Andreas Dunte
Leipzig. Ein bitterer Tag für rund 1000 befristet Beschäftigte im Volkswagenwerk in Zwickau. Die Geschäftsführung der Volkswagen Sachsen GmbH verkündet während einer Betriebsversammlung an diesem Donnerstag, dass ihre Verträge nicht verlängert werden. Zwischen Januar und Juli 2025 ist für die rund 1000 Männer und Frauen Schluss.
„Nicht wenige hatten bei der Nachricht Tränen in den Augen“, sagt Martin Lehmann vom Gesamtbetriebsrat. Der dann von zwei Kollegen während der Versammlung verlesene Brief habe zusätzlich berührt, schildert er weiter.
„Eigentlich die Zeit für Besinnlichkeit“
„Das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Eigentlich die Zeit für Besinnlichkeit im Kreise der Liebsten. Gern würden wir diese Zeit auch genießen. Ohne echte Perspektive lässt sich das schwer realisieren.“ heißt es in dem Brief.
Adressiert ist er an die Vorstandsvertreter des Volkswagenkonzerns, die Geschäftsführung der Volkswagen Sachsen GmbH sowie an Politiker von Bund und Land.
Die Beschäftigten schildern in dem Schreiben in zum Teil sehr bewegenden Worten die Zeit ab November 2019 bis heute, also vom Produktionsstart des ersten in Zwickau gebauten Elektrofahrzeuges ID.3 bis zur Verkündung der Sparpläne durch den Konzern.
Wir müssen für dieses Versagen auf ganzer Linie nun bezahlen.
VW-Beschäftigte, Offener Brief
Innerhalb des VW-Vorstandes sei das Zwickauer Fahrzeugwerk damals gern als „Eisbrecher in die E-Mobilität für den gesamten Konzern“ bezeichnet worden, heißt es. Und weiter: „Eine bis heute sehr treffende Beschreibung. Denn was ist die Kernaufgabe von Eisbrechern? Genau, mit viel Schwung und Kraftaufwand den Weg frei machen. Was bekommen sie in den seltensten Fällen? Dankbarkeit! Es ist nun mal deren Job.“
Mit Aussagen wie „In Zwickau wird Geschichte geschrieben“ habe man ihnen befristete Arbeitsverträge angeboten. Viele hätten ihre festen Arbeitsverhältnisse gekündigt, um bei VW anzufangen. In der Hoffnung, dass aus den befristeten feste Jobs werden.
„Keiner hat geahnt, was uns am Standort bevorsteht“
„Die Auftragsbücher füllten sich weiter und weiter. Keiner von uns hatte in den Jahren 2020 bis 2022 geahnt, was uns hier am Standort bevorsteht.“
Anfang 2023 sei dann klar geworden, dass die Nachfrage nach den E-Autos nicht so groß war wie gedacht. „Ende des Jahres 2023 der nächste Nackenschlag: Die Bundesregierung schaffte über Nacht die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ab.“ Die Auftragssituation verschlechterte sich weiter.
In der Folge hat VW in Zwickau 700 der insgesamt 2700 Beschäftigten mit befristeten Verträgen übernommen. 1000 Beschäftigte sind bereits nicht mehr im Unternehmen. Der Rest darf nun ebenfalls gehen.
„Die meisten von uns sind am Ende ihrer Vertragslaufzeit vier Jahre hier gewesen. Das schmerzt sehr und wir fühlen uns von Politik und Vorstand im Stich gelassen“, heißt es weiter. Die Politik habe es bis heute nicht hinbekommen, mit vernünftig gestalteten Rahmenbedingungen die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um E-Mobilität wirklich attraktiv zu machen.
„Mein schwärzester Tag überhaupt als Betriebsrat“
Mitschuld trage aber auch der Vorstand, der ein Produktfeuerwerk angekündigt habe. „Auch davon ist nichts zu sehen. Man hat es auch nicht geschafft, unsere bestehenden Produkte so aufzuwerten, dass diese am Markt gefragt sind.“
„Wir müssen für dieses Versagen auf ganzer Linie nun bezahlen.“ Dabei werde es nicht bleiben, heißt es weiter. Die Zukunft hunderttausender Industriearbeitsplätze stehe auf dem Spiel. Deshalb fordere man die Politik und den Vorstand auf, endlich zu handeln.
Er könne nur hoffen, dass die Rufe aus Zwickau endlich gehört werden, so Betriebsratschef Uwe Kunstmann nach der Belegschaftsversammlung. „Für mich war das der schwärzeste Tag überhaupt in meiner Zeit als Betriebsrat.“