Dresden. Sachsen verdient durch Firmenbeteiligungen jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag. Aber mehr noch als das Geld zählt für die Staatsregierung der Beitrag zum Gemeinwohl. Finanzminister Christian Piwarz (CDU) hatte den Bericht am 4. März vorgestellt.
Demnach war der Freistaat Ende 2023 an 31 Unternehmen mit 5600 Beschäftigten unmittelbar beteiligt. Bei 14 Firmen – darunter Schlossbetriebe, Landesbühnen, Wirtschaftsförderung, Binnenhäfen, Lotto, Spielbanken – hält er sogar alle Geschäftsanteile.
Die Engagements im Volumen von 594 Millionen Euro zielen darauf ab, öffentliche Interessen in Infrastruktur, Wirtschaft, Umwelt, Bildung, Kultur, Wissenschaft zu sichern und strategische Ziele durchzusetzen. Dabei gehe es darum, „öffentliche Aufgaben und fachpolitische Ziele nach betriebswirtschaftlichen Kriterien effizient zu gewährleisten“. So steht’s im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Minderheitsregierung.
Während die Zahl der Landesunternehmen seit Jahren stabil ist und die der dort Beschäftigten relativ wenig schwankt, gibt es in den Bilanzen riesige Unterschiede. Einerseits erwirtschaftet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), an der Sachsen nur ein Prozent hält, Milliardengewinne. Andererseits sorgt die Mitteldeutsche Flughafen AG, wo der Freistaat mit 77 Prozent Hauptgesellschafter ist, jedes Jahr für zweistellige Millionenverluste.
Sachsen zahlt 822 Millionen Euro binnen zehn Jahren
Wie von Sachsens Finanzministerium auf Anfrage zu erfahren war, hat das Land mit seinen „volkseigenen Betrieben“ von 2014 bis 2023 insgesamt gut 1,3 Milliarden Euro eingenommen, davon 132,6 Millionen Euro im letzten Berichtsjahr. Die KfW schüttet zwar keine Gewinne aus. Jedoch konnte Sachsen 2024 durch Förderprogramme jener Kreditanstalt mehr als 1,2 Milliarden Euro ausreichen. Zwischen Unternehmen und Freistaat bestünden keine Gewinnabführungsverträge, heißt es. Eine Zweckbindung gebe es nur für Einnahmen aus der Staatslotterie. So werde etwa der Reinertrag aus Sportwetten für Suchtprävention, Sport, Kultur, Umwelt, Jugend und Wohlfahrtspflege eingesetzt und entsprechend im Haushaltsplan dargestellt.
Den Angaben zufolge hat das Land in besagten zehn Jahren insgesamt gut 822 Millionen Euro an seine „VEB“ gezahlt. Gut die Hälfte des Geldes waren „Zuschüsse für laufende Zwecke“, etwa 192 Millionen Zuwendungen für Investitionen, 97 Millionen „Kapitalzuführungen“ und gut 52 Millionen Coronahilfen. So bleibt unterm Strich ein Erlös von rund 500 Millionen Euro.
Wenn Unternehmen auch privat bzw. im Wettbewerb geführt werden können, sollte man dies auch zulassen – schon um Ineffizienzen im Betrieb zu vermeiden. – Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der Dresdner Niederlassung ifo Institut
Sachsens Haushaltsordnung regelt, unter welchen Voraussetzungen sich der Freistaat an Unternehmen beteiligen darf. Besteht ein wichtiges Landesinteresse, beteiligt er sich oft unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität häufig, weil ein Marktversagen vorliegt, es keinen privaten Anbieter gibt. Der häufige Zuschussbedarf ist gesetzlich geregelt.
Bei den Kulturbeteiligungen bestehe das Landesinteresse darin, auch im ländlichen Raum attraktive und bezahlbare Angebote bereitzustellen, sagt Sprecher Dirk Reelfs. Da kostendeckende Entgelte oft nicht möglich seien, „besteht ein struktureller, dauerhafter Zuschussbedarf“.
Flughafen AG ist größter Verlustbringer
Den gibt es auch beim Flughafenkonzern, wo 2023 ein Fehlbetrag von gut 37,5 Millionen Euro in den Büchern steht. Zudem musste die MFAG, deren Führung von Kritikern Missmanagement, Vetternwirtschaft und Selbstbedienung vorgeworfen wird, im vergangenen Jahr von Sachsen und Sachsen-Anhalt mit einer 100-Millionen-Euro-Spritze gerettet werden. Der Freistaat steht dennoch zu beiden Airports „als Teil der wichtigen und teils notwendigen kritischen Infrastruktur“, wie es heißt. Die dort angesiedelten Unternehmen „zahlen Steuern und Abgaben, die die ausgewiesenen Verluste um ein Vielfaches übersteigen“.
Staatliche Beteiligung brauche schon aus ordnungspolitischen Gründen eine besondere Rechtfertigung, sagt Joachim Ragnitz vom ifo Institut. „Denn wenn Unternehmen auch privat bzw. im Wettbewerb geführt werden können, sollte man dies auch zulassen – schon um Ineffizienzen im Betrieb zu vermeiden“, so der stellvertretende Leiter der Dresdner Niederlassung. Begründungen der Staatsregierung würden nicht immer überzeugen.
Wozu leistet sich der Freistaat ein Pferdegestüt?
Sachsens Airports, die Porzellanmanufaktur in Meißen oder das Staatsweingut Wackerbarth könnten wie anderswo auch (teil-)privatisiert werden, so der Wirtschaftsforscher. Das Gleiche gelte für Staatsbetriebe, die im Bericht nicht erfasst seien. „Zu welchem Zweck leistet sich der Freistaat ein Pferdegestüt?“, fragt Ragnitz. Eine öffentliche Beteiligung sei nur gerechtfertigt, „wenn damit ein historisches oder kulturelles Erbe geschützt werden soll“.
Auch die Wirtschaftskammern hinterfragen Firmenbeteiligungen der öffentlichen Hand – zumal in Zeiten angespannter Haushaltslage. Beispielsweise fordern IHK und Handwerkskammer Dresden „eine strategische Privatisierungsinitiative der Landeshauptstadt“, die an 31 Firmen unmittelbar Anteile hält. Dabei gehe es um Auslagerung freiwilliger Aufgaben sowie Beteiligungen an defizitären Unternehmen, die nicht zu den Kernaufgaben gehören, heißt es. Eine solche Prüfung könne auch bei einigen Landesbeteiligungen sinnvoll sein, heißt es.
Der Landesrechnungshof begrüßt, dass der Beteiligungsbericht staatliches Engagement transparent macht. Solche Beteiligungen dürften „kein Selbstzweck sein, sondern müssen wichtigen staatlichen Interessen dienen, wirtschaftlich arbeiten und transparent gesteuert werden“, sagt die Direktorin Skadi Stinshoff. Darauf achte ihr Kontrollorgan „vor allem, weil die Beteiligungen über ein Drittel des Finanzvermögens des Freistaates Sachsen darstellen“.
Nur die Hälfte der Staatsbetriebe hat Tarifverträge
Der Bund der Steuerzahler ist schön länger alarmiert, fürchtet angesichts bundesweit immer mehr und größerer Staatsbetriebe einen Schatten-Schuldenstaat, um die offiziell propagierte Schuldenbremse zu umgehen.
Gewerkschaften monieren vor allem die geringe Tarifbindung. Dabei müssten Landesunternehmen mit gutem Beispiel vorangehen, heißt es vom DGB Sachsen. Laut Finanzministerium wenden nur fünf Unternehmen einen Flächentarifvertrag an, haben elf weitere solche Regelungen zu Arbeitszeit, -bedingungen und Entgelten getroffen. Zur Begründung verweist das Ministerium auf Tarifautonomie und unternehmerische Verantwortung der Firmen. Auch bedeute Tarifbindung „nicht zwangsläufig höhere Löhne“. Deren Finanzierung müsse erst durch den Landeshaushalt untersetzt werden.
Plant der Freistaat sein Beteiligungsportfolio zu verändern? „Nach derzeitigem Stand Fehlanzeige“, heißt es, „aber regelmäßige Überprüfung auch in den Folgejahren“.
SZ