Von Connor Endt
Dresden. Wer die „Trödelschänke“ in der Gewandhausstraße betritt, der unternimmt dabei auch so etwas wie eine Zeitreise. Auf Tischen, Regalen und im Schaufenster stehen großköpfige Puppen neben Meißner Porzellan, von der Decke hängen schwere Kronleuchter. Mehrere Dutzend Ölbilder zeigen ein Dresden, das es so nicht mehr gibt. Die meisten Wand- und Stehuhren sind schon vor langer Zeit stehengeblieben.
Beinahe wäre die „Trödelschänke“ selbst zur Anekdote geworden: Ein neuer Mieter wollte die Räume in der Dresdner Altstadt übernehmen und das Inventar beseitigen. Letztendlich kam das Geschäft nicht zustande, „Trödelschänke“-Inhaberin Nicole Nitschke konnte weitermachen. Es gibt aber trotzdem ein Problem: „Wir haben die Kunden schon vor Monaten darauf vorbereitet, dass wir zum 31. Mai schließen.“ Jetzt würden viele Kunden ausbleiben, weil sie denken, dass es die „Trödelschänke“ nicht mehr gebe.
Kaum Reservierungen, Verwirrung und fehlende Köche
Ein Blick in den Kalender bestätigt das: Während die Seiten zu Jahresbeginn vor Reservierungen nur so platzen, herrscht in den kommenden Wochen gähnende Leere. Gut 110 Gäste finden in der „Trödelschänke“ Platz: Es gibt 50 Plätze im Inneren, 60 Menschen können im Außenbereich sitzen. Hinzu kommt ein Raucherbereich im Keller, wo man auch Billard spielen kann.
Fehlende Reservierungen, das war nicht immer ein Problem. „Es gab Tage, an denen mussten wir Gäste wieder nach Hause schicken, weil der ganze Laden voll war“, sagt Stefan Pfitzner. Jetzt würden viele Gäste an dem Lokal vorbeilaufen, es für geschlossen halten.
Hinzu kommt: Die „Trödelschänke“ sucht händeringend nach neuen Köchinnen oder Köchen. Aktuell packt Stefan Pfitzner selbst in der Küche mit an, schneidet Sülze und Leber zurecht, brät Schnitzel. „Das macht mir auch Spaß“, sagt er. „Aber wir brauchen noch mindestens zwei zusätzliche Köche, sonst ist das einfach nicht zu stemmen.“
Passend zum Inventar wird in der „Trödelschänke“ noch eine gutbürgerliche Speisekarte angeboten. Darauf stehen unter anderem Eisbein, Schweinebraten oder Rinderrouladen. Auch Muckefuck wird hier noch angeboten. „Viele Gäste behaupten, dass wir die beste Eierschecke Dresdens anbieten“, sagt Kellnerin Sabine Jordan.
„Vielleicht ist es die Neugierde auf eine Zeit, in der man selbst noch nicht gelebt hat“
Annette Opitz arbeitet schon seit 23 Jahren in der „Trödelschänke“. Sie hat schon in dem Lokal gekellnert, als dieses noch „Trödelkaffee“ hieß und in der Kleinen Kirchgasse seinen Standort hatte. 2003 dann zog die „Trödelschänke“ in das neue Lokal in der Gewandhausstraße.
„Wir haben eine treue Stammkundschaft, es kommen aber auch viele Touristen zu uns“; sagt Nicole Nitschke. Bei den zahlreichen Stadtführungen werde die „Trödelschänke“ als Geheimtipp gehandelt. Viele Gäste seien bereits älter.

© Matthias Rietschel
Die gutbürgerliche Küche, das altmodische Ambiente würde aber auch viele junge Menschen anziehen. „Das hat mich schon sehr erstaunt“, sagt Nitschke. „Vielleicht ist es die Neugierde auf eine Zeit, in der man selbst noch nicht gelebt hat.“ Auch ihr Partner und Mitstreiter Stefan Pfitzner glaubt, dass das Ambiente eine große Rolle spielt. „Hochglanz-Läden gibt es viele in der Innenstadt“, sagt er. „Eine Atmosphäre wie bei uns, die findet man nur noch ganz selten in Dresden.“
„Wir können auf unsere Stammkunden zählen“
Nicole Nitschke hat als Mietkellnerin gearbeitet, bevor sie die „Trödelschänke“ übernommen hat. „Ich wollte eigentlich auf Malle eine Bar aufmachen“, sagt sie. Dann überredet sie ein Bekannter, sich die „Trödelschänke“ anzuschauen. Er war im Internet auf eine Annonce gestoßen.
„Ich hatte zunächst Angst, die Bar zu übernehmen“, gesteht Nitschke. „Plötzlich ist man nicht nur für sich selbst, sondern auch das Wohl von mehreren Angestellten verantwortlich.“

© Matthias Rietschel
Anstatt über Sonnenschirme, Biertürme und Strandliegen herrscht Nicole Nitschke jetzt also über ein ganzes Sammelsurium an Antiquitäten, Ölbildern und Möbeln. Und scheint sich dort wohlzufühlen: Den ganzen Vormittag wuselt sie zwischen dem Inventar herum, schreibt Dienstpläne, bespricht die Speisekarte.
„Für viele unserer Gäste ist die ‚Trödelschänke‘ nicht nur Restaurant, sondern auch einfach ein Treffpunkt“, sagt sie. Lehrerinnen und Lehrer, Krankenschwestern oder Seniorengruppen würden sich regelmäßig im Restaurant zusammenfinden. „Wir können auf unsere Stammkunden zählen. Jetzt muss sich einfach noch mehr herumsprechen, dass es weitergeht mit dem Restaurant.“ Man könnte auch sagen: Die Zeit der „Trödelschänke“ ist noch lange nicht abgelaufen.