrucht, die in den vergangene Jahren in Sachsens Landwirtschaft an Bedeutung gewonnen hat. Am Ende sei die Druschsaison „ein nicht beeinflussbares Glücksspiel“, sagte der Bauernpräsident. Innerhalb Sachsens blieben die Unterschiede groß: Das dürregeplagte Nordsachsen könne etwas aufatmen, in den Höhen des Erzgebirges könnten die Niederschläge und niedrigen Temperaturen zu einer geringeren Ernte führen.

Preise: Nach Rekorden starker Rückgang

Größere Sorgen als das Wetter bereiten den sächsischen Landwirten die Marktpreise – laut Krawczyk sind sie in den vergangenen Wochen gefallen, eine Stabilisierung sei nicht in Sicht. „Teils ruinöse Preise“ würden für Getreide angeboten, sagte der Bauernpräsident. Ein Grund: Viele Lager seien noch voll mit Korn vom vorigen Jahr. Das sei auch eine Folge des Ukraine-Krieges: „Lebensmittel sind zum Kriegsobjekt geworden.“

Mit Beginn des Krieges seien viele Preise zunächst gestiegen, jetzt seien sie teils wieder auf dem Niveau von vor zehn Jahren. „Der Markt in Sachsen scheint gesättigt zu sein“, sagte Krawczyk. Weiter westlich werde oft etwas mehr bezahlt, weil es dort auch mehr Verarbeitungsbetriebe gebe.

Agrarbericht: Sachsens Landwirtschaft insgesamt stabil

Staatssekretärin Gisela Reetz aus dem sächsischen Landwirtschaftsministerium legte den jüngsten Agrarbericht in Zahlen vor und sagte, die Branche sei in Sachsen „weitgehend stabil“. Etwa 6.500 Landwirtschaftsbetriebe gebe es im Freistaat, wie vor einigen Jahren.

Ernteauftakt: von links Sibylle Schmidt, Vorstandsvorsitzende Milchcenter „Dorfheimat“ Prausitz eG; Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk, Staatssekretärin Gisela Reetz; Erntekönigin Luisa Lüpfert.
© SZ/Georg Moeritz

Im jüngsten abgerechneten Wirtschaftsjahr 2022/23 habe sich die Lage vieler Betriebe deutlich verbessert, weil vor allem für Milch, Getreide und Raps mehr bezahlt wurde. „Aber das Jahr war eine Ausnahme“, sagte Reetz und stimmte dem Bauernpräsidenten zu, dass die Preise wieder gesunken seien, die Kosten aber auf höherem Niveau blieben – auch für Pacht und Personal. Es gebe „großen wirtschaftlichen Druck“. Laut Agrarbericht sind Subventionen weiterhin ein bedeutender Anteil der Erträge in der Landwirtschaft.

Reformen: Neue Ökoregelungen, neue Diskussionen

Die Staatssekretärin sagte, dass die Landwirte auch wegen der Klimakrise vor „riesigen Aufgaben“ stünden. Mehr Nachhaltigkeit sei nötig, „daran arbeiten wir“. Neue Ökoregelungen seien eingeführt worden, mit mehr Möglichkeiten zur Biodiversität und für Dauergrünland für Milchviehbetriebe. Auf die Frage nach den Auswirkungen auf den Prausitzer Betrieb sagte Benjamin Dubiel, die neuen Ökoregeln passten nicht zum Bedarf des Unternehmens. Futter mit hoher Qualität werde benötigt. „Falls wir zehn Prozent Grünland stehenlassen müssen, wird das Futter alt“, sagte er.

Krawczyk sagte, große Milchproduktionsbetriebe könnten von den Änderungen wohl nicht profitieren. Der Wunsch nach mehr Ökologisierung und die Hoffnung auf neue Förderprogramme seien verständlich, aber dort werde wohl „eine große Baustelle bleiben“. Eine absolute Kehrtwende gebe es nicht. Reetz sagte dagegen, die Ökoregeln würden „gut ausgeschöpft“, die Prämien seien vergleichsweise hoch.

Forderungen: Bauern wollen mehr Sicherheit

Sowohl der Bauernpräsident als auch die Staatssekretärin sprachen sich für eine Risikoausgleichsrücklage aus. Damit ist eine Steuerbefreiung für einen Teil der Gewinne aus guten Jahren gemeint, damit Geld für schlechte Jahre zurückgelegt werden kann. Reetz sagte, die Betriebe müssten sich trotzdem auf das veränderte Klima einstellen, sich um Wasserrückhalt und Erosionsschutz kümmern. Krawczyk forderte zudem eine Mehrgefahrenversicherung.

Treckerdemos: Krawczyk rechnet mit neuen Protesten

Krawczyk ist am Mittwoch zum Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes gewählt worden. Er soll dort auch „eine Stimme des Ostens sein“, wie die sächsische Hauptgeschäftsführerin Diana Henke sagte. Krawczyk sagte, zum Teil gebe es im Westen noch eine „Neiddiskussion“ wegen der Großbetriebe im Osten. Er werde sich für die Akzeptanz dieser Betriebsstrukturen einsetzen. Das angekündigte Entlastungspaket der Bundesregierung für die Landwirte sei höchstens ein „Päckchen“ – und für Großbetriebe im Osten „nur eine Grußkarte“. Bei den geplanten Steuer-Erleichterungen seien sie „vergessen und beschissen“ worden. Wenn nicht noch ein ernsthaftes Entlastungspaket komme, würden Bauern wohl im Winter wieder auf die Straße gehen. Jetzt müssten sie erst ernten.

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