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Markt-Legende zieht sich zurück

Obschonkas Verkaufswagen war fast 30 Jahre lang ein Markenzeichen in der Bischofswerdaer Region. Nun sagte der Tüv "Stopp"! Doch den Betrieb gibt's auch in Zukunft.

Lesedauer: 3 Minuten

Stammkunden des Wochenmarktes in Bischofswerda ist es aufgefallen: Der Fischhändler hat gewechselt. Seit März kommt nicht mehr Lutz Obschonka auf den Freitagsmarkt, sondern das Kirschauer Unternehmen Aquakulturen. 

Bischofswerdas bekanntester Fischhändler selbst hatte ihm den Schiebocker Wochenmarkt empfohlen. „Das Kirschauer Unternehmen hat das gleiche Angebot wie ich – Frischfisch aus eigener Produktion und Ware, die es vom Fischhandel Nartzschke in Wölkau bezieht“, sagt Lutz Obschonka.

Fast 30 Jahre lang fuhr der inzwischen 66-Jährige auf Wochenmärkte der Region. Bischofswerda, Großröhrsdorf, Neustadt und Neukirch waren feste Größen. Zwischendurch kamen immer mal wieder andere Märkte dazu. 1990 kaufte sich Lutz Obschonka seinen ersten Verkaufswagen. Acht Jahre später kaufte er einen neuen, moderneren – und fuhr ihn über 20 Jahre. Nun mussten er und Michael Gehre, seit sechs Jahren Inhaber des Fischhandel Obschonka, sich von dem Fahrzeug trennen. Grund: Der Veteran wäre nicht mehr durch den Tüv gekommen. Sich ein neues Verkaufsauto anzuschaffen, wäre für den kleinen Betrieb wirtschaftlich nicht zu vertreten gewesen. „Ein neuer Verkaufswagen hätte 70 000 Euro gekostet. Den alten habe ich für 70 000 D-Mark bekommen“, sagt Lutz Obschonka, der das Auto bis zuletzt gefahren hat. Nachdem er Anfang 2018 Rentner wurde, arbeitete er noch über ein Jahr lang auf 450 Euro-Basis in dem Betrieb, den er 2013 Michael Gehre übergeben hat.

Schon als Kind einen Teich betreut

Das Bischofswerdaer Unternehmen Fischhandel Obschonka gibt es aber weiterhin. Verkauft wird jetzt von Oktober bis März stationär, und zwar im Schiebocker Ortsteil Pickau, Ludwig-Richter-Straße 13. Angeboten wird der Fischverkauf innerhalb dieser sechs Monate sonntags jeweils von 9 bis 10 Uhr – solange der Vorrat der selbst produzierten Fische reicht. Im vergangenen Jahr waren Karpfen und Schleien schon zum Jahresende weg. Nur acht Zentner Fisch konnte die Teichwirtschaft ernten. Gemessen am Einsatz hätte man 60 Zentner aus dem Teich holen müssen, sagt Lutz Obschonka. Er schreibt die Verluste den Fischottern zu. Noch lohnt sich die Produktion trotzdem, da der Staat für die Verluste einen Ausgleich zahlt.

Auch im Ruhestand kann Lutz Obschonka von seinen Fischen und Teichen nicht lassen. Er war noch Kind, als er in Pickau seinen ersten kleinen Teich betreute – den am Festplatz der Siedlersparte. Schon damals habe er Karpfen und Schleien eingesetzt, sagt der Teichwirt und ehemalige Fischhändler schmunzelnd. Auch jetzt schaut er täglich nach den Teichen: den drei in Geißmannsdorf, einem in Tröbigau und dem Horkaer Teich in Bischofswerda. Lutz Obschonka kontrolliert, ob alles in Ordnung ist, ob die Dämme dicht sind, ob Zufluss und Abfluss funktionieren. Und er genießt die Ruhe und Idylle an den Gewässern. „Ich habe ja Zeit“, sagt er.

Arbeit gibt es trotzdem das ganze Jahr. Nach Ostern werden die Teiche auf die Saison vorbereitet. Um den 20. Mai herum wird die Brut – 30000 Satzfische – in zwei der drei Geißmannsdorfer Teiche eingesetzt. Nach ihrem ersten Sommer kommen sie nach Tröbigau, wo sie das zweite Jahr verbringen und ordentlich an Gewicht zulegen sollen. Anschließend steht ein weiterer Umzug an: an den Horkaer Teich in Bischofswerda, wo die Karpfen in ihrem dritten Sommer schließlich zu stattlichen Speisefischen heranwachsen, ehe sie in Töpfen und Pfannen landen.

Nicht nur Aufbruchstimmung

Lutz Obschonka ist von Haus aus Zerspanungsfacharbeiter. 1968 kam er als Leichtathlet an die Sportschule, wurde Leistungssportler beim SC Einheit Dresden, war sieben Jahre Mitglied in der DDR-Nationalmannschaft. 1980 musste er aus gesundheitlichen Gründen den Leistungssport aufgeben. Seitdem pachtet er Teiche – zunächst als reines Hobby, seit der Wende auch beruflich. Die Fischproduktion war neben dem Handel immer sein zweites Standbein. Auf Märkte zu fahren, habe ihn immer schon gereizt, sagte Lutz Obschonka im Jahr 2013 im Gespräch. „In der DDR bekam man mehr Geld, wenn man die frisch produzierten Fische abgegeben hat. Mit der Wende fielen die Großhandelspreise in den Keller, die Einzelhandelspreise aber standen besser da. Also kam man am besten, wenn man selber verkauft hat. Ich hab 1990 im Westen so ein Fischauto gesehen. Von da an war klar, das wollte ich auch machen“, sagte er. 1990 gab es nicht nur Aufbruchstimmung, sondern auch wesentlich weniger Bürokratie als jetzt, fügt er sechs Jahre später hinzu, und er listet auf: Eichamt, Berufsgenossenschaft, Hygiene, weitere Institutionen. 

Ein besonders beflissener Beamter wies ihn einmal an seinem Verkaufswagen auf angebliche Verstöße gegen die Etikettierungsvorschriften hin, weil nicht klar zu erkennen war, wo und durch wen die Fische gefangen wurden. Lutz Obschonka erzählt diese Episode kopfschüttelnd. Und er kann am Ende doch darüber nur lachen. Zumindest dieses Kapitel ist für ihn, der Fische als sein Hobby bezeichnet, nun abgeschlossen.

 

Von Ingolf Reinsch

Foto: © Steffen Unger

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