Von Annett Kschieschan
Herr Dr. Karow, wie fühlt es sich an, das berufliche Lebenswerk in andere Hände zu geben?
Natürlich ist es erst einmal ungewohnt, nach fast 35 Jahren nicht mehr an der Spitze der Firma zu stehen und damit keine Verantwortung zu tragen. Gleichzeitig ist es aber auch befreiend und ein gutes Gefühl, dass es erfolgreich weitergehen kann. Immerhin habe ich meine Nachfolger ja mit ausgesucht und somit ein hohes Vertrauen in ihre Fähigkeiten.
Wie lange haben Sie die Übergabe vorbereitet und welche Überlegungen spielten dabei eine Rolle?
Insgesamt hat der Prozess der Übergabe circa vier Jahre gedauert und ist stufenweise erfolgt. Wir standen vor der Herausforderung, zwei neue Geschäftsführer auszuwählen und einzuarbeiten. Außerdem mussten die Gesellschafterverhältnisse auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Als IT-Dienstleister ist SHD ganz nah dran an Themen, die auch infolge der politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre besondere Brisanz haben: Cyberattacken, die potenzielle Gefährdung der kritischen Infrastruktur durch internationale Konflikte, gesetzliche Vorgaben. Steigt der Handlungsdruck?
Auf jeden Fall sind Unternehmen heute stärker für das Thema IT-Sicherheit sensibilisiert. Inzwischen weiß jeder, dass es sehr gefährlich werden kann, wenn man hier nicht investiert oder das Ganze eher als Nebensache abtut. Das merken wir natürlich auch an der Nachfrage.
Als SHD wollen wir heute deutschlandweit geschäftlich agieren und hier insbesondere im KRITIS-Bereich, also der sogenannten Kritischen Infrastruktur mit Kliniken, Energieversorgern oder Behörden, und im NIS2-Umfeld Kunden gewinnen. Die EU-Richtlinie zielt auf ein gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Europäischen Union ab. Dabei stehen wir vor der Herausforderung, stärker als bisher überregional zu agieren und neue Standorte aufzubauen. Dafür wollen wir auch Unternehmen dazukaufen.
Gibt es hier schon konkrete Pläne?
Es gibt Gespräche. Solche Prozesse brauchen aber Zeit – und Vertrauen, das erst einmal wachsen muss. Am Ende müssen Geschäftsfeld, Unternehmensstrukturen und nicht zuletzt die Menschen zueinander passen. Deshalb sprechen wir über konkrete Entscheidungen tatsächlich erst, wenn sie hundertprozentig feststehen. Sicher ist aber, dass diese anspruchsvollen Ziele neue Herausforderungen in Richtung Wachstum, der Integration von Firmen sowie der Schaffung neuer überregionaler Strukturen und Prozesse stellen.
Wie kann das aus Ihrer Sicht am besten gelingen?
Diese Herausforderungen sind nur mit guter Führung durch das gesamte Management-Team der SHD, und nicht nur der Geschäftsführung, zu meistern. Möglichst alle Mitarbeiter müssen auf diesem Weg mitgenommen und für die Veränderungen gewonnen werden. Spannende Herausforderungen sollten auch begeistern! Letztlich geht es immer um Menschen. Das darf man als Führungskraft nie vergessen.
Wenn Sie einen Vergleich ziehen: Mit welchen Herausforderungen sind Sie ins Unternehmerdasein gestartet – und welche müssen heute bewältigt werden?
Eine Firma von null aufzubauen und diese mit heute circa 180 Mitarbeitenden erfolgreich zu führen, sind schon zwei sehr unterschiedliche Aufgaben. Beide Phasen stellen auch ganz unterschiedliche Herausforderungen an einen Unternehmer. Am Anfang geht es mehr darum, ein Geschäftsmodell auszuprägen und möglichst schnell viele Kunden zu gewinnen. Man ist als Unternehmer selbst sehr stark in das Geschäft eingebunden und macht auch viele Dinge selbst. Hat das Unternehmen dann eine bestimmte Größe erreicht, kommt es mehr auf die Mitarbeiter und deren Führung an. Man muss Strukturen und Prozesse herausprägen. Als Unternehmer ist man dann nicht mehr der ’Spezialist für Alles’, sondern konzentriert sich mehr auf die Führung und Entwicklung des Unternehmens. Man muss lernen, Aufgaben abzugeben und seinen Mitarbeitern das Vertrauen zu schenken, dass sie ihre Arbeit gut machen.
SHD setzt stark auf den Nachwuchs – und das in einer Branche, in der Fachkräfte besonders knapp sind…
Ja, gerade deshalb haben wir uns immer selbst um unseren Nachwuchs gekümmert, durch unsere langjährige Partnerschaft mit der BA, aber auch mit anderen Hochschulen. Wir hatten immer Studenten, inzwischen übrigens auch häufiger Studentinnen, bei uns im Unternehmen. Nicht alle bleiben – das ist ganz normal. Aber viele haben bei SHD ihre berufliche Heimat gefunden. Mehr als zehn Prozent unserer Mitarbeiter sind länger als 20 Jahre bei uns. Wir haben ihnen immer die Chance gegeben, sich zu entwickeln, selbst Ideen einzubringen, Verantwortung zu übernehmen – und später vielleicht ihr Wissen als Mentoren für die nächsten Nachwuchskräfte weiterzugeben. Der kooperative Führungsstil hat sich für uns bewährt. Und er hilft dabei, als Chef Verantwortung abzugeben. Auch das ist wichtig: Man kann nicht immer alles selbst am besten wissen!
Welchen Rat geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?
Genau das: Möglichst die Mitarbeiter mit ihren zahlreichen Ideen und Meinungen einbeziehen, da man als Geschäftsführer eben nicht alles wissen kann. Außerdem muss die Verantwortung möglichst nahe an den Ort verlagert werden, wo das Geschäft beziehungsweise der jeweilige Prozess läuft. Übermäßige Zentralisierung schwächt oft die Übernahme von Verantwortung und schränkt den Gestaltungsspielraum ein.
Wie geht es für Sie persönlich weiter? Gibt es besondere Ziele und Wünsche, die Sie gern umsetzen würden?
Ich möchte auch in Zukunft den Weg von SHD noch etwas begleiten. Seit Beginn des Jahres bin ich als Beirat für die ITTC Group GmbH, die Mutter der SHD ist, tätig. Ich unterstütze dort die Geschäftsführung und kümmere mich um den Zukauf von neuen Unternehmen. Hier warten interessante Themen auf mich!
Privat habe ich nach den vielen Jahren als aktiver Unternehmer und Geschäftsführer endlich auch einmal etwas mehr Zeit für die Familie und Hobbys. Diese werde ich natürlich genießen!
- Die SHD System-Haus-Dresden GmbH wurde 1990 gegründet. Sie gehörte zu den ersten Firmenneugründungen in Dresden in der Nachwendezeit.
- Nach zehn Jahren war die Mitarbeiterzahl auf 45 gestiegen, heute arbeiten rund 180 Menschen für SHD, mehr als zehn Prozent seit über 20 Jahren.
- Neben Dresden gibt es Standorte in Berlin, Leipzig und Hamburg.
- SHD berät und begleitet Unternehmen, Behörden, Kliniken und Institutionen zu den Themen IT-Sicherheit, IT-Infrastruktur, Cloud-Management sowie der Abwehr von Cyberangriffen.
- Darüber hinaus ist das Unternehmen in Fachforen aktiv und hat u.a. den KRITISchen Stammtisch etabliert, bei dem sich Kliniken bundesweit zur Umsetzung der Sicherheitsverordnungen für die Kritische Infrastruktur austauschen.
- SHD fördert den IT-Nachwuchs, etwa durch die Unterstützung des Schülerrechenzentrums Dresden.
- Bereits seit 2021 ist Marco Graef Teil der Geschäftsführung der SHD System-Haus-Dresden GmbH. Zuvor hatte der Wirtschaftsingenieur bereits 30 Jahre Erfahrungen im IT-Bereich gesammelt, vor dem Wechsel zu SHD unter anderem als Head of Data Center Services Germany bei dem Unternehmen Itelligence.
- Seit September 2024 gehört Toralf Lips zur Geschäftsführung des Dresdner IT-Dienstleisters. Der Wirtschaftsingenieur war unter anderem bei der Ricoh Deutschland GmbH als National Director der Software Business Division und zuletzt als Director Sales & Marketing bei dem mittelständischen IT-Unternehmen Comramo AG beschäftigt.
- Gemeinsam führen beide nach dem Wechsel von Dr. Frank Karow in den Beirat der Muttergesellschaft die Geschäfte der SHD System-Haus-Dresden GmbH.

Marco Graef (l.) und Toralf Lips führen nun die Geschäfte der SHD System-Haus-Dresden GmbH.