Andrea Schawe und Susanne Sodan
Görlitz. Die Görlitzer Verkehrsbetriebe lassen sich erst mal nicht schrecken. „Wir fahren planmäßig“, sagt Ulf Klimke, Sprecher der GVB. Das gilt auch für den A-Bus, der grenzüberschreitend zwischen Görlitz und der polnischen Schwesterstadt Zgorzelec fährt.
In Grenzstädten wie Zgorzelec sorgen die Grenzkontrollen für lange Staus, besonders nach Feiertagen. Wegen einer unglücklichen Verkehrsführung hinter der Stadtbrücke in Zgorzelec kommt es auch zu Behinderungen in Richtung Görlitz, also bei der Einreise nach Polen. Das kennen inzwischen Fahrgäste des A-Busses.
Einschränkungen für Pendler
Trotzdem, seitdem es die grenzüberschreitende Line gibt, „steigen die Fahrgastzahlen kontinuierlich“, sagt Ulf Klimke. Die Linie solle auf jeden Fall weiterfahren, auch wenn jetzt noch Kontrollen bei der Einreise nach Zgorzelec dazukommen sollten.
Polens Regierungschef Donald Tusk hatte am Dienstag mitgeteilt, dass er Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einführt. Es ist eine Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen, die es seit Oktober 2023 gibt. Seither gibt es auch Zurückweisungen von Flüchtlingen nach Polen. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die deutschen Grenzkontrollen verschärft und angewiesen, dass auch Asylbewerber zurückgewiesen werden sollen.
Sachsens Wirtschaftsminister „besorgt“
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) macht sich wegen der von polnischer Seite angekündigten Grenzkontrollen „große Sorgen“. „Für die vielen Pendlerinnen und Pendler sowie die grenzüberschreitend tätigen Unternehmen ist das – nach den bereits laufenden Kontrollen auf deutscher Seite – eine weitere große Belastung“, teilte er mit. Sachsen lebe von einem offenen Europa, vom unkomplizierten Handel über die Grenze hinweg und von einem funktionierenden Alltag in den Grenzregionen.
Der grenzüberschreitende Verkehr sei keine Nebensache, sondern für die Menschen und die Wirtschaft in der Region existenziell. „Lange Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörter Warenverkehr schaden am Ende allen Beteiligten“, so Panter.
Er forderte Dobrindt „eindringlich“ auf, sich umgehend um eine tragfähige Lösung auf beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze zu bemühen. „Die Bundesregierung muss schnell das Gespräch mit Polen suchen und gemeinsam mit unseren Partnern eine europäische Antwort auf die Situation der illegalen Grenzübertritte finden.“
Polen will vorerst bis 5. August kontrollieren
Die vorübergehenden polnischen Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland sollen am 7. Juli beginnen und vorerst bis zum 5. August bestehen bleiben. Dies ergibt sich aus dem Entwurf einer entsprechenden Verordnung, die das Innenministerium in Warschau veröffentlichte. Auch an der Grenze zu seinem östlichen Nachbarn Litauen will Polen in diesem Zeitraum kontrollieren.
Nach der Verordnung sind Kontrollen an 50 Übergängen an der deutsch-polnischen Grenze vorgesehen, kontrolliert werden soll rund um die Uhr der Personen- und Güterverkehr, aber auch Fußgänger. Einer Liste aus dem polnischen Innenministerium zufolge sollen alle Grenzübergänge zwischen Sachsen und Polen, von Zittau im Süden bis Bad Muskau im Norden, ab Montag kontrolliert werden.
Ostritz, Deschka, Bad Muskau: Wo kontrolliert wird
Das betrifft auch kleine Fußgängerbrücken wie zwischen Ostritz und Krzewina Zgorzelecka oder Deschka und Piensk. Alle Straßenübergänge werden demnach rund um die Uhr kontrolliert, die Eisenbahnstrecken zwischen Görlitz und Zgorzelec sowie Horka und Wegliniec (Niederschlesien-Magistrale) so lange, wie die Bahnhöfe geöffnet haben. Selbst für die Doppelbrücke und die Englische Brücke im Park Bad Muskau sind Grenzkontrollen auf polnischem Terrain vorgesehen. Polen will auch auf dem Brückenufer an der Altstadtbrücke in Görlitz eine Station einrichten.
Nach der Verordnung aus dem polnischen Innenministerium werden praktisch alle Sicherheitskräfte in die Kontrollen eingebunden. Die polnische Grenzschutzbehörde ist zwar für die Kontrollen zuständig, wird aber von der Militärpolizei und den Territorialverteidigungskräften unterstützt, damit auch „Nebenstraßen sowie Waldwege und Pfade“ gesichert werden, „auf denen sich illegale Migranten bewegen könnten“.
Die normale Polizei wiederum wird ebenso eingesetzt zur Organisation des Straßenverkehrs sowie zur „Neutralisierung von Sprengstoffen und Sprengkörpern an Grenzübergängen“.
Görlitzer OB: „Kann keine Dauerlösung sein“
„Was derzeit passiert, kann keine Dauerlösung sein“, sagt der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU). Ähnlich hatte er sich kürzlich bei einem Treffen von Görlitzer und Zgorzelecer Stadträten ausgedrückt, bei dem auch die deutschen Kontrollen und der Ärger über die Verkehrsprobleme auf Zgorzelecer Seite Thema waren: Die Reaktion Polens komme „nicht unerwartet“.
„Ziel der deutschen Kontrollen war es, Europa das Signal zu senden, dass Deutschland in der Asylpolitik eine andere Position einnimmt“, sagt Ursu. „Ich denke, inzwischen ist die Zeit der Signale vorbei und auf beiden Seiten ist klar, dass sich die Regierungen in Berlin und Warschau zusammensetzen und gemeinsame Lösungen finden müssen.“
Das sei auch die Erwartung der Menschen vor Ort. „Wir brauchen alle einen funktionierenden Verkehr über die Grenzen hinweg.“ Noch seien negative Auswirkungen nicht spürbar, „aber auf Dauer werden Grenzkontrollen schädlich sein“.
Polen will Waren- und Touristenverkehr nur wenig beeinflussen
Polens Regierungschef Tusk hatte angekündigt, den Einfluss auf Waren- und Touristenverkehr auf ein Minimum beschränken zu wollen. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) hofft, dass „diese Maßnahme eng mit Deutschland koordiniert wird und nicht zu einer dauerhaften Belastung für unsere gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit wird“.
Die Menschen im Landkreis seien auf enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit angewiesen, so Meyer. Er verweist auf Arbeitspendler, den Bildungsbereich, Hilfs- und Rettungseinsätze, den regionalen Handel. „Jede Einschränkung im Grenzverkehr, auch wenn sie zeitlich befristet ist, stellt deshalb eine Herausforderung dar und führt zu Verunsicherung bei Unternehmen, Pendlern und Bürgerinnen und Bürgern auf beiden Seiten.“
Stattdessen brauche es auf lange Sicht europäische Lösungen für den Schutz der Außengrenzen, damit der freie Personenverkehr im Schengenraum nicht dauerhaft eingeschränkt werden muss, so Meyer. Gleichzeitig brauche es aber auch eine Migrationspolitik mit klaren Regeln, effizientem Vollzug und echter Integrationsperspektive für Menschen mit Bleiberecht.
SZ