Nix mehr mit gläserner Vitrine. Alles steht frei zugänglich und angreifbar herum. Service mit unterschiedlichen Meissener Dekoren stapeln sich auf niedrigen Podesten. Über die einzelnen Ebenen einer an einen Katzenbaum erinnernden Installation verteilen sich kleinere Plastiken aus Weißem Gold entlang des Fensters zur Frauenkirche. Zwischenrein wuseln Handwerker. Sie erledigen an diesem Dienstagvormittag die letzten Arbeiten am neuen Meissener Vorzeige-Laden.
Wenn es dunkelt, werden bis zu 200 geladene Gäste zur Eröffnung erwartet. Moderator und Schauspieler Alexander Mazza führt durch den noblen Abend. Der Sohn von Tennis-Legende Boris Becker, Noah Becker, legt Platten auf.
Der Name Signature Store für das neue Geschäft in Dresdens Mitte ist nicht von ungefähr gewählt, sagt der für den Einzelhandel des Unternehmens zuständige Manager Torben Rohr. Die Feinheit und Individualität des Traditionshauses sollte mit dem neuen Begriff zum Ausdruck gebracht werden. Die sonst oft verwendete Bezeichnung Flagship Shop klinge zu sehr nach einem etwas schwerfälligen Schlachtschiff.
Waren unter Ex-Chef Christian Kurtzke noch glänzende Vitrinen und schillernde Goldbeschläge gefragt, steht jetzt das Produkt im Vordergrund. Die weißen Tierplastiken, die überbordend verzierte Kratervase und die fein bemalten Teller und Tassen sollen für sich strahlen und anziehen. Die Wände dagegen bleiben dunkel, so wie es auch im Barock gewesen sei, sagt Rohr.
Vor der Fensterfront des neuen Meissen-Stores nimmt der historische Weihnachtsmarkt rund um die Frauenkirche Gestalt an. Nur wenige Meter entfernt erfanden in den Kasematten der Brühlschen Terrasse Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus das europäische Hartporzellan. Der Standort hier im Herzens Dresdens sei bewusst gewählt worden, sagt Retail-Chef Rohr. Von diesem Ort solle nun das Signal für eine neue Meissener Verkaufsoffensive ausgehen. Schrittweise werden weitere Boutiquen nach Dresdner Vorbild neu gestaltet.
Die entscheidende Vorarbeit für diesen Schritt haben die beiden Meissen-Kreativdirektoren Otto Drögsler und Jörg Ehrlich erledigt. Ihre Handschrift ist in den Räumen allenthalben zu entdecken. An einer Wand hängt eine Auswahl der mit reduzierten Skizzen von Berliner Szene-Gängern bemalten Wandtellerreihe "Faces". Zwischen die Geschirrstapel auf der großen Tafel hat sich die reliefierte Prunkschale "Dahlien" der Kollektion "New Splendour" geschmuggelt. Altes mischt sich mit Neuem, opulent Verziertes mit zurückhaltend dekorierten Stücken. Die Botschaft: Erlaubt ist was gefällt. Man stelle bitte munter zusammen, was dem individuellen Geschmack gerade zusagt.
Während sich die untere Etage vor allem an die Dresdner Laufkundschaft, an Touristen und Geschenksucher richtet, hat in der ersten Etage die alljährlich neu aufgelegte Edition "Limitierte Meisterwerke" ihren Platz gefunden. Ein weicher Teppich in rosé macht deutlich, dass jetzt der für Otto Normalverbraucher gerade noch bezahlbare Bereich verlassen wird. Chris Antemans detailverliebte Figuren-Ensembles laden droben ebenso zum Entdecken ein wie etwa der aus Böttgersteinzeug gefertigte Affe von Nachwuchs-Plastiker Maximilian Hagstotz.
In einem Séparée lassen sich herausgehobene Kunden ganz in Ruhe ihren speziellen Wünschen gemäß versorgen. Die Einrichtung steht. Jetzt wird es darauf ankommen, den Kunden die starken Geschichten hinter all den herausragenden Stücken näherzubringen. "Das wird unsere Hauptarbeit sein in den nächsten Wochen", sagt Torben Rohr. Auf dem Weihnachtsgeschäft ruhen viele Hoffnungen. Nach den Millionen-Verlusten der vergangenen Jahre möchte Meissen 2021 wieder Schwarze Zahlen schreiben.
Von Peter Anderson
Foto: Christian Juppe