Nora Miethke
In der Region Südwestsachsen rund um das Werk von Volkswagen in Zwickau hängt jeder vierte Arbeitsplatz von der Automobilindustrie ab. Das wird jetzt zum Problem, wenn VW wie geplant die Produktion der meisten Fahrzeugmodelle an andere Standorte verlagern will. Außerdem sind Jobs bei sächsischen Zulieferern gefährdet durch Digitalisierung und den Wandel zur Elektromobilität.
Ein „Masterplan Südwestsachsen“ muss her, um die Region fit zu machen für die Zukunft. Er ist festgeschrieben im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Das Kabinett in Dresden unterstützt das Vorhaben nun mit 600.000 Euro. „Wir wollen die Region ermuntern, ein strategisches Gesamtkonzept zu erarbeiten, Auswirkungen zu analysieren und auch eine Vision zu erarbeiten“, betonte Infrastrukturministerin Regina Kraushaar (CDU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Sie stellte klar, der Landeszuschuss sei kein Investitionsprogramm für die Automobilindustrie, sondern eine Art „Nachdenk-Geld“ für die Region – mit externer Hilfe darüber nachzudenken, wo man stehe und in welche Richtung es gehen solle.
Wir wollen die Region ermuntern, ein strategisches Gesamtkonzept zu erarbeiten, Auswirkungen zu analysieren und auch eine Vision zu erarbeiten. – Regina Kraushaar, Infrastrukturministerin
Die Landesregierung werde keine Strategie vorgeben, betonte Kraushaar. Diese müsste die Region erarbeiten. Der Masterplan soll durch den Regionalkonvent – einen Zusammenschluss der Landräte von Mittelsachsen, Zwickau, Erzgebirgskreis, Vogtlandkreis und dem Oberbürgermeister von Chemnitz – mit Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft entwickelt werden. In der Staatsregierung werden ein ressortübergreifender Lenkungskreis und eine interministerielle Arbeitsgruppe mitarbeiten. Ziel ist, dass der Masterplan bis Ende 2026 vorliegt.
In der Region wird nicht bei null angefangen. Die Initiative Transformation Automobilregion Südwestsachsen (ITAS) hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel Vorarbeit für einen solchen Plan geleistet. So hat zum Beispiel die Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz als Konsortialpartner im ITAS-Projekt eine Wertschöpfungsanalyse erstellt, eine wirtschaftliche Perspektive entwickelt und an die Wirtschaftsförderungen übergeben. Bei der IHK Chemnitz ist man optimistisch, dass mit den 600.000 Euro vom Land eine Strategie erarbeitet werden kann, die neue Zukunftsperspektiven für Wirtschaft, Arbeit und Lebensqualität schafft. Damit der Masterplan seine Wirkung entfalten kann, müsse er über die Automobilindustrie hinausgehen. Es bedürfe einer umfassenden, branchenübergreifenden Entwicklungsstrategie.
Vom Silicon Elbtal zu einer Silicon Alley
Eine Hoffnung ist, dass es gelingt, das bestehende Mikroelektronik-Cluster bis nach Südwestsachsen auszuweiten. „Die Vision eines ‚Silicon Elbtals‘ kann entlang der Autobahnen A4 und A72 zu einer ‚Silicon Alley‘ weiterentwickelt werden. Dafür braucht es gezielte Ansiedlungen, passende Flächen und eine zukunftsfähige Infrastruktur“, sagt Martin Witschaß, Geschäftsführer Standortpolitik bei der IHK Chemnitz. Dabei kommt es darauf an, die Standortbedingungen zu verbessern durch neue Schienenanbindung über Wasserstoffnetze bis zu erneuerbaren Energieanlagen. Das würde für attraktivere Arbeits- und Lebensbedingungen sorgen.
Auch beim Automobilzuliefernetzwerk AMZ wird die Initiative der Landesregierung begrüßt. Das sei ein „starkes Signal für die Region – und ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsorientierten, resilienten und lebenswerten Industrielandschaft“, findet Netzwerkmanager Andreas Wächtler. Die Förderung eines Bottom-up-Prozesses, bei dem regionale Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft gemeinsam an einem Strang ziehen, sei der richtige Weg.
Bei der Gewerkschaft IG Metall wird Schnelligkeit angemahnt. „Der Veränderungsprozess wartet nicht. Deshalb ist Eile geboten, bald erste Maßnahmen abzuleiten und ihre Umsetzung anzustoßen“, betont Marcus Galle. Dazu sollten und müssen die Erkenntnisse aus dem ITAS-Projekt wie auch die sozialpartnerschaftliche Arbeitsstruktur in die Erarbeitung des Masterplans einfließen, fordert er. Und Boris Kaiser, Sprecher von ITAS und Chef der Chemnitzer Tourismus- und Marketing GmbH, hat einen klaren Wunsch: „Wir werden nur etwas von dieser Wirtschaftsförderung haben, wenn diese 600.000 Euro in der Region genutzt werden.“
SZ