Von Frank-Uwe Michel
Wenn Thomas Worbs und Jan Fallgatter über die Digitalisierung von Gebäuden reden, dann leuchtet Begeisterung in ihren Augen. Denn dies ist das Spezialthema der beiden Fachleute von der Hochschule Zittau/Görlitz. Ihre Expertise bringen sie in Kürze auch mit in das Projekt „Zeit.Für.Neues.Denken“ ein, für das die Stadt Seifhennersdorf in diesem Jahr vom Sächsischen Mitmachfonds mit 150.000 Euro bedacht wurde. Inhaltlich geht es um eine bedrohte Spezies der hiesigen Baukultur: Umgebindehäuser sollen mit neuartigen Methoden an Interessenten vermittelt werden, die die gefährdeten Gebäude dann erhalten.
Der Bildungsstätte Windmühle kommt im Auftrag von Seifhennersdorf bei dem Projekt die Leitung zu, die Gemeinde Kottmar bringt ihr Know How zu traditionellen Bauweisen und Handwerkstechniken ein. Worbs und Fallgatter kümmern sich um den technisch-wissenschaftlichen Part. Sind immer dann gefragt, wenn aus Ideen umsetzbare Lösungen werden sollen.
Fest steht: Anfang August startet das Projekt. Erster Schritt: Eins der vielen maroden Umgebindehäuser der Grenzstadt soll digitalisiert werden. „Das übernehmen“, erklärt der Professor, der gleichzeitig auch das Informationszentrum Umgebindehaus (IZU) der Hochschule leitet, „Studenten aus dem Studiengang Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.“ Im Lehrfach „Digitale Bauaufnahme“ haben sie das bereits gelernt, gehen jetzt also in die Praxis. „Dabei wird das Gebäude mit einem 360 Grad-Laserscanner von mehreren Standorten aus aufgenommen, innen und außen.“
„Daraus“, erklärt er weiter, „entstehen sogenannte Punktwolken, die mit spezieller Software am Rechner in 3D-Objekte umgewandelt werden.“ Mithilfe eines Konstruktionsprogrammes werden daraus maßgenaue Fotos, die exakt anzeigen, wie groß zum Beispiel Türen und Fenster sind. „Früher musste man dazu vor Ort das Maßband zücken, heute erledigt das die Technik.“ Wird dann noch computergestütztes Zeichnen eingesetzt, werden Inneneinrichtungen integriert und Gestaltungswünsche befolgt – dann lassen sich auf diese Weise Vorher-/Nachher-Zustände vergleichen und im Optimalfall auch noch Listen mit Materialbedarf und Kosten erstellen.
Hier kommen Matthias Schwarzbach und Markus Kranich ins Spiel. Der eine ist Vorsitzender des Fachbeirates der Stiftung Umgebindehaus, der andere Geschäftsführer der Bildungs- und Begegnungsstätte Windmühle. Sie hätten nur allzu gern und möglichst schnell ein Instrument in der Hand, mit dem sie potenziellen Interessenten zeigen können, wie sich marode Umgebindehäuser in Schmuckstücke verwandeln lassen. Insgesamt, schätzt Schwarzbach, ist die traditionelle Volksbauweise der Oberlausitz auf deutscher Seite noch mit rund 6.000 Objekten vertreten. 80 Prozent davon befänden sich in einem guten Zustand. Die restlichen 20 Prozent seien das Problem, viele davon stünden in Seifhennersdorf. In der Oberlandstadt seien etwa 30 Prozent der vorhandenen Umgebindehäuser vom Verfall bedroht. „Hier ist Tempo gefragt. Was heute noch sanierbar ist, fällt vielleicht schon in drei Jahren weg.“ Wenn es mithilfe des vom Freistaat geförderten Projektes gelinge, 30 oder 40 kaputte Gebäude an neue Eigentümer zu vermitteln und damit zu retten, „dann haben wir schon viel erreicht.“
Thomas Worbs und Jan Fallgatter bestätigen, dies sei ein spannender Prozess. Doch so schnell wie gewünscht, gehe es wahrscheinlich nicht. Denn der Computer verarbeite Daten, die zuvor erhoben werden müssten. Und er mache nur das, was man ihm beibringe. Kurzum: „Hinter allem Digitalem steckt viel Handarbeit. Die kostet. Und vor allem: Sie dauert“, so Worbs. Die Aufnahmen mit dem Laserscanner könnten zwar innerhalb eines Tages erledigt sein. Aber dann: „Die Punktwolke, aus der 3D-Objekte entstehen, könnten wir mit den Beteiligten wahrscheinlich im Herbst diskutieren.“ Insgesamt, ergänzt Jan Fallgatter, sei die abschließende Präsentation so aufwendig wie eine Bauplanung. „Das läuft nicht mal einfach so nebenher.“
Die beiden Fachleute wollen sich deshalb nicht wie im Projekt beschrieben, mit der Visualisierung von drei vakanten Umgebindehäusern beschäftigen, sondern sich auf eins – das wohl schon ausgewählt wurde – konzentrieren. Für dieses, blicken sie voraus, könnte es zum Projektschluss im Juli 2026 ein Konzept geben. Und einen Prototyp. Dies auf andere Gebäude zu übertragen, sei schwierig, denn: „Jedes ist ein Unikat.“ Um etwas allgemein Anwendbares – vielleicht in Form einer App – zu schaffen, brauche man weitere Partner. KI-Experten und Programmierer. Im Idealfall könnten Interessenten dann ihr Handy zücken, das Haus fotografieren, danach Einrichtung vorgeschlagen, außerdem Materialverbrauch und Kosten angezeigt bekommen. „Wir sind auf dem Weg dahin, aber noch am Anfang“, so Thomas Worbs. Der Projektstart werde auf jeden Fall gute Grundlagen legen.