Lohsa. Die Plattform auf dem Hoyerswerdaer Elfgeschosser an der Stadtpromenade befindet sich in 38 Metern Höhe. An der Turmspitze ist die Johanneskirche in der Altstadt Hoyerswerdas etwa 55 Meter hoch. Gegen die Dichtwand-Pläne von Lohsa klingen diese imposanten Bauwerke winzig. Denn was am Wasserspeicher Lohsa II – das ist noch Kerngebiet des Lausitzer Seenlands – gebaut werden soll, ist um einiges größer. Das geplante Bauwerk soll eine Gesamthöhe von 75 Metern haben – gebaut in die Tiefe. Die Region bekommt eine riesengroße Dichtwand. Doch nicht nur die Dichtwand ist riesig, sondern auch die Kosten dafür.
Bergbausanierer Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) lässt ein gewaltiges Bauwerk errichten – das Lausitzer später jedoch gar nicht sehen können. Die Maße sind gigantisch: im Durchschnitt 75 Meter tief und voraussichtlich 7,4 Kilometer lang, ins Erdreich gefräst. Damit ist die Dichtwand in etwa so lang, als würde man eine Wand von Hoyerswerda bis nach Wittichenau bauen. Die Trasse für die geplante Dichtwand wird eine Breite von bis zu 40 Metern haben. Dieses Gelände lässt sich laut LMBV nach der Baufertigstellung aber wieder nutzen.
Deshalb braucht die Lausitz die Dichtwand
Es ist nicht der erste Dichtwand-Bau in der Lausitz. Das Bergbauunternehmen Leag lässt seit Jahren ein solches Bauwerk nahe der B156 zwischen dem Tagebau Welzow und den Seen der Lausitzer Restlochkette bauen. Sie soll etwa zehn Kilometer lang werden. Rund 3,5 Kilometer bis zur Fertigstellung fehlen noch. Laut LMBV wird eine weitere Dichtwand am Tagebau Reichwalde entstehen.
Weshalb die LMBV dieses gigantische Bauwerk errichten lässt: Es geht darum, die Verockerung der Lausitzer Gewässer zu verhindern. Das bedeutet, die Eisenfracht soll so weit wie möglich reduziert werden. Dieser Prozess geschieht in Folge des Bergbaus in der Region. Der in tieferen Erdschichten vorhandene Schwefelkies verwittert wegen des durch den Bergbau vorhandenen Sauerstoffs zu Eisen und Sulfat. Über Regen und aufsteigendes Grundwasser gelangen diese Produkte in Flüsse wie die Spree.
Das Ziel: die Eisenfracht aufhalten
Übersteigt die Eisen-II-Konzentration einen bestimmten Wert im Wasser – in der Regel sind das zwei bis drei Milligramm pro Liter – färbt sich das Wasser bräunlich oder in einem Ockerton. Dann wandelt sich das im Wasser gelöste Eisen in Verbindung mit Sauerstoff zu Eisenhydroxid. Die Gefahr: Eisen-II-haltiges Wasser kann zur Vernichtung der aquatischen Fauna sowie zur Beeinflussung der Flora im Gewässer führen, teilt das Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) mit.
Um die Verockerung aufzuhalten, gibt es im Gebiet der Spree im Norden des Kreises Bautzen drei Maßnahmen. Eine ist der Dichtwand-Bau am Nordostufer des Speicherbeckens Lohsa II: Das Bauwerk wird komplett auf dem Areal der Gemeinde Spreetal entstehen. Eine zweite Maßnahme ist die Errichtung eines Grundwasser-Abfangriegels mit etwa 80 Filterbrunnen entlang der Spree und der Kleinen Spree. Maßnahme Nummer drei ist die Grubenwasserreinigungsanlage im Industriepark Schwarze Pumpe. Dort wird das Wasser eingeleitet, vom Eisen befreit und aufbereitet.
Hohe Kosten, lange Bauzeit
Zurzeit rechnet die LMBV mit Kosten von etwa 100 Millionen Euro für die Dichtwand. Bis sie fertig ist, wird es allerdings noch dauern, schätzt der Bergbausanierer. Die Leistungen müssen jetzt an einen Totalunternehmer vergeben werden – das soll im Jahr 2026 stattfinden.
Danach beginnt die ingenieurtechnische Planung – verbunden mit mehreren behördlichen Schritten. Baubeginn könnte nach aktuellen Einschätzungen Anfang der 2030er-Jahre sein. Der Bau wird sich ungefähr zehn Jahre hinziehen. Das bedeutet: Kinder, die im kommenden Jahr eingeschult werden, erleben die Fertigstellung der Dichtwand etwa beim Ablegen ihres Abiturs.
Was technisch beim Dichtwand-Bau passiert, ist weltweit einzigartig: Das sogenannte Schlitzfräsverfahren kommt nach LMBV-Angaben bislang nur im Lausitzer Braunkohlerevier zum Einsatz. Der Grund sind die speziellen geologischen Baugrundverhältnisse. Vereinfacht gesagt: „Der Boden aus dem aufgefahrenen Schlitz im Erdreich wird mit Wasser und Ton gemischt und als heterogenes Stoffgemisch (Suspension) wieder in den Schlitz eingebaut. Dadurch wird die Wasserundurchlässigkeit (Dichtheit) der unterirdischen Schlitzwand hergestellt – es entsteht eine Dichtwand als hydraulische Grundwasserbarriere“, erklärt die LMBV.
Belastung sinkt mit jedem Meter Wand
Wie tief die Dichtwand letztlich wird, hängt von der vorhandenen Bodenschicht ab. Sie sollte grundwasserstauend sein. Deshalb kann es vorkommen, dass die Dichtwand an einigen Stellen nur 60 Meter tief ist, an anderen aber dafür 75 Meter – oder sogar auch bis 90 Meter. Der Betrieb einer Dichtwand ist eine Generationenaufgabe. Die Standzeit beträgt etwa 100 Jahre, schätzt die LMBV. Im besten Fall funktioniere sie quasi wartungs- und störungsfrei.
Das Eisen, das die Spree und die Kleine Spree belasten, kommt aus dem Grundwasserleiter namens Spreewitzer Rinne. Durch den Dichtwand-Bau wird nach Angaben des Bergbausanierers der Zustrom von eisenhaltigem Grundwasser in Richtung der Flüsse reduziert. Die Dichtwand wirke als hydraulische Barriere.
Was laut LMBV klar ist: Nur im Zusammenspiel der drei Projekte (Dichtwand, Filterbrunnen, Wasserreinigung) sei es möglich, die Eisenkonzentration langfristig deutlich zu senken. Lag der Wert am Pegel Zerre (Landesgrenze Sachsen und Brandenburg) im Jahr 2024 noch bei 4,4 Milligramm pro Liter, sollen es durch diese Maßnahmen später einmal 1,8 Milligramm pro Liter werden. Die LMBV betont: Trotzdem helfe jeder Meter Dichtwand und jeder einzelne Abfangbrunnen bereits, die Eisenmengen zu reduzieren.
SZ


