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Löhne in Sachsen stärker gestiegen als in jedem anderen Bundesland

Um fast sieben Prozent sind die Verdienste in Sachsen voriges Jahr gestiegen, stärker als in Hamburg oder Bayern. Woran es lag, und was jetzt gefordert wird.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Arbeiter unterschiedlicher Branchen.
Die Löhne unterscheiden sich nach Branchen und nach Region - aber im Schnitt sind sie voriges Jahr in Sachsen am stärksten gestiegen. © Julian Stratenschulte/Klaus-Dietmar Gabbert/Hendrik Schmidt/dpa

Von Georg Moeritz

Dresden. In Sachsen sind die Gehälter und Löhne im vorigen Jahr so stark gewachsen wie in keinem anderen Bundesland. Um 6,8 Prozent stiegen die Bruttojahresverdienste, teilte das Statistische Landesamt in Kamenz am Mittwoch mit. Im Durchschnitt bekam damit jeder Arbeitnehmer brutto fast 2.400 Euro mehr als im Jahr zuvor. Der Durchschnittsverdienst in Sachsen stieg im vorigen Jahr auf 37.386 Euro, vor Abzug der Lohnsteuer und Sozialbeiträge.

Dass Sachsen beim Lohnzuwachs zuletzt vorne lag, hat nach Ansicht des DGB-Landeschefs Markus Schlimbach zwei Gründe: Der Gewerkschafter sagte der Sächsischen Zeitung auf Nachfrage, zum einen habe sich der Einsatz der Beschäftigten für mehr Tarifverträge gelohnt. Zum anderen profitierten 314.000 Sachsen unmittelbar von der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum Oktober 2022. Im ersten Halbjahr 2022 lag er noch bei 9,82 Euro, ab Juli bei 10,45 Euro. Seine Erhöhung in zwei Schritten machte zusammen 22 Prozent aus. Seit Anfang dieses Jahres beträgt der Mindestlohn 12,41 Euro, das sind bei einer 40-Stunden-Woche rund 2.150 Euro im Monat.

Schlimbach nannte die Erhöhungen ein gutes Signal für die Beschäftigten: „Sachsen holt bei den Löhnen auf“, sagte der Gewerkschaftschef. Es lohne sich, für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Doch es bleibe „skandalös“, dass Sachsen den Löhnen in Westdeutschland weiter hinterherhinke.

Vollzeitbeschäftigte in Sachsen 677 Euro monatlich unter dem deutschen Durchschnitt

Der sächsische Jahresdurchschnittsverdienst ist auf 88,6 Prozent des gesamtdeutschen Wertes gestiegen. Beim Spitzenreiter Hamburg stiegen die Jahresverdienste voriges Jahr um sechs Prozent auf 50.160 Euro brutto, auf dem letzten Platz liegt in dieser Statistik Mecklenburg-Vorpommern mit 35.646 Euro. Bayern meldete einen Zuwachs von 6,2 Prozent auf 45.077 Euro. Berlin mit 45.866 Euro machte demnach mehr möglich.

Die Linken-Abgeordneten Susanne Schaper und Sören Pellmann machten am Mittwoch auf Unterschiede bei den Vollzeitlöhnen aufmerksam, die sie beim Statistischen Bundesamt erfragt hatten: Demnach bekamen Vollzeitbeschäftigte in Sachsen im vorigen Jahr monatlich 3.791 Euro brutto. Sonderzahlungen wie die Inflationsausgleichsprämie sind dabei nicht mitgerechnet. Demnach bekamen die Vollzeit-Sachsen monatlich 281 Euro mehr als im Jahr zuvor. Aber im deutschen Durchschnitt wurden 677 Euro mehr ausgezahlt als in Sachsen. In Hamburg gab es im Schnitt 4.970 Euro für Vollzeitarbeit, in Sachsen-Anhalt als Schlusslicht waren es 3.688.

Ein grober Vergleich nach Wirtschaftsbereichen zeigt, dass die höchsten Löhne in der Industrie, die niedrigsten in der Landwirtschaft geboten wurden. In Sachsens Baugewerbe stiegen die Jahresverdienste nur um 3,6 Prozent. Dort erreichten die Bruttojahresverdienste 36.812 Euro im vorigen Jahr. Zum Vergleich: Beim verarbeitenden Gewerbe stehen 41.535 Euro in der Tabelle aus Kamenz, bei Land- und Forstwirtschaft mit Fischerei dagegen 24.149 Euro.

DGB und Linke fordern Vergabegesetz mit Tariftreue

Die Linken-Abgeordneten wiesen darauf hin, dass aus niedrigen Löhnen niedrige Renten folgen. Wie DGB-Chef Schlimbach forderten sie ein sächsisches Vergabegesetz, das Tarifverträge zur Bedingung für Staatsaufträge macht. Schlimbach sagte: „Öffentliche Aufträge gehen an Billiganbieter, und damit werden die Löhne niedrig gehalten.“ Die Folgen des bestehenden sächsischen Vergabegesetzes seien offensichtlich: Das sächsische Baugewerbe habe das bundesweit niedrigste Verdienstniveau.

Die Industriegewerkschaft Metall berichtete von zwei neuen Tarifverträgen: Bei Joyson Safety Systems im erzgebirgischen Elterlein und bei Dr. Gühring im vogtländischen Treuen haben sich die Belegschaften für einen Tarifvertrag starkgemacht und werden nun danach bezahlt. Beim Airbag-Hersteller in Elterlein hatten die rund 600 Beschäftigten im vorigen Jahr erstmals nach mehr als 25 Jahren einen Betriebsrat gewählt. Laut Gewerkschaftssekretär Stefan Fischer aus Zwickau ging es wenige Monate später in die ersten Tarifverhandlungen.

Das Entgelt bei Joyson sei insgesamt nicht schlecht gewesen, aber es habe bei vergleichsweise niedrigem Grundentgelt teils undurchsichtige Bonuszahlungen und Erfolgsbeteiligungen gegeben. Bei Dr. Gühring, Hersteller von Präzisionswerkzeugen für die Metallzerspanung, arbeiteten viele der rund 400 Beschäftigten bis voriges Jahr regelmäßig sonntags ohne Zuschlag, sagte Gewerkschaftssekretärin Anne Karras. Nun gebe es Zuschläge nach Tarif, und alle Beschäftigten würden entsprechend ihren Tätigkeiten eingruppiert. Im Januar hatten sie ihren Arbeitgeber mit Stammsitz in Baden-Württemberg zu Tarifverhandlungen aufgefordert. An anderen Standorten habe es schon eine Tarifbindung gegeben.

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