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Sachsen will bei Chip-Forschung sparen – Professor kritisiert Kürzungen

Das Barkhausen-Institut stellt sich der Herausforderung, Plattform-Chips zur Produktion in Sachsens Halbleiterfabriken zu designen. Doch die Arbeit ist in Gefahr, weil die Landesregierung sparen muss.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Prof. Gerhard Fettweis
Prof. Gerhard P. Fettweis ist seit 2018 wissenschaftlicher Gründungsleiter und Geschäftsführer des Barkhausen-Instituts, einer gemeinnützigen GmbH mit Grundfinanzierung durch den Freistaat Sachsen. Er hofft, dass die geplanten Budgetkürzungen korrigiert werden können.

Nora Miethke

Jeder dritte Mikrochip für Elektronik in Auto, elektronische Personalausweise oder andere Anwendungen kommt aus Dresden. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die Europäische Kommission sorgt dafür, dass in jedem EU-Mitgliedsland ein Chip-Kompetenzzentrum aufgebaut wird, damit nicht nur die großen Länder wie Deutschland und Frankreich von der Wirtschaftskraft und dem Wohlstand profitieren, die durch die Ansiedlung von Halbleiterfabriken entstehen.

Also hat sich die Landesregierung viel vorgenommen, um das Silicon Saxony – Europas größten Mikroelektronikstandort – international attraktiv zu halten. Sachsen soll zum führenden Entwicklungsstandort für Mikroelektronik werden. „Wir wollen die Wertschöpfungstiefe erhöhen, insbesondere durch den Aufbau von sächsischen Forschungs- und Entwicklungsfähigkeiten im Chipdesign und Advanced Packaging“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Einige Seiten weiter wird versichert, die Finanzierung der Landesforschungsförderung „mindestens auf dem bisherigen Niveau“ fortzusetzen. „Die Mikroelektronik mit der Stärke im Bereich Technologie und Chip-Design bildet einen besonderen Schwerpunkt“, steht auf Seite 38.

Doppelhaushalt plant Budgetkürzungen um 19 Prozent

Chipdesign oder Chipentwurf bezeichnet den Prozess der Entwicklung eines Mikrochips von der ersten Idee über einen Schaltplan bis zum gefertigten Schaltkreis. Chipdesign ist die Basis, um Mikroelektronik für die eigenen Produkte und Anwendungen zu entwerfen.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Während sich diese Woche die Experten auf dem Chipdesign Forum Germany 2025 in der Dresdner Messe trafen und darüber diskutierten, wie sie Nachwuchs gewinnen können, kämpft das Barkhausen Institut (BI) um seinen wie auch den Fortbestand seiner Chipdesign-Aktivitäten. Denn der neue Doppelhaushalt 2025/2026 sieht für das BI in diesem Jahr eine Budgetkürzung um 19 Prozent vor, und das, obwohl nach Angaben des BI auf Wunsch des Wissenschaftsministeriums zum 1. Mai noch eine Professorin mit Team eingestellt wurde. Das bringt hohe Kosten mit sich.

Gravierender ist jedoch, dass das Wissenschaftsministerium den Hauptschnitt bei den Investitionen gemacht hat. Im vergangenen Jahr standen dem BI knapp 1,7 Millionen Euro zur Verfügung, dieses Jahr nur noch 91.000 Euro. „Damit ist der gesamte Chip-Design-Prozess am BI gefährdet”, betont Direktor Tim Hentschel.

Professor Fettweis fordert Korrektur

„Wir forschen für die Zukunft – als einziges Forschungsinstitut Sachsens für Chipdesign mit dem Ziel des Entwurfs leistungsfähiger, sicherer und nachhaltiger Mikroelektronik für die digitale Souveränität Deutschlands“, stellt BI-Mitgründer Professor Gerhard Fettweis klar. Das sei ganz im Einklang mit dem sächsischen Koalitionsvertrag.

Umso ärgerlicher sei es, dass offensichtlich beim Entwurf des Doppelhaushalts 2025/26 ein Fehler unterlaufen ist. „Wir sollen um 1,7 Millionen Euro gekürzt werden. Das muss korrigiert werden“, fordert Fettweis, Lehrstuhlinhaber für Elektroingenieurwesen an der TU Dresden und Spitzenforscher für drahtlose Systeme.

Das Barkhausen Institut ist nach eigenen Angaben das einzige Forschungsinstitut in Sachsen, das analoge und digitale Plattform-Chips designt. „Damit stellt es sich der Herausforderung, in Europa Chip-Design-Expertise aufzubauen, wie sie von der EU und zum Beispiel ESMC-Präsident Christian Koitzsch gefordert wird”, sagt Hentschel. Koitzsch, der für den taiwanesischen Weltmarktführer TSMC die erste europäische Chipfabrik in Dresden errichtet, betont die Notwendigkeit, europaweit Design-Kapazitäten auszubauen. „Hierzu gehört insbesondere auch das Engagement des Freistaats in der Stärkung von Ausbildung und Forschung zum Chipentwurf in Sachsen”, sagt er.

Laufende Doktorarbeiten gefährdet

Genau diese Punkte würden unter der Budgetkürzung leiden. Knapp die Hälfte der 50 Forscher und Forscherinnen am BI beschäftigen sich mit Chip-Design. Aufgrund der geplanten Budgetkürzungen müssten Entwicklungsprozesse unterbrochen werden, weil das Geld fehlt. Infolgedessen könnte die Forschung für laufende Doktorarbeiten nicht mehr durchgeführt werden. „Die Teams werden das BI verlassen. Eine der wenigen wesentlichen Forschungs- und Ausbildungsstätten zum Chipentwurf in Sachsen wird zu einer leeren Hülle”, befürchtet Hentschel. Es hätte sieben Jahre gebraucht, diese Expertise aufzubauen. Ein Wiederaufbau nach einem Verlust würde mindestens bis 2034 dauern, betont er.

Das BI arbeitet in Förderprojekten mit dem niederländischen Halbleiterhersteller NXP zusammen, der auch an der Chipfabrik von ESMC beteiligt ist. „Wir bei NXP legen viel Wert darauf, Innovationen durch Zusammenarbeit in unserem Ökosystem voranzutreiben. Die am Barkhausen Institut entwickelte Expertise im Chipdesign ist nicht nur für unser Unternehmen, sondern für die gesamte sächsische und europäische Halbleiterindustrie von großer Bedeutung“, betont Henning Möller, Standortleiter für NXP in Dresden.

Wer heute in diese Forschung investiere, sichere morgen Arbeitsplätze, Wachstum und technologische Unabhängigkeit – besonders in Sachsen, gibt er zu bedenken. „Wir brauchen ganz klar Investitionen in diesem Bereich, keine Kürzungen“, so Möller.

Wissenschaftsministerium rechtfertigt Kürzung

Und was man im Wissenschaftsministerium? Die Kürzung der Zuschüsse für Investitionen auf 91.000 Euro in 2025 sei korrekt. In 2026 würden sie wieder auf 764.000 Euro ansteigen. „Es handelt sich also um eine temporäre Einsparung bei Investitionen“, betont ein Sprecher. Er verweist darauf, dass die Zuschüsse zum laufenden Betrieb mit rund 7,3 Millionen Euro auch 2025 und 2026 konstant fortgeschrieben werden. Die Zuschüsse hätten sich seit 2022 fast verdoppelt. „Eine solche Steigerungsrate kann kein anderes (auch Bund-Länder finanziertes) Institut vorweisen“, heißt es. Das Barkhausen Institut müsse innerhalb des Gesamtetats eigenverantwortlich Prioritäten setzen, etwa bei Investitionen in Forschungsschwerpunkte, so der Sprecher.

Bundesregierung plant neue Förderstrategie

Frank Bösenberg, Chef des Branchennetzwerks Silicon Saxony e.V. versteht die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Haushalts „vollständig“, hält die geplanten Kürzungen für das BI dennoch für „hochgradig bedauerlich“. Der Verband ist dazu mit der Landesregierung im Gespräch. Bösenberg hofft, dass sich eventuell in „Abstimmung mit der neuen Bundesregierung“ noch andere Wege der Finanzierung finden lassen. Die Hoffnung ist berechtigt. Stefan Mengel, Referatsleiter für Mikroelektronik, im Bundesforschungsministerium hat am Dienstag auf dem Chipdesign Forum Germany in Dresden einen Strategiewechsel in der Forschungsförderung in Aussicht gestellt. Statt der bisherigen Strategie „Stärken zu stärken“, brauche es jetzt eine Strategie, Lücken zu schließen und Abhängigkeiten zu reduzieren, so Mengel. Genau dies will das BI weiter leisten im Bereich Chipdesign.

SZ

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