Nicht mehr lange, und er kann auf seiner To-Do-Liste einen Punkt abhaken: „Eine Chipfabrik bauen“. Mit 30 Jahren.
Hans Rampelt ist Oberbauleiter auf der Bosch-Baustelle nahe dem Flughafen in Klotzsche. Hier entsteht gerade eine neue Halbleiterfabrik. Kostenpunkt: mehr als eine Milliarde Euro. Es ist die größte Investition in der Unternehmensgeschichte. Ab 2021 sollen hier rund 700 Mitarbeiter die Chips produzieren, die unserem Auto sagen, wenn die Straße nass ist. Zum Beispiel.
Inzwischen ist der Rohbau nahezu fertig. Schon Ende des Monats soll das Dach dicht sein. Vorher müssen noch die Kräne weg. Danach wird drinnen im Produktionsgebäude bereits der Ausbau des sogenannten Reinraums beginnen, dem Herzstück der Fabrik. „Das ist für uns der nächste große Meilenstein“, sagt Rampelt. Der Mann spricht wie gedruckt und wirkt schon auf den ersten Blick wie der perfekte Chef: selbstbewusst, locker, sympathisch.
Er ist weder Bauingenieur oder Architekt, sondern Experte für Elektrotechnik. Geboren wurde Rampelt 1988 im rumänischen Siebenbürgen. Im Alter von einem Jahr zogen seine Eltern mit ihm nach Baden-Württemberg. Nach der Schule kam er dort schnell in Kontakt mit Bosch und begann ein duales Studium. „Ich war begeistert von den unglaublich vielen Möglichkeiten, die mir dort geboten wurden“, sagt er.
Und offensichtlich beruhte die Begeisterung auf Gegenseitigkeit. Rampelt wurde gefördert, durfte für drei Monate nach China und bekam später die Verantwortung für immer größere Vorhaben, die kaum unterschiedlicher hätten sein können. Zeitweise betreute er sechs kleinere Projekte gleichzeitig.
Zuletzt war er in der Automobilbranche im Einsatz – bevor sich ihm plötzlich die Chance bot, nach Dresden zu gehen. Schon Ende 2017 nahm er seinen Job hier auf, studierte das 3D-Modell der Fabrik. Im Frühjahr darauf zog er von Stuttgart nach Sachsen.
In Klotzsche richtete er sich an einem wenig spektakulären Schreibtisch mitten im Großraumbüro ein. Etwa zwei Drittel seiner Arbeitszeit ist er hier in dem Containerdorf am Rande des künftigen Betriebsgeländes unterwegs und tut das, was er am besten kann: produktiv kommunizieren. Auch die Tagesbesprechungen zwischen Dutzenden angepinnten Organigrammen und Bauzeichnungen finden hier statt. Die übrige Zeit pirscht er, vorschriftsmäßig mit Helm und Weste, über seine riesige Baustelle. Treppe rauf, Treppe runter, unzählige Male am Tag. Das macht fit.
Besonders häufig ist er in diesen Tagen im künftigen Produktionsgebäude anzutreffen, in dem von jetzt an der Reinraum auf 10.000 Quadratmetern Fläche entstehen soll. Noch liegen hier Planen auf dem Boden, die mit Pfützen gefüllt sind. An anderer Stelle wird unter provisorischen Zelten schon am Fußboden gearbeitet.
Eine Etage weiter unten läuft gerade ein Staubsauger. „Sauberkeit ist auf einer Baustelle wichtiger als viele denken“, erklärt Rampelt. „Das Putzen gehört vom Anfang bis zum Ende dazu.“ In den Rohren, durch die später mal Reinstwasser fließen wird, sollte sich nicht schon beim Einbau Schmutz ablagern. Wenn dann erst die Schleuse für die Reinraummitarbeiter in Betrieb geht, werden gewaltige Filteranlagen dafür sorgen, dass hier kein falsches Partikel in der Luft die Produktion stört.
Wer bis dahin wann wo was zu tun hat, das wurde bereits weit im Voraus festgelegt. Derzeit sind auf der Baustelle rund 300 Arbeiter im Einsatz. Wenn nun der Innenausbau beginnt, wird die Zahl nach und nach auf das Dreifache ansteigen. Für Hans Rampelt macht es das nicht einfacher, den Überblick zu behalten.
„Das Projekt hier ist schon eine besondere Herausforderung, aber das gilt für jeden, der hier arbeitet“, betont er. So oft im Leben baue man ja keine Chipfabrik mit diesen Dimensionen. „Dieser Drive bei allen Beteiligten ist hier immer spürbar.“
Sein junges Altes spiele auf der Baustelle längst keine Rolle mehr, betont er heute. Für Autorität seien andere Dinge wichtig, etwa die Art, wie man mit Menschen umgeht. Und mit Menschen hat Rampelt hier mehr zu tun als mit Betonteilen. 30 Bauleiter hat er unter sich, die vor allem dann zu ihm kommen, wenn es gilt, ein Problem aus der Welt zu schaffen.
Nicht immer muss es so gravierend sein, wie der Unfall im vergangenen Oktober. Damals stürzte ein tonnenschwerer Betonpfeiler 15 Meter herunter. Rampelts wichtigste Frage in den folgenden Tagen: Wie können die Arbeiten schnell und reibungslos weiterlaufen? „Ich hätte gar nicht genug Zeit gehabt, mich groß aufzuregen“, sagt er. Er sei doch geholt worden, um Lösungen zu finden. Ein Unfall sollte den engen Zeitplan genauso wenig ins Wanken bringen wie die Anwohnerproteste, von denen bereits häufiger zu hören war.
Offenbar hat Rampelt an den richtigen Rädchen gedreht. Nach wie vor soll der Produktionsbetrieb in Klotzsche Ende 2021 starten. Er selbst wird dann allerdings schon eine Weile nicht mehr in Dresden sein. Mit dem Ende der Bauarbeiten ist seine Aufgabe erledigt und er wird zur nächsten Baustelle weiterziehen. Wo die ist und was wiederum dort entstehen soll, das erfährt er erst wenigen Wochen vorher.
Klar ist aber schon jetzt: Hans Rampelt wird mit einem Schatz an Erfahrungen zu seiner Verlobten nach Stuttgart zurückkehren, die andere kaum in einem ganzen Berufsleben ansammeln. Sollte er sich irgendwann man wo anders bewerben, dürfte „Chipfabrik gebaut“ als Referenz im Lebenslauf zumindest kein Nachteil sein.
Von Henry Berndt
Foto: © Christian Juppe