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Mit Rutschen aufwärts

Der Döbelner Hersteller Atlantics ist heute mit Maßanfertigungen weltweit erfolgreich. Der Start der Firma war holprig.

Lesedauer: 4 Minuten

Döbeln. Ohne es tatsächlich zu wissen, haben höchstwahrscheinlich schon viele Kinder, aber auch abenteuerlustige Erwachsene aus der Region ein in Döbeln hergestelltes Produkt bereits unter dem Allerwertesten gehabt. „Kaum einer kennt uns hier in der Region. Die meisten, die zum ersten Mal mitbekommen, was wir tun, sind vollkommen überrascht“, sagt René Clausnitzer. Der 49-Jährige und sein Geschäftspartner Thomas Büchel haben in den vergangenen 25 Jahren das Unternehmen Atlantics aufgebaut, das sich auf maßgefertigte Edelstahl-Rutschen spezialisiert hat. Die Erfolgszahlen lassen aufhorchen. „Unsere Rutschen stehen mittlerweile in 50 Ländern auf vier Kontinenten der Erde. In unserer Manufaktur stellen wir mit unseren rund 40 Mitarbeitern Rutschen für Erlebnisparks, Spielplätze, Freizeitbäder, Privathäuser aber auch große Shoppingcenter, Kindereinrichtungen und Flughäfen her“, zählen die beiden Gesellschafter auf. In diesem Jahr konnte die Döbelner Firma mit ihrem bisher größten Bauprojekt und einem Deutschland-Rekord für Aufsehen sorgen: Im Sonnenlandpark in Lichtenau bei Chemnitz ist der größte Rutschenturm Deutschlands entstanden und eröffnet worden.

Dabei hatte das Döbelner Unternehmen mit der Palme im Logo einen eher ungünstigen Start. Alles hatte mit einer ganz anderen Geschäftsidee im Jahr 1992 angefangen. „Wir wollten damals Spielzeug aus Fernost in Containern hierher importieren, um dieses dann an Großhändler in Deutschland weiterzuverkaufen“, erzählt der Firmengründer. Daraus ist auch das bis heute erhaltene Firmenlogo und der Name der Firma entstanden. Die Palme steht als Symbol für die warmen Länder, aus denen Clausnitzer und seine damaligen Geschäftspartner das Spielzeug holen wollten. 

„Die Ladungen sollten in Schiffscontainern über den Atlantik kommen. Daher der Name Atlantics“, erklärt er weiter. Leider sei nicht ein einziger Container tatsächlich übers Meer gekommen. „Wir hatten eine Million D-Mark Schulden, das Konzept ging schlicht nicht auf.“ Durch die bereits geknüpften Kontakte zu verschiedenen Kindereinrichtungen wurde aber klar, was diese tatsächlich gebrauchen könnten: Spielgeräte für den Außenbereich. „Also haben wir in einem dänischen Spielplatzhersteller einen Partner gefunden, mit dem wir Wippen, Schaukeln und Rutschen für Deutschland einkaufen konnten. Unseren allerersten Spielplatz haben wir 1994 in Döbeln Nord aufgebaut“, erinnert sich der Firmenchef.

Jede Rutsche ein Unikat

In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende konnte das Unternehmen so alle Schulden begleichen und mit einer neuen Idee und eigenständig durchstarten. „Wir haben angefangen, die Rutschen selbst zu bauen. Und dabei erstaunt festgestellt, wo überall gerutscht wird“, erklärt Clausnitzer. Nicht nur auf Spielplätzen, Freizeitparks und in Schwimmbädern werden die Edelstahlrutschen gebraucht. „Mit der neuen Brandschutzgesetzgebung waren vor allem in Kindereinrichtungen Evakuierungsrutschen gefragt.“ Hinzu kommen auch noch Transportrutschen im Bereich der Logistik sowie Gepäckrutschen in Flughäfen. „So konnten wir unseren Kundenstamm in Europa und mittlerweile auch in der ganzen Welt erweitern.“

Die ersten Ideen entstehen bei den Atlantics-Konstrukteuren am Computer. Sie entwerfen ein Modell nach Kundenwunsch, stellen es virtuell in die dafür vorgesehene Umgebung. Ist der Auftrag erteilt, wird die Produktion der Elemente in Einzelteilen geplant und umgesetzt. „Wir machen dabei fast alles selbst, nur wenige Teile kommen von Fremdfirmen dazu“, erklärt der technische Leiter. Etwa acht bis zwölf Wochen dauert dann die Herstellung. Aus unzähligen Einzelteilen schweißen die Fachleute in einer der acht Hallen die Edelstahlelemente zu Röhren-, Mehrbahn- und Wellenrutschen zusammen. „Alle Elemente sind echte Unikate und Maßanfertigungen“, so Clausnitzer.

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Die Auftragsbücher sind voll. Genauso wie die Werkshallen im Döbelner Gewerbegebiet. Wie ein riesiger Lindwurm schlängelt sich eine Röhrenrutsche in einer Halle. Etwa zwölf Meter groß wird das Spielgerät am Ende sein, wenn es von den Atlantics-Monteuren im November in einem Shoppingcenter in Istanbul wieder zusammengesetzt wird. In der Halle daneben schweißen die Metallfachleute an einem Flugzeug mit Kinderrutsche. „Das ist unser Exklusiv-Objekt. Den Jetliner bauen wir nur etwa drei bis fünf Mal im Jahr“, verrät Clausnitzer. Der Rutschenflieger steht beispielsweise in den Flughäfen Nürnberg, Frankfurt und Zürich. „Dieses Exemplar wird in die USA, nach Evansville im Bundesstaat Indiana gehen.“ Auch in Hongkong warten die Kunden eines Shoppingcenters auf eine derzeit entstehende Rutsche.

Sohn steht in den Startlöchern

Für das bislang größte Projekt des Unternehmens, den Rutschenturm im Sonnenlandpark Lichtenau, hat es etwa ein Jahr gedauert, bis die Idee verwirklicht wurde und schließlich in diesem Sommer die Eröffnung gefeiert werden konnte. „Das Schöne ist, dass wir dieses Prestige-Objekt hier in unserer Region bauen konnten. Unsere Mitarbeiter können dort selbst vor Ort sehen, was aus ihrer Arbeit entstanden ist.“ Bis zu 30 Meter hoch können die Park-Besucher im Turm steigen, die Aussicht bis ins Erzgebirge genießen und dann auf einer der bislang sechs verschiedenen Rutschen wieder nach unten sausen. „Wir haben alle Elemente natürlich selbst ausprobiert. Mein Favorit ist die Freifallrutsche“, verrät der Firmenchef. Noch in diesem Jahr soll der Turm mit den drei letzten Röhrenrutschen komplettiert werden. Auch um die entsprechende Beleuchtung kümmern sich die Atlantics-Fachleute selbst.

Ein Großprojekt steht in den kommenden Monaten auch noch in Dubai an. „Dort werden wir eine Rutsche für das Besucherzentrum für die Weltausstellung Expo 2020 bauen“, verrät Geschäftsführer Thomas Büchel. Und auch in Singapur werden sich noch in diesem Jahr Kinder auf drei Spielplatz-Rutschen aus dem mittelsächsischen Döbeln vergnügen können.

„Wir sind stetig und gesund gewachsen. Das wollen wir auch weiterhin tun“, sagt Thomas Büchel. Etwa 50 Mitarbeiter soll das Unternehmen künftig beschäftigen. Für den Nachwuchs in der Chefetage ist schon gesorgt: Mit Nic Clausnitzer folgt der 24-jährige Sohn dem Firmengründer in die Fußstapfen. Sorgen bereitet dem Unternehmen aber der Fachkräftenachwuchs. „Im vorigen Jahr konnten wir leider keine geeigneten Lehrlinge finden. Nun hoffen wir auf bereits ausgebildete Rückkehrer, die wieder in ihrer Heimat Fuß fassen wollen“, sagt Clausnitzer. Gesucht werden Metallbauer, die Lust auf einen abwechslungsreichen und hoch spezialisierten Arbeitsalltag haben.

 

Von Verena Toth und André Braun

Bildquelle: André Braun, Mario Lars

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